Deutschland:Kälteschock am Arbeitsmarkt

Die Wirtschaft brummt, doch die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist im Dezember unerwartet gestiegen: Jetzt sind wieder mehr als drei Millionen Menschen ohne Arbeit.

Damit hatten die Experten nicht gerechnet: Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist im Dezember stärker gestiegen als für den Wintermonat üblich. Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) mitteilte, waren zum Jahresende 3,016 Millionen Erwerbslose registriert.

Winter legt Baustellen lahm

Der frühe Wintereinbruch belastet den Arbeitsmarkt unerwartet stark.

(Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Dies seien 85.000 mehr gewesen als im November, aber 260.000 weniger als vor einem Jahr. Üblich ist im Dezember im Drei-Jahres-Durchschnitt eine Zunahme im Monatsvergleich um rund 67.000.

Rückgang der Ein-Euro-Jobs

Für den stärkeren Anstieg im abgelaufenen Monat machte die BA den frühen und heftigen Wintereinbruch verantwortlich, der für höhere Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft gesorgt habe.

Unter Herausrechnung der jahreszeitlichen Schwankungen ergab sich der BA zufolge für Dezember mit einer Zunahme um 3000 erstmals seit Mitte 2009 im Monatsvergleich wieder eine saisonbereinigte Zunahme. Banken-Volkswirte hatten hingegen einen Rückgang um 10.000 erwartet.

BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise betonte aber, die Besserung am Arbeitsmarkt habe sich im Dezember fortgesetzt. Für den saisonbereinigten Anstieg sei neben dem frühen Wintereinbruch auch ein Rückgang der Ein-Euro-Jobs von November auf Dezember verantwortlich.

Das vergangene Jahr war für den Arbeitsmarkt das beste seit 1992. Im Jahresdurchschnitt registrierte die BA 3,244 Millionen Arbeitslose nach 3,423 Millionen im Jahr zuvor. Noch weniger Arbeitslose hatte es zuletzt im Jahresdurchschnitt 1992 mit 2,98 Millionen gegeben.

Kraftloser Aufschwung

Vorerst dürfte sich der Aufschwung in Deutschland nach Ansicht des DIW-Instituts fortsetzen, doch schon im nächsten Jahr soll er deutlich an Kraft verlieren. Für 2012 sagen die Berliner Forscher nur noch ein Anziehen der Konjunktur von 1,3 Prozent nach 2,2 Prozent in diesem Jahr voraus.

Nach der Rezession hätten 2010 Aufholeffekte eine große Rolle gespielt, sagte DIW-Konjunkturexperte Ferdinand Fichtner in Berlin. "Die wird es in den nächsten Jahren so nicht mehr geben." Impulsgeber seien 2011 der Außenhandel, Investitionen am Bau und in Maschinen und Anlagen sowie der private Konsum. Die heimische Wirtschaft sei zwar ohne Massenentlassungen durch die Krise gekommen. "Die Lage ist aber nicht so günstig, wie sie aussieht", sagte Fichtner. "Von der Krise betroffen waren vor allem die Vollzeitbeschäftigten."

Dieser Bereich erhole sich nur langsam. Der kräftige Anstieg der Erwerbstätigenzahl 2010 auf das Rekordhoch von rund 40,5 Millionen sei vor allem dem Zuwachs von Teilzeitstellen zu verdanken.

Für 2011 erwartet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dass die Beschäftigung wächst, allerdings mit geringerem Tempo. Die Arbeitslosigkeit werde im Jahresdurchschnitt aber bei mehr als drei Millionen liegen. Das vergangene Jahr war für den Arbeitsmarkt das beste seit 1992. Im Jahresdurchschnitt gab es 3,244 Millionen Arbeitslose nach 3,423 Millionen 2009.

Wegen der guten Konjunktur geht das DIW davon aus, dass Deutschland in diesem und im nächsten Jahr das Maastricht-Kriterium wieder einhält: Die Neuverschuldung dürfte 2011 mit 2,4 und 2012 mit 2,1 Prozent jeweils unter der Drei-Prozent-Grenze liegen. DIW-Präsident Klaus Zimmermann warnte aber vor Euphorie: "Die Staatsschulden steigen weniger als befürchtet, aber sie steigen."

Die Konsolidierung komme nicht so gut voran, wie es dank des starken Wirtschaftswachstums sein sollte. "Einen Spielraum für Steuerentlastungen gibt es nicht. Stattdessen müssen alle Ausgaben auf den Prüfstand." Zimmermann nannte etwa die Subventionen für SteinKohle und Landwirtschaft und die Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit.

"Strenge Kontrolle der Fiskalpolitik"

Außerdem müsse die Regierung über Möglichkeiten zu Mehreinnahmen nachdenken: "Die Umsatzsteuer braucht eine grundlegende Reform." Der ermäßigte Steuersatz sollte überprüft werden. Zudem plädierte der DIW-Chef erneut für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Kritisch sehen die DIW-Forscher die Maßnahmen zur Lösung der Eurokrise.

Durch die Hilfen würde der Druck auf die Regierungen der Krisenländer gelockert, endlich ihre strukturellen Probleme anzugehen. Wichtig wäre deshalb, sie mit harten Auflagen zu verbinden, sagte Zimmermann. "Dazu gehört eine strenge Kontrolle der Fiskalpolitik der europäischen Staaten durch eine unabhängige europäische Institution und eine Umschuldung der bedrängten Staaten, die nicht nur den Steuerzahler, sondern vor allem die beteiligten privaten Kreditgeber ins Boot nimmt."

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) warnte zugleich, dass Deutschland besonders anfällig für die Erschütterungen aus der Eurokrise sei. Zur Lösung der Euro-Krise forderten die Forscher wiederum eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirms und einen stärkeren Ankauf von Euro-Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Zugleich müssten Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen wie Deutschland Investitionsprogramme auflegen, um die Binnennachfrage zu stärken.

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