Die Oppenheimers:Könige der Diamanten

Die hessischen Oppenheimers wurden zum reichsten Clan Afrikas. Ursprünglich profitierten sie vom rassistischen Ausbeutungssystem Südafrikas, doch inzwischen gründet ihr wirtschaftlicher Erfolg vornehmlich auf dem rasanten Wachstum in Asien.

Michael Bitala

Wer umgerechnet sechs Milliarden Dollar Privatvermögen besitzt, muss seinen Reichtum nicht zur Schau stellen. Die auffälligste Eigenschaft von Nicholas Frank Oppenheimer ist jedenfalls, dass er nicht weiter auffällt.

Die Oppenheimers: Diamant im Wert von mehreren Millionen Euro.

Diamant im Wert von mehreren Millionen Euro.

(Foto: Foto: dpa)

Mit seinem Vollbart, seiner dezenten Kleidung und seiner kameradschaftlichen Art - "nennen Sie mich Nicky" - wirkt der 60-Jährige zumindest so wie ein ganz gewöhnlicher weißer Südafrikaner, und mit diesen teilt er auch die weit verbreitete Sportbegeisterung. In seinem Büro ist zum Beispiel zu lesen: "Dinge, die noch vor dem Kricket erledigt werden müssen."

Es führt wohl zu weit, dieses Nicht-Auffallen als Merkmal der Familie zu stilisieren, aber schon der Großvater von Nicky Oppenheimer, Ernest, glänzte nicht gerade durch ein dominantes Auftreten.

"Nicht besonders helle"

Dieser wurde im Jahre 1880 im hessischen Friedberg als Ernst Oppenheimer, fünfter Sohn eines Zigarrenhändlers, geboren. Glaubt man den Aufzeichnungen, dann beeindruckte er zumindest als junger Mann seine Umwelt nur wenig. Als "ziemlich schüchtern" wurde er beschrieben, als einer, der "nicht besonders helle" schien.

Sein erster Arbeitgeber, der Edelsteinhändler Anton Dinkelsbuhler in London, schimpfte gar: "Du würdest nicht einmal einen guten Kellner abgeben."

Dabei war es Ernest Oppenheimer, der seine Familie zur reichsten in Afrika gemacht hat. Er erreichtete dabei auch ein Imperium, das es bis heute kein zweites Mal gibt. Der Mann hielt nämlich nichts von Marktwirtschaft, freiem Warenverkehr und Wettbewerb, er schuf ein Diamantenkartell, das im 20. Jahrhundert den weltweiten Handel zeitweise bis zu 90 Prozent kontrollierte.

Funkelnder Stein

Sein Aufstieg begann mit seiner Übersiedlung nach Südafrika 1902. Im staubigen Ort Kimberley ließ er sich nieder, dort war bei einem Picknick 1871 ein funkelnder Stein gefunden worden.

Daraufhin begann der größte Diamanten- und Goldrausch, den Afrika bis heute erlebt hat. Glücksritter aus aller Welt ließen sich nieder, und Ernest Oppenheimer sollte für den Edelsteinhändler Dinkelsbuhler eine Niederlassung leiten. Der Entsandte aber kam schnell selbst ins Geschäft, an das nötige Geld gelangte er durch eine reiche Heirat.

Schon 1912 war Oppenheimer der Bürgermeister von Kimberley, 1917 gründete er die Goldminengesellschaft Anglo-American Corporation, die neben Gold und Diamanten auch mit Kupfer, Kohle und Uran handelte und sich nach Botswana, Rhodesien, Angola, Belgisch-Kongo, Tanganjika und Südwestafrika ausdehnte. 1929 übernahm er das Unternehmen De Beers, das damals schon Weltmarktführer im Diamantenhandel war.

Einzigartiges Kartell

Erst ein Jahr später aber gelang Oppenheimer das eigentliche Meisterstück, die Gründung der ebenso berühmten wie berüchtigten Central Selling Organisation (CSO) in London. Dieses Kartell hatte zum Ziel, alle Rohdiamanten der Welt aufzukaufen, um durch Lagerbildung und gezielte Verkäufe den Preis hoch zu halten.

Könige der Diamanten

Die CSO verkaufte nur an zehn Terminen pro Jahr an ausgewählte Kunden, und diese durften weder über den Preis verhandeln noch die Ware vor dem Erwerb begutachten. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute die CSO ihre Monopolstellung noch weiter aus, da von 1955 an auch die Sowjetunion ihre Rohdiamanten über dieses Kartell verkaufte.

Auch wenn Ernest Oppenheimer und sein Sohn Harry, der die Leitung der Geschäfte nach dem Tod des Vaters 1957 übernahm, die Apartheidpolitik in Südafrika immer wieder kritisiert haben - der Reichtum der Oppenheimers gründete sich auch auf dem rassistischen Ausbeutungssystem des weißen Burenstaates. Die schwarzen Bergbauarbeiter verdienten nur einen Bruchteil dessen, was die weißen Kumpels bekamen, außerdem waren sie sämtlicher Rechte beraubt.

Das Geschäftsgebaren des Firmengeflechts von De Beers und Anglo American würde man heute wohl als "enthemmten Kapitalismus" bezeichnen. Die Unternehmen strangulierten mit ihrer Übermacht die Konkurrenz in Israel, Kanada und Australien, und sie kauften Diktatoren, wenn es von Vorteil war.

Geschäftspolitik radikal verändert

Seit ein paar Jahren aber hat die Oppenheimer-Familie ihre Geschäftspolitik radikal verändert, und zwar deshalb, weil sie musste. Mit dem Ende der Apartheid und dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte sich die Weltlage drastisch verändert.

Die Nachfolgerin der CSO, die Diamond Trading Company, kontrolliert heute nur noch rund 50 Prozent des weltweiten Rohdiamantenhandels. Ein Grund dafür lag in der neu entstandenen Konkurrenz von Unternehmen aus Ländern wie Russland, Kanada und Australien, die ihre Diamanten nun selbst auf den Markt bringen.

Außerdem geriet De Beers unter massiven öffentlichen Druck durch so genannte "Blutdiamanten", Edelsteine aus Angola, Sierra Leone oder Kongo, deren Verkauf die dortigen Kriege finanzierte.

Entflechtung

Nicky Oppenheimer, der die Leitung der Geschäfte vor fünf Jahren übernahm, leitete deshalb eine grundlegende Umgestaltung der Firmen ein. 2001 erfolgte die Entflechtung von De Beers und Anglo American. Der seit 1893 börsennotierte De-Beers-Konzern wurde zum Privatunternehmen. Nach der Abfindung der Aktionäre, die 18,7 Milliarden Dollar erhielten, übernahmen Anglo American und die Oppenheimer-Familie jeweils 45 Prozent.

Im Januar 2001 vereinbarte der Konzern außerdem ein Joint Venture mit der französischen Luxusgütergruppe LVMH, das sich um den weltweiten Privatkundenmarkt kümmern soll. Vor allem die steigende Nachfrage in Asien beschert derzeit Rekordgewinne, aber auch die jüngst eröffneten Luxusboutiquen mit dem weltbekannten Namen "De Beers" in London und Tokio unterstreichen die Neuausrichtung.

Nicky Oppenheimers einziger Sohn Jonathan wird jedenfalls in ein paar Jahren, wenn er in vierter Generation wie geplant die Führung von De Beers übernimmt, sich ganz auf das Kerngeschäft mit Diamanten konzentrieren können, die schon die Leidenschaft seines Urgroßvaters war. Und Nicky Oppenheimer wird dann wohl nur noch Kricket spielen, seine Hubschrauber fliegen oder sich um das familieneigene Wildreservat in der Wüste Kalahari kümmern.

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