Die Angreifer:Aus Trotz zum Erfolg

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Die Geschichte des Bezahldienstes Klarna beginnt mit einem verpassten Schiff und einer Idee, die sich erst durchsetzen musste. Heute wickelt das Unternehmen aus Schweden jeden Tag Hunderttausende Transaktionen ab.

Von Silke Bigalke

Die Geschichte von Niklas Adalberth beginnt, ganz Tellerwäscher-romantisch, vor einem Fastfood Grill. Dort stand er, damals 14, zusammen mit Sebastian Siemiatkowski. Vor so einem Burger Grill lerne man sich ganz gut kennen, sagt Adalberth. Die beiden wurden Freunde, gingen gemeinsam auf Weltreise. In Australien verpassten sie ihr Schiff und Siemiatkowski daraufhin seine Master-Prüfung. Zurück in Schweden musste er deshalb ein Jahr jobben - und landete bei einer Finanzfirma.

Auf die Idee mit dem Bezahldienst brachte ihn ein Online-Händler, der dort vorsprach. Er verschiffte seine Waren nach Schweden, die Kunden mussten vorher mit Kreditkarte bezahlen. Das schreckte damals viele ab. Sie hätten lieber auf Rechnung gekauft und erst nach Lieferung bezahlt. Doch dabei lief der Händler Gefahr, dass er sein Geld nicht bekommt. Er fragte also die Firma, für die Siemiatkowski damals arbeitete, ob sie dieses Risiko übernehmen könne. Die Firma lehnte ab. Doch Siemiatkowski behielt die Idee im Kopf.

Ein Jahr später holte er seine Prüfung nach, studierte mit Niklas Adalberth und einem weiteren Freund an der Stockholm School of Economics. Zu dritt nutzten sie das Gründerzentrum der Uni, um die Idee mit dem Bezahldienst zu entwickeln und Investoren vorzustellen. "Wenn wir dieses Schiff nicht verpasst hätten, gäbe es Klarna heute nicht", sagt Adalberth, heute stellvertretender Geschäftsführer.

Die Idee ist geblieben: Mit Klarna erhalten Kunden ihre Waren, bevor sie zahlen. Mitgeliefert wird eine Rechnung, die sie innerhalb von 14 Tagen begleichen müssen - bei Klarna, nicht beim Händler. Das Start-up übernimmt gegen Gebühr dessen Risiko, dass einer nicht bezahlt. Etwa 50 000 Händler arbeiten weltweit mit Klarna zusammen. Fünf Millionen Menschen in Schweden nutzen laut Adalberth den Dienst, 40 Prozent aller Online-Zahlungen liefen über Klarna. In Deutschland, wo gut achtmal mehr Menschen leben, sind es rund 25 Millionen Nutzer. Klarna hat heute 1300 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 240 Millionen Euro.

Heute haben die Klarna-Gründer um Niklas Adalberth 1300 Mitarbeiter und machen 240 Millionen Euro Umsatz. (Foto: oh)

Dabei begann es für Adalberth, der heute 33 Jahre alt ist, und seine Freunde alles andere als ermutigend. An der Uni traten sie 2004 bei einem Start-up-Wettbewerb an. In der Jury: Die wichtigsten Namen der schwedischen Wirtschaft, darunter ein Vertreter der Wallenbergs und der Sohn des H&M-Gründers. "Sie haben gesagt: Ihr scheint ja ganz nette Jungs zu sein, aber macht lieber etwas anderes. Damit habt ihr keine Chance", sagt Adalberth. Was danach kam, war Trotz: "Wir werden es ihnen zeigen." 2005 gründeten sie Klarna.

Inzwischen gibt es den Bezahldienst in 18 Ländern, seit 2010 in Deutschland. Der Start war holprig, Verbraucher klagten, dass Mahnungen zu früh und ohne Vorwarnung kamen - und mit ihnen eine Gebühr von derzeit 4,95 Euro. Früher war sie noch höher. In den Verbraucherforen häuften sich die Beschwerden. "Wir hatten bereits geplant, den Bezahlprozess zu vereinfachen, und das hat es beschleunigt", sagt Adalberth. Nun können Käufer die Zahlungsfrist kostenlos um zehn Tage verschieben und erhalten eine Erinnerungsmail, zwei Tage bevor sie ausläuft.

Für viele Händler in Schweden übernimmt Klarna inzwischen den gesamten Bezahlvorgang, nicht mehr nur die Option, auf Rechnung zu kaufen. Check-out-Service heißt das, die virtuelle Kasse: Der Kunde sucht Waren im Internet aus, klickt auf "Kaufen" und kann dann entscheiden, ob er per Kreditkarte, Überweisung, Ratenkauf oder Lastschrift zahlen möchte. Wählt er nichts aus, bekommt er automatisch eine Rechnung. Wenn Klarna hinter diesem Check-out steht, zahlt er immer an Klarna - egal auf welchem Weg.

Die Kernaufgabe ist dieselbe: "Wir entscheiden, wer zahlen wird und wer nicht zahlen wird", sagt Adalberth. Dafür nutzt Klarna Auskunfteien wie die Schufa, sowie 139 weitere Variablen. Wenn jemand um drei Uhr nachts einkauft, sei es beispielsweise wahrscheinlicher, dass er nicht bezahlen wird als um drei Uhr nachmittags, erklärt Adalberth. So entscheidet Klarna über bis zu 300 000 Transaktionen am Tag. Wer als nicht kreditwürdig eingestuft wird, muss vor Lieferung zahlen.

Meistens bekommt der Käufer von diesen Berechnungen nichts mit. In Schweden trägt Niklas Adalberth sein Klarna-Konto quasi auf dem Handy herum, ist dort dauerhaft eingeloggt. Um zu zeigen, wie einfach das alles ist, ruft er die Seite eines Online-Buchhändlers auf, klickt beim ersten Buch, das er sieht, auf "kaufen". Bestellung abgeschlossen, keine weiteren Angaben notwendig. Sobald das Buch verschickt ist, taucht es im Account auf. Dort sind alle offenen Rechnungen aufgelistet, inklusive Preis und Fälligkeit. Klickt er hier auf "bezahlen", wird das Geld sofort überwiesen. Pin oder Kontonummer muss er gar nicht mehr angeben, Adalberth hat sein Bankkonto online mit Klarna verbunden. Soweit ist das deutsche System allerdings noch nicht.

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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