Deutschland:Arm und schutzlos

In den USA werden Hinweisgeber belohnt und auch geschützt. In Deutschland jedoch fehlen solche Regelungen - noch.

Von Nils Wischmeyer

Whistleblower werden in den USA öfters mal zu Multimillionären. Anders als in Deutschland, dürfen amerikanische Behörden Geld an Hinweisgeber ausschütten. Führt ein Tipp dazu, dass das Unternehmen verurteilt wird und ein Bußgeld von mehr als einer Million Euro zahlen muss, bekommt der Whistleblower zwischen zehn und dreißig Prozent der Strafzahlung. In den USA können das mehrere Millionen Dollar sein. Jüngstes Beispiel: Im Februar hat sich der Agrarkonzern Monsanto mit der amerikanischen Börsenaufsicht (SEC) auf ein Bußgeld von 80 Millionen Dollar geeinigt. Der Whistleblower, der für den Anstoß der Ermittlungen sorgte, bekam 22 Millionen Dollar. Eine große Summe, doch längst keine Seltenheit.

Durch das Gesetz hat die Börsenaufsicht SEC Belohnungen in Höhe von mehr als 100 Millionen Dollar ausgeschüttet. Daneben belohnt auch die Steuerbehörde (IRS) ihre Informanten. Zwischen 15 und 30 Prozent bekommt ein Hinweisgeber, wenn sein Tipp entscheidend für eine spätere Verurteilung ist. Weil die Belohnungen nur gezahlt werden, wenn auch ein Bußgeld verhängt wird, finanziert sich das System von selbst. Im Steuerjahr 2015 etwa erhielten 99 IRS-Informanten eine Gesamtsumme von rund 103 Millionen Dollar. Die Mehreinnahmen des Staats beliefen sich auf 500 Millionen Dollar.

Während die Behörden in den USA ihre Hinweisgeber also belohnen, gehen die Whistleblower in Deutschland leer aus. Hauptgrund dafür sei das deutsche Unternehmensstrafrecht, erklärt Marta Böning, Expertin für den Schutz von Whistleblowern beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Anders als in den USA werden in Deutschland selten hohe Bußgelder verhängt. Whistleblower daran zu beteiligen, sei daher unsinnig, sagt sie. Die deutschen Parteien beurteilen das ähnlich. Sogar Thomas Kutschaty, NRW-Justizminister und bekannt dafür, mit dem Geld der Behörden Steuer-CDS zu kaufen, sagt: "Belohnungen sehe ich zurzeit nicht als sinnvolles Konzept." Über einen Schutz für Whistleblower müsse man aber nachdenken.

In den USA ist man schon weiter. Dort sind Whistleblower rechtlich geschützt. Spielen sie den Behörden Informationen zu, können sie meist anonym bleiben und ihren Job weiter ausüben. Vor Strafverfolgung schützt das Gesetz aber nicht: Ist der Whistleblower in die Affäre verwickelt, die er aufdeckt, kann er angeklagt werden.

Optimal sind diese Bedingungen nicht, doch weitaus besser als in weiten Teilen der EU. Lediglich in Großbritannien, Luxemburg, Rumänien und Slowenien gibt es ausreichend rechtlichen Schutz, heißt es in einem Bericht von Transparency International. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht die aktuelle Gesetzeslage kritisch. Deutschland unterstellte sie bereits 2012, dass Whistleblower hierzulande unzureichend geschützt würden. SPD und CDU haben deshalb im Koalitionsvertrag festgelegt, dass sie sich dem Thema annehmen. Passiert ist seitdem nichts.

Marta Böning vom Deutschen Gewerkschaftsbund urteilt: "Es gibt einfach keinen Regelungswillen, obwohl es internationalen Standards gibt, die die EU und Deutschland längst hätten umsetzen müssen." Genug Vorlagen gebe es. "Man muss sie nur einbringen wollen". Doch die Union blockiert den Prozess bisher. Aus Kreisen der Fraktion heißt es lediglich, man sei bei diesem Thema "zurückhaltend". Das ärgert die SPD. Der rechtspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Johannes Fechner, sagt: "Wir wollten in dieser Legislaturperiode eine klare Regelung durchsetzen, doch wir sind an der Blockade der CDU gescheitert." Lenke die CDU nicht ein, werde es in dieser Legislaturperiode kein Gesetz geben. Der Schutz für Whistleblower in Deutschland bleibe damit weiterhin unzureichend.

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