Deutschland:Der Millionär, das unsichtbare Wesen

Sie geben die eigene Yacht als gechartert aus und feilschen um Prozente: Warum es vielen Deutschen peinlich ist, vermögend zu sein.

Evelyn Roll

Zum Beispiel Friede Springer: Wer zufällig in Berlin eine Abendeinladung gleichzeitig mit Friede Springer verlässt, wird eine kleine Überraschung erleben, jedenfalls wenn er damit gerechnet haben sollte, dass jetzt das dunkle Dickschiff von Auto vorfährt, ein grau-livrierter Chauffeur herausspringt.

Friede Springer, die in den Neid-Charts immerhin als eine der reichsten Frauen der Republik geführt wird, gräbt aber wie wir anderen in ihrer Handtasche, um den Autoschlüssel zu suchen - und steigt in einen unauffälligen Golf Diesel, in dem sie sich selbst zurück nach Dahlem chauffiert.

Deutsche zeigen ihren Reichtum nicht. Im Gegenteil. Dafür, wie reich eine ganze Menge Menschen in diesem Land sind, fahren vergleichsweise wenig Stretch- limousinen durch unsere Städte. Auch auf den bedeutendsten Festivitäten sieht man eher selten große Brillanten und kiloschweren Goldbehang.

Privat-Golfplatz nur auf Mallorca

Ein wirklich reicher Deutscher lässt sich niemals in seinem neuen Jet oder auf der Mega-Yacht fotografieren. Und wenn er sich einen Golfplatz baut, dann tut er das nicht im Westerwald, sondern auf Mallorca. Schon gar nicht, seitdem die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht.

Wenn ein amerikanischer Schauspieler nach der Kündigung seines Vertrags und allerlei Gerede über seine Mitgliedschaft in einer Sekte glaubt, etwas für sein Image tun zu müssen, dann gibt er mal eben 23 Millionen Dollar für eine Hochzeit aus, die natürlich im alten Europa und, weil man selbst Scientologe ist, am besten einen Steinwurf vom Vatikan entfernt gefeiert wird.

Und wenn sich eine Dame in weißem Nerz auf der Etage mit den Designermöbeln und erlesenen Antiquitäten im Berliner Quartier 207 umschaut und schließlich sagt: Ich kaufe alles; die ganze Etage; ja, bitte auch die Bilder und Lampen - dann handelt es sich ganz sicher nicht um eine Deutsche, eher um eine Oligarchengattin aus Russland, was man vor allem daran erkennt, dass sie sofort, ohne zu feilschen, bar bezahlt.

Reiche Menschen aus Amerika, Italien und Russland zeigen mit Vergnügen, Selbstbewusstsein und Stolz der ganzen Welt ihren Reichtum: Mein Zweitschloss, meine Autos, meine Schiffe, meine Flugzeuge. Bitte sehr.

Kein Mensch in Deutschland käme auf die Idee, ausgerechnet durch das Ausstellen von Reichtum sein angekratztes Image aufpolieren zu können oder eine ganze Kaufhausetage zu kaufen. Im Gegenteil. Reichtum in Deutschland wird versteckt. Immer schon. Seit Hartz IV noch mehr.

Patricia Riekel, die als Chefredakteurin der Bunten Expertin ist für reiche Menschen, sagt: "Die Deutschen haben kein entspanntes Verhältnis zu Geld." In Deutschland werde es inzwischen ja auch als fast kriminell angesehen, sehr viel Geld zu verdienen.

Also fahren die sehr reichen Deutschen das klassenlose, unauffällige Auto. In Jaguars, Ferraris und Rolls Royce setzen sich in diesem Land vorzugsweise arglose Neureiche, die in der Computerbranche oder an der Börse zu schnellem Geld gekommen sind, und Altplayboy Rolf Eden natürlich.

Versteckter Prunk

Die wirklich Reichen lassen auch nicht gerne Menschen aus anderen Schichten in ihre prachtvollen Villen, die in den für prachtvolle Villen vorgesehenen Vierteln und Vororten unserer Städte stehen. Fast schon benehmen sie sich, als schämten sie sich, so reich zu sein, oder fürchteten sich, dass man ihnen etwas wegnimmt.

Je größer der Reichtum ist, je älter und je härter erworben, desto weniger wird er vorgezeigt in Deutschland. "Reichtum verwandelt Menschen in seltsame Wesen", sagt Patricia Riekel. Sie kennt eine Unternehmerfamilie, die jedes Jahr mit ihrem herrlichen Schiff auf dem Mittelmeer unterwegs ist. Und jedes Jahr erzähle sie allen, es sei ein gechartertes Schiff.

Den wahren deutschen Multimillionär erkennt man auf der ganzen Welt offenbar vor allem daran, dass er an der Hotelrezeption hartnäckig um Prozente feilscht und sorgfältig jede Position einer Restaurantrechnung prüft.

Die Diskussion, ob es überhaupt sinnvoll ist, für ein Abendessen 70 Euro auszugeben, wird in deutschen Multimillionärs-Kreisen länger und verbissener geführt als die, ob ein Kunstwerk für 700.000 Euro gekauft werden soll. Schließlich ist so ein Essen nach Verzehr weg. Kunst dagegen ist eine Geldanlage.

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