Die Angreifer:Vertrauen in die Formel

Wealthfront CEO Adam Nash Interview

Dass er seine Apple-Aktien 1999 verkaufte, war sein größter finanzieller Fehler, sagt Wealthfront-Gründer Adam Nash.

(Foto: Bloomberg)

Wealthfront-Chef Adam Nash glaubt, dass der Algorithmus seines Start-ups Anlegern sinnvollere Finanztipps geben kann als irgendein Bankberater.

Von Jürgen Schmieder

Es ist dieser despektierliche Begriff, mit dem Adam Nash nichts anfangen kann. Der Geschäftsführer von Wealthfront wehrt sich dagegen, dass Unternehmen wie seines gern als "Robo-Berater" bezeichnet werden. "Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, habe ich festgestellt, dass jeder, der bei uns arbeitet, auch tatsächlich ein Mensch ist", sagt er. "Wir haben die Umschreibung 'automatisierter Investmentservice' eingeführt, weil sie treffender beschreibt, was wir tun." Es klingt nach vernünftiger Alternative zu menschlicher Beratung, "Roboter" hört sich dagegen nach ungelenker Maschine an.

Solche automatisierten Investmentservices sind gerade schwer in Mode in den USA. Einer Studie der Beratungsfirma Aite zufolge verwalteten die digitalen Berater im Jahr 2014 insgesamt bereits fünf Milliarden Dollar - bis zum Ende dieses Jahres sollen es 15 Milliarden sein. Ein Grund für das Wachstum sind sicher die geringen Kosten: Klassische Berater verlangen in den USA gewöhnlich ein Prozent der investierten Summe, bei kleineren Vermögen bisweilen auch mehr. Unternehmen wie Betterment, Personal Capital und FutureAdvisor nehmen deutlich weniger, Kunden von Wealthfront etwa bezahlen ab einer Summe von 10 000 Dollar ein Viertelprozent, darunter ist die Beratung kostenlos.

Die wichtigste Botschaft der automatisierten Berater ist jedoch nicht das Kosten-Argument, sie lautet: Vertraue der Technologie! Für gute Finanzberatung braucht es keine stundenlangen Gespräche mit einem Bankmitarbeiter, bei dem sich der Kunde mitunter fragt, warum der noch immer hier schuftet - wo es doch mit seiner Beratung so leicht sein soll, aus ein paar tausend Euro ein Vermögen zu machen. Nash sagt: "Diese Menschen brauchen niemanden, der ihnen sagt, dass sie mit einem anderen Exchange Traded Fund Geld sparen könnten - sie brauchen jemanden, der ihnen mit diesen anderen ETFs das Geld spart. Diese Angebote sind jedoch selten."

Seit dem Start von Wealthfront 2011 ist das verwaltete Vermögen nach eigenen Angaben auf mehr als 2,5 Milliarden Dollar gewachsen. Dabei konzentrierte sich das Start-up von Anfang an auf die "Millennials": Jene Generation der heute etwa 30-Jährigen, die bereits mit dem Internet aufgewachsen ist, nicht mehr mit dem Job auf Lebenszeit rechnet und keinen Bausparer hat. Diese Menschen, die ein Uber-Fahrzeug statt ein Taxi bestellen und den Urlaub einer AirBnB-Wohnung statt in einem Hotelzimmer verbringen, sind es gewohnt, dass Algorithmen ihnen den Weg durch den Alltag weisen. Die Formeln helfen beim Einkauf und bei der Auswahl des Spielfilms - warum sollen sie also nicht auch die richtige Finanzstrategie finden? "Es gibt 90 Millionen Millennials, die nach einer Alternative suchen, nach einer besseren Lösung für ihre Finanzen", sagt Nash. "Für die wollen wir großartige Dienstleistungen erschaffen, indem wir unabhängig von der Wall Street bleiben."

Zugleich haben Nashs Kunden als Jugendliche erst im Dotcom-Crash und später während der Finanzkrise erlebt, wie ihre Eltern einen Großteil ihres Vermögens verloren, weil inkompetente oder gierige oder rücksichtslose Bankberater ihnen weismachten, dass alles in Ordnung sei. Kurz: Es sind auch Menschen, die anderen Menschen nicht mehr vertrauen. Jedenfalls vertrauen sie ihnen weniger als einer Technologie, die den ganzen Tag nur Zahlenkolonnen berechnet und nicht inkompetent oder gierig oder rücksichtslos sein kann. Die emotionslos und effizient eine Strategie vorschlägt.

Genau so wirkt die Geldanlage bei Wealthfront: effizient und emotionslos. Der Kunde beantwortet zu Beginn ein paar Fragen nach Alter und Einkommen, nach den Gründen für sein Investment und nach der bevorzugten Reaktion auf kurzfristige Verluste. Ein paar Sekunden später präsentiert die Seite eine Strategie - und einen Knopf auf dem steht: "Sieht großartig aus! Eröffne mein Konto." So schnell geht das. 60 Prozent der Kunden von Wealthfront sind jünger als 35, nur zehn Prozent sind älter als 50.

Natürlich steht Firmen wie Wealthfront die wahre Prüfung erst noch bevor: Was machen die Kunden, wenn die Kurse auf breiter Front einbrechen, so wie in den Jahren 2000 und 2008? Überlassen sie auch dann einem Algorithmus ihr Geld und bleiben gelassen, so wie eine Maschine eben auch in der Krise gelassen bleibt? Oder werden sie panisch, wie Menschen nun einmal panisch werden? "Ich habe diesen Silicon-Valley-Optimismus, wenn es darum geht, Finanzdienstleistungen neu zu denken und neu zu definieren", sagt Nash, der einst bei Apple gearbeitet hat und seine Mitarbeiter-Aktien bereits 1999 verkaufte. Sie wären heute hundertmal soviel wert wie damals - und er bezeichnet den frühen Verkauf heute als den größten finanziellen Fehler seines Lebens. Ob ein automatisierter Investmentservice den verhindert hätte, ist freilich fraglich. In die Zukunft sehen können bisher weder Menschen noch Roboter.

Die Digitalisierung hat die Finanzbranche erfasst, immer mehr Gründer fordern die Dienstleister heraus. In dieser Serie stellt die SZ die Angreifer vor.

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