Deutschlands Wirtschaft:Vorboten des Abschwungs

Seit langem lässt sich die Konjunkturabschwächung vorhersehen. Nur die Bundesregierung erkennt keinen abrupten Rückschlag für die Konjunktur.

Marc Beise

Jetzt geht es los - wer zynisch ist, könnte sagen: endlich. Die deutsche Konjunktur schwenkt nach unten, die Vorboten des Abschwungs zeigen sich am Horizont. Das ist kein Grund zur Freude, aber die Zahlen sollten jetzt endlich jedem die Augen öffnen. Seit Monaten konnte man diese Entwicklung vorhersehen: Die lahmende Weltkonjunktur, die Finanzkrise und die steigenden Energiepreise wiesen die Richtung.

Deutschlands Wirtschaft: Nur die schwere deutsche Seele?

Nur die schwere deutsche Seele?

(Foto: Foto: ddp)

Deshalb machte es zunehmend zornig, dass dieser Zusammenhang vor allem von deutschen Regierungspolitikern hartnäckig geleugnet wird. Auch jetzt noch sieht die Bundesregierung keinen abrupten Rückschlag für die Konjunktur. Es gebe keinen Grund, die Wachstumsprognosen für dieses und das nächste Jahr zu ändern, lassen die Stallwachen im urlaubenden Berlin wissen.

Dabei sind die Zahlen so eindeutig, wie Prognosen es nur sein können: Die Unternehmen berichten über nachlassenden Auftragseingang, die Exportaussichten verdüstern sich, die Stimmung in den Unternehmen verfällt. Die großen deutschen Konzerne müssen dieses Jahr mit schrumpfenden Gewinnen rechnen.

Aufschwung mehrheitlich nicht angekommen

Die Bereitschaft, neue Mitarbeiter einzustellen, sinkt - im Gegenteil mehren sich jetzt wieder die Ankündigungen von Stellenabbau: Siemens, BMW, Unicredit, Telekom, Airbus, die ersten großen Mittelständler; die Liste wird immer länger.

Hiobsbotschaften allenthalben, selbst die deutschen Reeder geraten in Panik: Weniger Container als bisher steuern auf die Seehäfen zu. Das ist deshalb besonders bemerkenswert, weil mit den Schiffen die Weihnachtsgeschenke der Deutschen kommen.

Es kommen weniger, nicht etwa weil in China weniger produziert würde, sondern weil die Händler hierzulande weniger ordern: Der Verbraucher, der schon während des Aufschwungs wenig Kauflust gezeigt hat, wird sich jetzt erst recht zurückhalten.

Viele Bürger sind von dieser Entwicklung nicht überrascht, sie haben es nicht anders erwartet. Es ist dieser fehlende Optimismus, der von außen gerne belächelt wird.

Wenn die Italiener, die Griechen, die Amerikaner so negativ eingestellt wären, heißt es dann, hätten ganze Nationen im Selbstmord enden müssen. Aber irgendwie verlieren die anderen die gute Laune nicht - wohl aber die Deutschen, die leiden, selbst wenn es mal gar nichts zu leiden gibt. Ist das der Ausbund der schweren deutschen Seele?

Man kann das so sehen, kann tief in die psychologische Werkzeugkiste greifen. Und zum Beispiel die Glücksforschung bemühen, wonach Menschen zufriedener werden, nicht wenn sie mehr Geld in der Tasche haben, sondern wenn sie mehr Geld als der Nachbar in der Tasche haben.

Der Verlust des Arbeitsplatzes, auch dazu gibt es Studien, verletzt die Betroffenen mehr, als man bisher dachte, und wirkt länger nach. Die Angst, dass einem passiert, was man beim Nachbarn gesehen hat, ist groß.

Dann gibt es noch jene Mitbürger, die die Probleme sogar mit Befriedigung sehen. Dass die Autoindustrie, an der immer noch jeder zehnte Arbeitsplatz in Deutschland hängt, in die Krise gerät, müsste eigentlich ein Alarmzeichen sein. Tatsächlich aber freut sich mancher klammheimlich, weil dem Fetischismus des "Immer größer, immer schneller" endlich Einhalt geboten wird.

Wer schon immer gegen die SUVs, die schweren, benzinfressenden Geländewagen, war, sieht es mit Freude, wie die amerikanischen Hersteller, die von diesem Trend nicht lassen wollten, nun - endlich - in die Knie gehen. Und übersieht, dass damit nicht nur die US-Wirtschaft in eine gefährliche Lage kommt.

Bei genauer Betrachtung finden sich auch andere, schwerwiegende Gründe für den deutschen Pessimismus. Zum Beispiel, dass die Bürger den vielzitierten Aufschwung mehrheitlich gar nicht gespürt haben. Die ärmeren Schichten sowieso nicht, die nun die ganze Härte des Hartz-IV-Prozesses erleben. Aber auch die besser Verdienenden haben wenig von den guten Zeiten bemerkt, von denen in den vergangenen ein, zwei Jahren so häufig die Rede war.

Erben und Großverdiener

Das hängt vor allem mit dem Zugriff des Staates zusammen, der die vermeintlich gut gestellte Mittelschicht über Gebühr belastet. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer, höhere Abgaben wie jetzt in der Krankenversicherung, die klare Progression bei der Steuer, die Verschlechterung der öffentlichen Leistungen - an allen Ecken und Enden nimmt das verfügbare Einkommen ab. Nur wer wirklich viel verdient, oder wer geerbt hat, kann noch sorgenfrei durchs Leben gehen.

Natürlich kann man hoffen, dass alles so schlimm nicht wird. Dass die Konjunkturforscher sich wieder irren, so wie sie den letzten Aufschwung nicht oder zu spät vorhergesehen haben.

Dieses Mal aber ist eine solche Fehlprognose nicht zu erwarten - im Gegenteil: Es wird alles womöglich noch viel schlimmer als erwartet. Denn die Politik hat ja nicht vorgesorgt, hat weder den Haushalt rechtzeitig saniert noch den Arbeitsmarkt dereguliert, und hat vor allem entgegen allen Versprechungen nicht wirklich in Bildung investiert.

All das kann man seit langem wissen. Aber es braucht offenbar immer wieder erst die schlechten Zahlen, um den Ernst der Lage wirklich zu erkennen.

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