Die Sache "Amigo":Siemens-Aufsichtsrat: IG Metall prüft Strafanzeige

Berthold Huber, IG-Metall-Vize und Aufsichtsrat der Siemens AG, verlangt vom Konzernvorstand Aufklärung über mutmaßlich gekaufte Betriebsräte. Die IG Metall prüft, ob sie Anzeige erstattet.

Klaus Ott und Uwe Ritzer

In der neuen Siemens-Affäre um mutmaßlich gekaufte Betriebsräte meldet sich die IG Metall - eine neue Nagelprobe für den Konzernvorstand. Berthold Huber, Vizechef der IG Metall und Aufsichtsrat von Siemens, verlangt lückenlose Aufklärung über die dubiosen Millionenzahlungen des Münchner Unternehmens an den langjährigen Vorsitzenden der Arbeitnehmer-Organisation AUB, Wilhelm Schelsky. Die AUB, die als arbeitgeberfreundlich gilt, steht in Konkurrenz zur IG Metall.

Die Sache "Amigo": Pocht auf lückenlose Aufklärung: IG-Metall-Vize Berthold Huber.

Pocht auf lückenlose Aufklärung: IG-Metall-Vize Berthold Huber.

(Foto: Foto: AP)

"Alles, was bisher bekannt geworden ist, deutet darauf hin, dass hier mit System versucht worden ist, die Betriebsratsarbeit bei Siemens über die AUB unzulässig und gesetzeswidrig zu beeinflussen", sagte Huber am Donnerstag zu sueddeutsche.de. Die IG Metall prüfe deshalb, ob sie nach Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz Anzeige erstatte, "damit diese Machenschaften aufgeklärt werden können".

Eingriffe in Betriebsratswahlen verboten

Paragraf 119 verbietet Eingriffe in Betriebsratswahlen, beispielsweise durch die "Zuwendung von Vorteilen". Derartige Gesetzesverstöße werden von der Staatsanwaltschaft aber nicht von Amts wegen verfolgt, sondern nur auf Antrag von Betriebsräten, Gewerkschaften oder Unternehmen.

Ein solcher Antrag liegt im Fall Siemens bisher nicht vor, zeichnet sich nun aber bei der IG Metall ab. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, die bisher nur wegen Steuerhinterziehung und Untreue ermittelt, könnte das Verfahren dann ausweiten.

Eine von der Nürnberger Kriminalpolizei und der Steuerfahndung gebildete Sonderkommission "Amigo", die den Fall untersucht, hegt konkret der Verdacht von Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz.

Siemens habe über den AUB-Chef Schelsky Millionenbeträge in die AUB gesteckt, um deren Aufbau und deren Betriebsratswahlkämpfe zu unterstützen. Mangels Anzeige kann die Sonderkommission diese Spur bislang aber nicht weiter verfolgen.

IG-Metall-Vize Huber erhofft sich offenbar, dass Siemens selbst Anzeige erstattet und bei der Aufklärung der Millionenzahlungen in die Offensive geht. "Ich fordere den Vorstand von Siemens auf, selbst Licht in dieses Dunkel zu bringen."

Siemens-Aufsichtsrat: IG Metall prüft Strafanzeige

Als Vorbild gilt hier der VW-Konzern, der Mitte 2005 Anzeige nach Paragraf 119 gestellt und somit die Aufklärung der Affäre um den damaligen Personalvorstand Peter Hartz vorangetrieben hatte. Hartz war wegen Verstoßes gegen diesen Paragrafen vor zwei Monaten zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Er habe sich mit Zahlungen von 1,9 Millionen Euro an den ehemaligen VW-Betriebsratschef Klaus Volkert dessen "Wohlwollen" sichern wollen, befand das Landgericht Braunschweig.

Keine Anzeichen, dem Beispiel von VW zu folgen

Bei Siemens gibt es allerdings keine Anzeichen, dass der Konzern dem Beispiel von VW folgen will. Ein Konzernsprecher erklärte, "wir wollen uns dazu im Moment nicht äußern."

Intern versucht der Konzernvorstand offenbar, die Vorgänge um die AUB herunterzuspielen. Klaus Hannemann, Betriebsratsvorsitzender bei Siemens in Erlangen, erhielt vergangene Woche nach eigenen Angaben einen Anruf von Vorstandsmitglied Klaus Wucherer.

Der Zentralvorstand habe seine Sorge zum Ausdruck gebracht, dass das Image von Siemens Schaden nimmt", sagte Hannemann auf Anfrage. Anlass für den Anruf seien heftige Vorwürfe der IG Metall gewesen.

Kritik am heimlichen Sponsoring

Der Erlanger Gewerkschaftsfunktionär Wolfgang Niclas hatte das heimliche Sponsoring von Siemens für die AUB kritisiert und als gesetzeswidrig sowie als "kriminelle Handlung" bezeichnet. Hannemann sagte, Vorstandsmitglied Wucherer habe diese Aussagen von Niclas als "ziemlich harten Tobak" empfunden.

Wucherer ist im Zentralvorstand unter anderem für die Sparte Automatisierung und Antriebstechnik zuständig. Diese Sparte hatte 2001 einen Beratervertrag mit dem damaligen AUB-Chef Schelsky geschlossen, der nach Erkenntnissen der Ermittler bis 2006 zu Zahlungen in Höhe von insgesamt fast 34 Millionen Euro führte.

Den Vertrag hatte der damalige Spartenvorstand und heutige Zentralvorstand Johannes Feldmayer unterzeichnet, der seit Dienstag in Untersuchungshaft sitzt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: