Diesel:Noch droht das Fahrverbot

Autohersteller und Baden-Württemberg ringen um eine Lösung. Die Konzerne zeigen, wie durch einen Eingriff in die Software der Stickoxid-Ausstoß vermindert werden kann.

Von Max Hägler und Josef Kelnberger, Stuttgart/München

Ministerpräsident Kretschmann besucht das Mercedes-Benz Werk

Nicht überzeugend genug: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (links) lässt sich von Daimler-Vorstand Ola Källenius einen Dieselmotor erklären.

(Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Die Besitzer älterer Diesel-Autos müssen weiterhin Fahrverbote fürchten. Ein Gespräch zwischen Autoindustrie und der Landesregierung von Baden-Württemberg über die Nachrüstung von Abgasanlagen ist ohne konkretes Ergebnis geblieben. Immerhin präsentierten Vertreter aller deutschen Konzerne eine "virtuelle Lösung", wie der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann am Donnerstag berichtete. Mittels Powerpoint wurde offenbar gezeigt, wie durch einen Eingriff in die Fahrzeug-Software der Stickoxid-Ausstoß vermindert werden kann. Doch blieben viele Fragen offen. Reicht der Eingriff wirklich, um die Grenzwerte einzuhalten? Wer überwacht die Nachrüstung? Wer kommt für die Kosten auf?

Die Gespräche in Stuttgart sind eine Art Pilotprojekt. Etwa in 80 deutschen Städten werden die Grenzwerte für Stickoxid überschritten. Immer mehr Gerichte lassen erkennen, dass zum Schutz der Anwohner Fahrverbote unausweichlich sind. Die grün-schwarze Koalition von Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat als erste Landesregierung Fahrverbote in Stuttgart an Tagen mit hoher Luftverschmutzung angekündigt - es sei denn, die Konzerne böten eine schlüssige Nachrüstung an.

"Die Automobilhersteller sind sich bewusst, dass die Politik bei der Luftreinhaltung insbesondere in größeren Städten vor großen Herausforderungen steht", erklärte der Autoverband VDA. Deshalb unterstütze die Industrie aktiv die Lösungssuche. Minister Hermann sieht nun allerdings die Bundesregierung am Zug: "Ohne Berlin geht es nicht." Auch die Konzerne sind dieser Meinung, auch wenn sie es hilfreich finden, dass die Gespräche derzeit "in einer Art Laborsituation" in Stuttgart gebündelt seien: Die Landespolitik dort verhandle bei dem Thema verlässlich und pragmatisch, heißt es aus der Zentrale eines Premiumherstellers. Von praktisch allen Herstellern hört man inzwischen: Wir müssen uns auf eine Lösung einigen, bald eine Nachrüstung anbieten. Die Herausforderung ist dabei offenbar, dass Leute und Technik knapp werden: Als der Hersteller VW allein seine Abgasanlagen umrüsten musste, buchten sie alle verfügbaren Prüfstände und viele der dafür geeigneten Programmierer. Nun brauche es noch mehr.

Die Nachrüstung bedeute, so Hermann, dass bisherige Euro-5-Dieselfahrzeuge dem modernsten Standard Euro 6 genügen. Die müsse vom Kraftfahrtbundesamt zertifiziert werden, zudem brauche es eine Abstimmung mit der EU, denn teilweise sind Diesel-Autos anderswo zugelassen. Grüne wie CDU hoffen nun, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt unter dem öffentlichen Druck die Federführung bei den Gesprächen übernimmt.

Vergangenes Jahr hat sich die Landesregierung nach einer Anwohnerklage in einem Vergleich verpflichtet, vom 1. Januar 2018 an verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, sofern im Jahr 2017 die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Das ist absehbar der Fall. Die Deutsche Umwelthilfe klagt sogar auf Fahrverbote für alle Dieselfahrzeuge; das Verwaltungsgericht wird noch vor dem Herbst darüber verhandeln. Deshalb steht Hermann unter erheblichem Zeitdruck. Der Entwurf für einen neuen Luftreinhalteplan samt Fahrverboten stellte er vergangenes Wochenende vor, er liegt nun aus.

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