Diesel-Debakel bei Bosch:"Ein Bänderstillstand ist das Schlimmste"

Eine Pannenserie macht Robert Bosch, dem größten Autozulieferer der Welt, schwer zu schaffen - dabei hat das Unternehmen selbst die Fehler aufgedeckt.

Von Dagmar Deckstein

Wie versunken im tiefen Schnee dieser Tage liegt auf der Stuttgarter Schillerhöhe die Konzernzentrale des größten Automobilzulieferers der Welt.

Diesel-Debakel bei Bosch: Schuld war eine winzige Lagerbuchse: Durch fehlerhafte Diesel-Einspritzpumpen von Bosch wie diese hier standen bei BMW und Mercedes-Benz tagelang die Bänder still.

Schuld war eine winzige Lagerbuchse: Durch fehlerhafte Diesel-Einspritzpumpen von Bosch wie diese hier standen bei BMW und Mercedes-Benz tagelang die Bänder still.

(Foto: Foto: dpa)

Zu allem Überfluss ist der Hauptflügel auch noch von einer grünen Plastikplane verhüllt - die Fassade des Firmensitzes wird erneuert, der eine oder andere Raum renoviert.

Auf den ersten Blick wirkt die Szenerie so, als ob sich das Unternehmen duckt und verkleidet, vor Peinlichkeit im Schnee versinken möchte.

Und wahrscheinlich wird uns drinnen ein zerknirschter Konzernchef entgegentreten, Franz Fehrenbach, sozusagen als fleischgewordener Imageschaden.

Bosch gleich doppelt im Feuer

Gleich zweimal ist der Zulieferer Robert Bosch (Slogan: "Technik fürs Leben") in den vergangenen Wochen in die Schlagzeilen geraten.

Erst sorgte eine fehlerhafte Dieselpumpe dafür, dass tagelang bei BMW und Mercedes-Benz die Bänder still standen. Eine winzige, nur wenige Cent teure Lagerbuchse vom Vorlieferanten Glyco in Wiesbaden war fehlerhaft. Der Schaden geht in die Millionen.

Kurz nach dem Diesel-Debakel wurde dann auch noch bekannt, dass General Motors in den USA 155.000 Autos zurückrief, weil der von Bosch bezogene Bremskraftverstärker überprüft werden musste. Dafür hätte sich kein Mensch interessiert - hätte nicht schon wieder der Name Bosch im Feuer gestanden.

Drei Millionen Produkte

Und das in einem Unternehmen, das sich seit 120 Jahren den Devisen des Firmengründers Robert Bosch verpflichtet fühlt: "Das Beste vom Besten" und "Lieber Geld verlieren als Vertrauen".

Was hätte Robert Bosch wohl von der Sache mit den Dieselpumpen gehalten, der seinen Mitarbeitern 1919 in die bis heute "Bosch-Zünder" titelnde Firmenzeitschrift schrieb: "Es war mir immer ein unerträglicher Gedanke, es könne jemand bei Prüfung eines meiner Erzeugnisse nachweisen, daß ich Minderwertiges leiste. Deshalb habe ich stets versucht, nur Arbeit hinauszugeben, die jeder sachlichen Prüfung standhält."

"Ein Bänderstillstand ist das Schlimmste"

Sage keiner, der sechste Unternehmenschef nach Bosch, Franz Fehrenbach, versuche das nicht auch.

Nur ist das bei drei Millionen Produkten, bestehend aus 600 Millionen Einzelteilen, die Bosch Tag für Tag allein nur für die Autoindustrie an die Produktionsbänder liefert, auch nicht gerade übersichtlicher geworden.

"Für uns als Zulieferer ist ein Bänderstillstand beim Kunden natürlich das Schlimmste", sagt Fehrenbach. Der oberste Boss des weltumspannenden Konzerns mit 40 Milliarden Euro Umsatz und 242.500 Mitarbeitern, im Hausgebrauch "G1" genannt, macht nun weder einen besonders gestressten noch zerknirschten Eindruck.

Scheitern im Feldeinsatz

Er bittet freundlich und gelassen wie immer in einen kleinen Konferenzraum, in dem er jetzt einmal ausbreiten wird, warum diese Panne mit den Dieselpumpen nicht unbedingt Anlass sein muss, um die deutsche Automobilindustrie mitsamt ihren Zulieferern öffentlich in Grund und Boden zu reden und zu schreiben.

Ja, es gibt sogar Stimmen im Hause Bosch, die meinen, dass das Unternehmen für seine schnelle Reaktion und Offenheit eigentlich gelobt gehöre.

"Früher", so drückt Fehrenbach es aus, "da gab es noch keine so umfangreichen fertigungsbegleitenden Stress-Tests in der Qualitätskontrolle." Da wären die Dieselautos mit den mangelhaften Einspritzpumpen einfach irgendwann auf der Straße - Fehrenbach sagt: "im Feldeinsatz" - stehen geblieben.

Und man hätte im Nachhinein lange suchen können, um auf die Lagerbuchse als Übeltäter zu stoßen. Heute herrsche in der Branche eine "unglaubliche Sensibilität" in Qualitätsfragen - der Wettbewerb ist beinhart.

Kriminalistische Detektivarbeit

Keine Frage, dass schon wegen der aufwändigeren Qualitätskontrollen Fehler und Mängel früher und häufiger auffallen und auch beizeiten korrigiert werden können - bevor etwas passiert.

"Schauen Sie doch mal, um wie viel besser die Autos heute sind als früher", sagt Fehrenbach. Weniger tödliche Unfälle, geringerer Kraftstoffverbrauch, niedrigere Abgasmengen, längere Lebensdauer - und das alles bei einem hochkomplexen Gefährt, das aus 18.000 Einzelteilen besteht.

"Ein Bänderstillstand ist das Schlimmste"

Die ADAC-Pannenstatistik gibt Fehrenbach recht: 1976 blieben noch 36 von 1000 Autos im ersten Jahr auf der Straße liegen, 2002 nur noch sechs.

Und dann schildert Fehrenbach noch, in welch kriminalistischer Detektivarbeit die Boschler vom 5. Januar an, als die erste Pumpe den internen Test nicht bestand, bis zum Abend des 27. Januar heraustüftelten, wo der Fehler lag. "Da erst wussten wir: Hier haben wir tatsächlich ein großes Thema", sagt Fehrenbach.

Regelmäßige Kontrollen auch für Standardteile

Und zwar eines mit "einem bisher völlig unauffälligen Standardteil", der Lagerbuchse eben, die seit 1997 in Millionen Motoren anstandslos ihren kleinen Dienst versah.

Als Lehre aus dem Diesel-Debakel zieht Fehrenbach, dass auch solche Standardteile einer regelmäßigeren Kontrolle unterzogen werden. "Zuallerletzt würden wir unsere Reputation als Qualitätszulieferer aufs Spiel setzen", beteuert Fehrenbach.

Die Ausgaben der "Bosch-Zünder" sind seit Jahren voll von "Fehlerfrei-in-Feuerbach"-Meldungen, "Q-intus-Qualitäts-Virus"-Kampagnen, oder Berichten von "Qualität in die Köpfe"-Seminaren.

Gerne stellt man gerade in diesen Tagen heraus, dass die Qualitätsoffensiven Früchte trügen. So habe sich seit 2002 die Fehlerquote bei 200 Millionen Bosch-Zulieferprodukten im Jahr von 850 auf nahezu zehn pro eine Million Teile verringert.

Imageschaden bleibt

Zielrichtung natürlich: Null. Dieses Ziel hatte ausgerechnet das Bosch-Werk in Feuerbach, das die Dieseleinspritzpumpen fertigt, unlängst erreicht.

Mehr als 400 Tage lang nach Aufnahme der Großproduktion der neuen Generation gab es nicht eine Beanstandung der Autohersteller - in diesem Fall VW und Audi.

Und nicht von ungefähr erzählt man, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, dass letztes Jahr ein Manager in einem tschechischen Bosch-Werk den Konzern binnen 24 Stunden verlassen musste: Er hatte sich erlaubt, Qualitätskontrollen eigenmächtig herunterzufahren.

Dennoch bleibt über dem größten Automobilzulieferer der Welt ein Imageschaden liegen, vielleicht aber auch nur so lange wie der Schnee auf der Schillerhöhe.

Aber so viel anders als 1919, als Robert Bosch mit seinen Zündanlagen schon eine monopolähnliche Machtstellung hatte, ist die Welt auch nicht geworden. Bosch schrieb damals, eigentlich sollte er seinen Kunden ja nahe legen, sie müssten bei ihm kaufen, weil er der Größte sei.

Stattdessen sage er ihnen aber: "Sie meinen, Sie müssen bei mir kaufen? Wie kommen Sie dazu? Sie können doch da und dort auch Ihren Bedarf decken. Von einem Muß ist keine Rede." Ob er das heute auch noch so sagen würde?

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