Deutschland:Plötzlich vorne

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Ist Deutschland innovativer als fast jedes andere Land der Welt? Ausländische Manager sagen ja - und sind des Lobes voll. Die Deutschen allerdings sind skeptisch.

Martin Hesse

Kaum ein Land ist nach Einschätzung von Managern aus aller Welt so innovativ wie Deutschland. Das ergab eine neue Studie der Beratungsfirma Strategy One im Auftrag des amerikanischen Industriekonzerns und Siemens-Konkurrenten General Electric (GE). Demnach gilt Deutschland hinter den USA als Nummer zwei. 67 Prozent aller Befragten nennen die USA als eines der drei innovativsten Länder, 44 Prozent zählen Deutschland zu den drei Top-Staaten. Dicht dahinter folgen Japan und China. Für das GE-Innovationsbarometer befragte Strategy One 1000 Manager aus zwölf Ländern.

Die Rangliste der innovationsfreudigsten Länder. (Foto: N/A)

"In Deutschland genießen Innovationen hohe Wertschätzung", sagte Beth Comstock, Vizepräsidentin und Marketing-Chefin bei GE, der Süddeutschen Zeitung. "Die Regierung erkennt, wie wichtig die technologische Basis für die deutsche Exportwirtschaft ist, und unterstützt sie entsprechend. Das könnte für die USA ein Vorbild sein." Auch sie halte die USA und Deutschland für die innovativsten Länder. "Aber China, Südkorea und andere holen schnell auf."

"Latte liegt schon sehr hoch"

Ganz anders, als sie von außen wahrgenommen werden, schätzen die Länder oder viel mehr ihre Manager sich selbst ein. Während Manager in China, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten das Umfeld für Innovationen in ihren Ländern als gut ansehen, sind die Deutschen und vor allem die Japaner selbstkritisch. "Vielleicht beurteilen Japaner und Deutsche ihre Innovationsfähigkeit pessimistischer, weil die Latte in diesen Ländern schon sehr hoch liegt", erklärt Comstock das Phänomen.

Für einen Innovationsschub in den USA hat nach Einschätzung der GE-Managerin die Wirtschaftskrise gesorgt. "Die Krise war für die USA ernüchternd. Aber sie hat dazu geführt, dass wir uns wieder auf die Erneuerung unserer industriellen Basis konzentrieren." US-Präsident Barack Obama hatte GE-Chef Jeffrey Immelt vergangene Woche zum Chefberater für Wirtschaftsfragen ernannt. Der Konzern sieht darin ein deutliches Zeichen, dass die amerikanische Regierung sich wieder mehr für eine Stärkung der Industrie einsetzen will.

Comstock macht denn auch eine gewisse Aufbruchstimmung in den USA aus, die sich beispielsweise im Silicon Valley zeige: "Die Euphorie um mögliche Börsengänge von Internet-Unternehmen wie Facebook hilft, die Begeisterung für Innovationen wieder zu wecken." Als wichtigsten Innovationsmotor haben die befragten Manager ihre Mitarbeiter identifiziert. Um voranzukommen, braucht man ihren Antworten zufolge kreativere Mitarbeiter, die auch mal querdenken, sowie Leute mit hoher technischer Expertise. "Qualifizierte Mitarbeiter sind einer der wichtigsten Faktoren für Innovationen. Um sie zu gewinnen, kommt es nicht nur auf die Bezahlung an, die Leute wollen auch sehen, dass ihre Ideen an den Markt gebracht werden", sagt Comstock.

Sehnsucht nach Querdenkern

Laut Umfrage ist die Sehnsucht deutscher Führungskräfte nach innovativen Querdenkern besonders ausgeprägt. Dagegen sieht man hier im Vergleich zu anderen Ländern wenig Bedarf an zusätzlicher finanzieller Unterstützung durch den Staat.

Wer treibt Innovationen an? Nach Einschätzung der Manager tun Unternehmen weitaus mehr dafür, Neues in die Welt zu bringen, als etwa Regierungen oder Universitäten. Am fruchtbarsten ist jedoch nach Ansicht der Befragten eine Zusammenarbeit aller. "Firmen- und länderübergreifende Zusammenarbeit ist unerlässlich, um Lösungen für die Herausforderungen der Gegenwart zu finden", sagt auch Comstock. GE investiere deshalb zunehmend außerhalb des Konzerns in Forschung und Entwicklung. So hat das Unternehmen gerade zum zweiten Mal einen Innovationswettbewerb ausgeschrieben. In der ersten Runde suchte GE junge Firmen, die rund ums Thema intelligente Stromnetze Produkte entwickeln Jetzt geht es um Energiesparlösungen für Haushalte. Insgesamt will GE über den Wettbewerb 200 Millionen Euro investieren. GE will sich wie der Wettbewerber Siemens als grüner Technologieführer verkaufen.

Was Innovation bremst, wird in der Umfrage nur in Ansätzen deutlich. So geht den Wirtschaftsvertretern offenbar die Risikobereitschaft der Gesellschaft nicht weit genug. Nur gut die Hälfte der Manager ist der Ansicht, die Gesellschaft sei bereit, Risiken in Kauf zu nehmen, um Innovationen zu ermöglichen. Auch die finanzielle Unterstützung des Staates für innovative Unternehmen sieht die Hälfte der Befragten nicht als ausreichend an. Ein weiteres Problem nennt Comstock: "Der harte globale Wettbewerb kann Motor und Hindernis zugleich sein: Er bringt schneller Innovationen hervor, doch der Wettbewerb bedeutet auch, dass man neue Ideen nicht lange allein hat."

© SZ vom 26.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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