Deutscher Mittelstand:Was macht eigentlich.... Heinrich Gropper?

Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Aber womit verdienen die Familienunternehmer eigentlich ihr Geld? Wir stellen einige von ihnen vor. Diesmal: ein Gespräch mit Heinrich Gropper, Chef der familiengeführten Molkerei, über den Preisdruck im Einzelhandel, EU-Subventionen - und Zucker.

Von Elisabeth Dostert

SZ: Was machen Sie eigentlich?

Heinrich Gropper: Milchfrischprodukte, vor allem für deutsche Händler in Form von Private Label.

Das heißt, auf Joghurt, Milch und Käse steht gar nicht Ihr Name, sondern die von den Händlern erfundenen Namen. Was steht denn auf den Packungen drauf, in denen Gropper drinsteckt?

Zum Beispiel Milbona, Milfina, King Frais, Desira. 95 Prozent unserer Erlöse machen wie mit solchen Handelsmarken. Aber an der Betriebsnummer BY77723 kann jeder Verbraucher erkennen, was von uns kommt.

Wen genau beliefern Sie?

Händler wie Lidl, Aldi, Edeka, Rewe, Netto, Tengelmann, eigentlich fast alle.

Wie hoch ist der Anteil der Discounter?

Wir machen gut 80 Prozent der Erlöse mit sechs Händlern. Da spiegelt sich auch ein Stück weit die Struktur des deutschen Lebensmittelhandels wider. Die größten Abnehmer sind sicher Lidl und Aldi.

2012 haben sich Aldi Süd und Oetker monatelang vor Gericht um einen Pudding gestritten. Oetker war der Meinung, dass der Pudding Flecki Geschmacksmuster und Herstellungsverfahren seines Produktes Paula kopiert. Warum hat Oetker nicht Sie, den Hersteller des Produkts, verklagt, sondern Aldi Süd?

Ich bin kein Jurist. Ich nehme an, weil Aldi Süd der Inverkehrbringer der Marke Flecki ist. Aber das Risiko lag bei mir. Wenn Aldi den Prozess verloren hätte, hätte uns der Schaden mit aller Wucht getroffen. Wir hätten die Anwälte zahlen müssen und der Umsatzausfall, weil wir Flecki nicht mehr herstellen hätten, dürfen wäre beträchtlich gewesen. Aber wir haben gewonnen.

Haben Sie in dieser Zeit noch gut geschlafen?

Grundsätzlich ja, technikseitig waren wir uns sehr sicher, dass wir gewinnen. Geschmacksmusterrechtlich blieb natürlich ein Fragezeichen.

Wie viel Druck machen Ihnen die Discounter oder ist das nur ein Märchen, dass die ihre Lieferanten ausquetschen?

Natürlich gibt es Druck. Wir haben es mit gesättigten Märkten zu tun. Ich möchte den Handel nicht in Schutz nehmen, es gibt Verhaltensweisen die grenzwertig sind. Die können einem an die Nieren gehen. Wir haben einige Produkte, die zu katastrophalen Deckungsbeiträgen produziert werden und gerade einmal die variablen Kosten decken. Fünf Händler machen 80 Prozent des Marktes, da ist schon eine unheimliche Nachfragemacht. Aber es wäre zu einfach, den Schwarzen Peter nur dem Handel zuzuschieben. So ist es nicht.

Sondern?

70 Prozent unserer Kalkulation entfallen auf den Rohstoff Milch. In den vergangenen Jahren habe ich Preisschwankungen zwischen 25 und 41 Cent pro Liter Milch erlebt. Das sind 16 Cent. Wir verarbeiten jährlich 250 Millionen Kilogramm Milch, wir reden von 40 Millionen Euro Kosten mehr oder weniger. Die Preise für Milch sind sehr volatil, weil wir auf einem globalen Markt unterwegs sind. Das sind gewaltige Rohstoffmengen. Ein Konflikt wie auf der Krim kann sich ganz schnell auswirken.

Die Firma

Molkerei Gropper GmbH & Co. KG

  • Sitz: Bissingen
  • Gegründet: 1929 durch Heinrich Gropper, Großvater des heutigen Eigentümers in Berg bei Donauwörth
  • Umsatz: 360 Millionen Euro (2013)
  • Beschäftigte: 560
  • Branche: Molkerei

Wie denn?

Wenn es morgen Sanktionen gibt, dass die Russen von den Deutschen keinen Käse mehr kaufen dürfen oder der Rubel so fällt, dass die Russen keinen Käse mehr kaufen können, dann haben wir gewaltige Rohstoffmengen zu viel. Der Rohstoff Milch lässt sich nicht von einem Tag auf den anderen abbestellen, die Kühe müssen weiter gemolken werden.

Wie reagieren Sie in solchen Fällen?

Es geht dann nur noch um Schadensbegrenzung, das heißt, es gilt Preisabsenkungen möglichst im Rahmen zu halten.

Was können Sie konkret tun?

Wir als Gropper können nur auf unsere Position als Veredler hinweisen und versuchen das Preispendel möglichst in der Mitte zu halten. Die Branche kann die Überschussmilch an Spotmärkten verkaufen oder als Butter oder Sprühmagermilchpulver in die EU-Intervention geben ....

...heißt der Staat kauft den Molkereien die Produkte zum festen Preis ab...

Ja, jedoch sinkt dieser Preis im Zweifelsfall erheblich. Deshalb kostet ein Stück Butter mal 69 Cent und mal 1,29 Euro. Das kapiert kein Verbraucher. Der sieht nur, dass Aldi die Preise senkt. Derzeit sind die Milchpreise hoch, weil die Exportmärkte wie Russland und China gut laufen.

Bedienen Sie die auch?

Nein. Unser Exportanteil liegt bei circa 30 Prozent. Wie beliefern alle EU-Länder.

Was ist ein fairer Preis?

Sie sprachen von grenzwertigen Verhaltensweisen im Handel, was ist grenzwertig?

Die Frage ist schwierig zu beantworten. Was, zum Beispiel, ist ein fairer Preis?

Sagen Sie es?

Wenn der Preis für eine Ware nicht einmal mehr die laufenden Kosten für die Produktion, also Strom, Wasser und so weiter deckt, dann wird es allmählich unfair. Das darf man dann auch nicht mehr tun. Dann sage ich auch mal Nein.

Wer ist schuld?

Der Handel hat den deutschen Verbraucher zu vielen Eckpreisen erzogen für Massenprodukte wie Joghurt, Milch, Zucker, Mehl. Die hat der Verbraucher im Kopf und die gibt der Handel so schnell nicht auf, auch wenn er eigentlich höhere Preise fordern müsste. Deshalb geht der Handel bei manchen Produkten auf Null-Spanne und kompensiert das dann an anderer Stelle.

Einer dieser Stellen sind doch Lieferanten wie Sie?

Ja, da wird rausgeholt, was geht.

Müssen Sie oft Nein sagen?

Nicht oft, aber immer wieder. Das habe ich auch erst lernen müssen. Ich habe nicht mehr so viel Angst, Nein zu sagen, wie vor 15 Jahren. Ich kann nicht von heute auf morgen mein Geschäftsmodell ändern, ich muss die Kapazitäten auslasten. Ich muss Geld verdienen. Ich trage Verantwortung für den Betrieb, die Mitarbeiter und die Bauern.

Wie ist der Eckpreis für einen Becher Bio-Joghurt natur?

Den können sie heute, egal ob bei Aldi oder Edeka, 150 Gramm für 29 Cent bekommen.

Verdienen Sie da noch etwas dran?

Da wird es grenzwertig.

Wie viel verdient der Bauer noch dran?

Momentan so viel wie noch nie, weil der Preis für Bio-Milch bei etwa 50 Cent je Liter liegt. Auch die Preise für konventionelle Milch sind auf einem Allzeithoch.

Wie muss ich mir die Verhandlungen mit den Händlern vorstellen? Da sitzt der Einkäufer und nimmt den billigsten?

Auch im Discount gibt es eine gewisse Lieferantentreue. Aber solche Konzerne sind revisionsgesteuert. Wenn der Wettbewerber bei gleicher Qualität den Joghurt einen Cent billiger macht, kriegt er den Zuschlag. Der Verbraucher schmeckt nicht, dass der Lieferant gewechselt hat.

Sie denn?

Teilweise nicht. Einige unserer Produkte würde ich schon rausschmecken. Wir trainieren das, wir verkosten jeden Morgen die Produkte, die am Vortag produziert wurden. Aber es stimmt, in der Handelsmarke sind die Produkte ein Stück austauschbar.

Müssen Sie den Discountern eigentlich immer neue Ideen andienen oder haben die auch selbst welche?

Das passiert schon auch, aber von uns kommen schon mehr Innovationen. Die Massenprodukte werden einmal jährlich ausgeschrieben und da gibt es klare Standards. Da entscheidet der Preis. Wir beteiligen uns auch an Ausschreibungen, aber allein davon könnten wir nicht existieren. Die Veredlung bringt mehr.

Machen Sie Gewinn?

Ja.

Bekommen Sie noch immer so viele EU-Ausgleichszahlungen? Im Zeitraum von 1996 bis 2008 steckte Gropper gut vier Millionen Euro ein, so viel wie kein anderes Unternehmen in Bayern?

Nein, leider nicht. Da habe ich keine Sekunde ein schlechtes Gewissen. Dem gegenüber stand außerdem ein Investitionsvolumen von etwa 150 Millionen Euro. Die hohen Investitionszuschüsse für Ostdeutschland haben zum Teil die Märkte verzerrt. Meine persönliche Meinung ist, Subventionen gehören komplett abgeschafft. Überall.

Dann gäbe es auch keine Zahlungen aus dem EU-Agrarhaushalt?

Dann regelt es der Markt.

Sind Sie denn wie viele zu den von der EEG-Umlage befreiten Molkereien?

Nein, aber ich könnte Ihnen einige nennen, die befreit sind. Das sind alles Papiertiger. Auch da bin ich der Meinung, entweder es zahlen alle die Umlage oder keiner. Das ist wie im Steuersystem mit seinen tausend Ausnahmeregeln. Da gibt es immer findige Leute, die das Schlupfloch finden.

Gibt es Wettbewerber, die Sie bewundern?

Oetker. Dadurch das Oetker nur Marke macht und keine Handelsmarke, sind sie vom Handel unabhängiger. Ich bewundere auch die unternehmerische Leistung von Theo Müller, wie er es in einer Generation geschafft hat, so einen Konzern aufzubauen.

Den Menschen Müller bewundern Sie nicht?

Mein Anspruch ist ganzheitlicher.

Was meinen Sie damit, Sie mögen Unternehmer, die Ihre Steuern in Deutschland zahlen?

Nein. Hinter jedem Unternehmen steckt ein Mensch, das ist das eine, das andere ist das wie. Ich bewundere den Spürsinn von Theo Müller. Er hat ganz viele Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen. Ich habe Respekt vor seinem Lebenswerk.

Ist das "wie" der Grund, wieso der eine in einer Generation einen Milliarden-Konzern geformt hat und der andere es "nur" auf ein paar Hundert Millionen Euro gebracht hat?

Ich bin zufrieden. Ich habe keine Umsatzziele. Ich war mit 50 Millionen genauso glücklich wie heute mit 360. Ich habe Spaß an der Arbeit. Ich möchte mich entwickeln und die Firma soll sich entwickeln. Natürlich könnte ich das ganze System Discount und Handelsmarke hinterfragen, aber ein Geschäftsmodell ist nicht mal eben so umgestellt.

Sie könnten es so machen wie Karl Ludwig Schweisfurth, der seine Massenwurstfabrik Herta verkauft hat, um Ökobauer zu werden?

Könnte ich! Dann könnten wir uns morgen treffen und ich würde Ihnen von meinem Schwein Ilse erzählen und vom Mini-Kosmos Bissingen. Links und rechts rauscht die Welt an uns vorbei. Ich rede ungern über Nachhaltigkeit, weil das Wort so ausgelutscht ist, aber Mittelstand ist Nachhaltigkeit.

Viele Menschen verbinden Discount mit Massenware und nicht mit Nachhaltigkeit!

Das sehe ich anders. Auch bei den Lieferanten von Discountern gibt es solche und solche. Nichts ist nur schwarz oder weiß. Wie viele Mittelständler werden durch Aldi und Lidl ausgelastet, produzieren in Deutschland, verarbeiten Rohstoffe aus Deutschland. Was heißt denn Nachhaltigkeit?

Wie ist denn Ihre Definition?

Nachhaltigkeit ist die sinnhafte Verbindung von Ökologie und Ökonomie. Ich möchte hier morgens mit einem reinen Gewissen rein gehen und abends wieder rausgehen. Mir sind die Menschen wichtig. Am Ende bringen Menschen nur Leistung, wenn sie sich wohl fühlen.

Wenn Ihnen ein neues Produkt nicht schmeckt, hat das jemals eine Chance produziert zu werden?

Inzwischen schon. Ich bin nicht das Maß aller Dinge. Am Ende entscheidet das ein sehr kleiner Kreis. Es gibt schon Produkte, die will man selber nicht, und dann verkauft man sie auch nicht.

Zum Beispiel?

Vor zwei Jahren haben wir einen amerikanischen Milchshake ausprobiert, der war total überaromatisiert und pappsüß. Ich mochte den nicht und dann verkaufe ich so ein Produkt auch nicht. Aber am Ende entscheidet der Kunde.

Fragen Sie Ihre Familie?

Ja. Das Wort Zucker ist für meine Frau ein rotes Tuch. Bei uns zuhause gibt es deshalb viel Naturjoghurt. Meine Frau sieht es auch nicht gern, wenn ich morgens ein Nutella-Brot esse. Kinder lieben nun mal Zucker. Da sind wir, die Industrie, auch mit dran schuld. Wir haben die Verbraucher schon zu Zuckermengen konditioniert, die höher sind als sie sein müssten. Aber es isst ja niemand zehn Puddings auf einen Schlag.

Heinrich Groppper, 48 (2014), Molkerei Gropper

Heinrich Gropper, 48, repräsentiert die dritte Generation der Unternehmerfamilie und heißt so wie sein Vater und Großvater.

Klassentreffen Mittelstand - der Kongress für Weltmarktführer, Familienunternehmer und Gründer

Der deutsche Mittelstand ist die Stärke der deutschen Wirtschaft. Seinen Werten, Strategien, Erfolgen und Sorgen widmet sich das 1. Klassentreffen Mittelstand der Süddeutschen Zeitung am 3. und 4. Juni 2014 in Bielefeld.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: