Deutscher Mittelstand:Was macht eigentlich ... Axel Schramm?

Schramm Werkstaetten Winnweiler Axel Schramm

Viel mehr als eine Matratze. Bis zu 50 000 Euro kostet ein Bett aus den Schramm Werkstätten in Winnweiler.

(Foto: Schramm)

Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Aber womit verdienen die Familienunternehmer ihr Geld? Wir stellen einige von ihnen vor. Ein Gespräch mit Axel Schramm über Matratzen, die Möbelindustrie und das Geheimnis der Unterfederung.

Von Elisabeth Dostert

Was machen Sie eigentlich?

Wir bauen Matratzen, Unterfederungen und komplette Betten. Wir beschäftigen uns seit fast hundert Jahren intensiv mit dem Schlaf.

Was meinen Sie mit Unterfederung?

Das Pendant zum Lattenrost. Unser System besteht aus zwei Teilen, einer Untermatratze und einer Obermatratze. Beide beinhalten Polsterfedern und sind mit vielen Polstermaterialschichten versehen. Gegebenenfalls kommt dann noch eine Matratzenauflage dazu. Mein Großvater hat zur Unterfederung immer Kastenmatratze gesagt, da die Polsterfedern in einem Holzgestell stehen. Der neuere Begriff ist: Zwei-Matratzensystem. Das Boxspring-System ist nichts anderes als unser Zwei-Matratzen-System, auch wenn viele glauben, das sei ein neuer Hype, der aus den USA nach Europa schwappt. Dabei ist das nichts Neues. Wir haben nie etwas anderes gemacht. Wir nähen auch den Taschenfederkern immer noch von Hand. Das macht sonst keiner mehr.

Was bringt es denn, jede Feder einzeln in die Tasche einzunähen?

Die Matratze passt besser zum Körper. Das Körpergewicht ist ja nicht gleichmäßig verteilt. Rund 40 Prozent unseres Gesamtgewichts entfallen auf den Gesäßbereich, da muss die Federung kräftiger sein. Die Last beispielsweise im Schulterbereich ist geringer und die Schulter möchte in Seitenlage tiefer und weicher einsinken können. Bei durchschnittlichen Matratzen ist das nicht der Fall, deshalb stehen die meisten Menschen nicht so wirklich entspannt auf. In der Seitenlage spüren sie am stärksten ein schlechtes Bett, der oftmals zu hohe Druck auf Hüfte und Schulter raubt einem den guten Schlaf. Das tut richtig weh. Da hilft dann nur noch warm duschen.

Die Firma

Schramm Werkstätten GmbH

  • Sitz: Winnweiler
  • Gegründet 1923 von Karl Schramm
  • Umsatz: 28,6 Millionen Euro (2013)
  • Beschäftigte: 180
  • Gesellschafter: Familie Schramm
  • Geschäftsführer: Axel Schramm, 57, dritte Generation

Wie viele Taschen mit Federn stecken in einer Matratze für ein Einzelbett?

In einer ein Meter breiten Schramm-Matratze stecken etwa 500 Federn mit vier unterschiedlichen Federstärken.

Worin unterscheiden sich die Federn?

Im Durchmesser des Drahtes. Je dicker der Draht, desto höher die Gegenkraft. Durch die handwerkliche Fertigung erreichen wir einen fließenden Kraftverlauf.

Deutscher Mittelstand: Frauen sortieren Federn unterschiedlicher Stärke.

Frauen sortieren Federn unterschiedlicher Stärke.

(Foto: Schramm)

In vielen Betten schlafen zwei Menschen mit unterschiedlicher Größe und unterschiedlichem Gewicht. Für einen ist die Matratze doch dann immer falsch?

Das ist ein spontaner Gedanke, aber Gottlob falsch. Wir bauen fünf verschiedene Kraftrezepturen für unterschiedliche Körpergewichte und gleichzeitig sind 95 Prozent der Menschen nach einem ganz bestimmten Regelwerk gebaut. Die Oberkörper von zwei unterschiedlich großen Menschen sind fast gleich lang. Die Größenunterschiede stecken meistens in den Beinen. Deshalb können wir Matratzen serienmäßig fertigen, sonst müsste ja jeder Mensch eine individuell vermessene Matratze haben.

Woher stammen Ihre Schlaferkenntnisse?

Aus der Schlafforschung und der Schlafmedizin. Mein Vater hat sich ursprünglich auch einiges von der Textilindustrie abgeleitet, da sind die Proportionen des menschlichen Körpers ganz gut ermittelt.

Was ist so schlecht an Lattenrosten und Matratzen aus Schaumstoff oder Latex?

Ich behaupte nicht, dass der Lattenrost schlecht ist. Es hat aber Grenzen.

Das sagen Sie jetzt, weil Schramm keine Lattenroste bietet!

Nein. Ein Bett muss doch zwei Dinge erfüllen. Die Liegequalität muss stimmen, also die Ergonomie. Die Matratze muss sich dem Körper anpassen und ihn gleichzeitig unterstützen. Matratzen aus Schaumstoff und Latex passen sich nicht so gut dem Körper an, da muss dann der Lattenrost für die Anpassung sorgen. Die meisten funktionieren aber nur in der Mitte richtig, dort wo der Lattenrost am flexibelsten ist. Neuere Systeme können das etwas besser, aber es bleiben Grenzen.

Welche?

Das Bettklima. Daran denken viele Menschen gar nicht. Die Luftzirkulation muss hervorragend sein, weil wir im Schlaf einen halben bis dreiviertel Liter Wasser verlieren - nicht nur in die Matratze, sondern auch über den Atem in die Luft. Die Feuchtigkeit muss ja irgendwie wegtransportiert werden, also muss die Luftzirkulation stimmen. Die Federkernmatratze bildet ein riesiges Luftpolster. Wenn ich mich im Bett drehe und wende, wirkt sie wie ein Blasebalg und die Luft zirkuliert. Das funktioniert mit einer Vollschaum- oder Latexmatratze bei weitem nicht so gut. Und da, wo die Matratze auf dem Lattenrost liegt, findet gar keine Zirkulation statt. Ich habe schon viele aufgeweichte Lattenroste gesehen oder Schimmelflecken, dort wo die Matratze aufliegt. Ist rein physikalisch gesehen klar!

Wie klar?

Viele Menschen schlafen bei offenem Fenster. Das heißt, dass im Winter die kalte Luft nach unten sinkt. Im Bett herrscht sozusagen Körpertemperatur. Das heißt, dass sich an der Grenze zwischen kalter und warmer Luft Kondenswasser bildet.

Sterne sind kein Zeichen für die Qualität der Hotelbetten

Schlafen Sie immer gut?

Fast immer, das hängt ja nicht nur vom Bett ab.

Sondern?

Die geschäftlichen Dinge verfolgen mich manchmal bis in den Schlaf. Aber im Grunde wache ich fast nie nachts auf.

Reisen und Hotels müssen für Sie die Pest sein!

Das stimmt sogar zum Teil. Ich gehöre aber Gott sei Dank zu denen, die auch in einem schlechten Bett mal zwei Nächte schlafen können.

Heißt, wenn Sie reisen schauen Sie erst einmal in Ihre Kundendatei?

Ja. Leider lässt die Zahl der Sterne in den Hotels nicht auf die Qualität des Bettes oder der Matratzen schließen. Da gibt eine ziemliche Diskrepanz. Viele Hotels sparen am Bett. Dabei ist doch eigentlich ein Hotel nichts anderes als ein Bett mit Dach, Schlafen ist eine der Grundfunktionen, die ein Hotel erfüllen muss. Und das Bad. Aber zunächst will ich doch mal gut schlafen.

Ein Beispiel. Das Adlon in Berlin hat fünf Sterne. Wie finden Sie die Betten?

Mhm. Ich weiß, was sie gekostet haben. Ich werde es Ihnen aber nicht sagen. Unsere Betten sind dort nicht. Für die Sterneklassifizierung ist die Bettqualität nicht relevant. Das Hotel-Geschäft ist hart. Es gibt Pensionen, die haben bessere Betten als ein Luxushotel, weil sie inhabergeführt sind und ihren Gästen etwas Besseres bieten wollen.

Nehmen Sie auf Reisen Ihr Reisebett mit?

Wenn ich mit dem Auto fahre schon. Im Flugzeug geht das nicht. Ich fliege nämlich Economy und da darf ich kein zweites Gepäckstück mitnehmen.

Verdient Schramm so schlecht, dass Sie Economy fliegen müssen?

Man muss als Geschäftsführer und Eigentümer nicht automatisch Business fliegen. Wir sind zwar ein feines aber kleines Handwerks-Unternehmen. Außerdem Pfälzer und bodenständig. Economy reicht völlig, auch bei Fernreisen.

Schlafen Sie schlechter, seit Sie Präsident des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie sind?

Ich schlafe kürzer, weil ich mehr zu tun habe, aber nicht schlechter.

Wollte es außer Ihnen niemand machen?

Das glaube ich nicht. Ich wurde gefragt, habe um Bedenkzeit gebeten und ein paar Nächte darüber geschlafen. Ich wollte auch meine Familie einbinden. Das Amt kostet Zeit. Aber, das hat sich in der kurzen Zeit seit Anfang Juni schon gezeigt, es ist eine spanndende Aufgabe. Ich lerne interessante Menschen kennen und die Branche in ihrer ganzen Vielfalt.

Andere Verbandspräsidenten machen einen Antrittsbesuch bei der Bundeskanzlerin. Haben Sie schon einen Termin oder empfängt sie Vertreter kleinerer Verbände nicht?

Unterschätzen Sie mal unsere Bundeskanzlerin nicht.

Schläft die Kanzlerin in einem Schramm-Bett?

Solche Fragen beantworte ich nicht. Wir haben es mit einem sensiblen Produkt zu tun. Die Schlafzimmertüren sind zwar nicht mehr so verschlossen, wie vor 20 oder 30 Jahren, aber das Bett ist unverändert ein sensibles Thema. Das ist ein Tabu. Sehr bekannte Menschen, sowohl aus der Politik als auch aus dem Sport als auch aus der Wirtschaft, schlafen auf Schramm. Aber wie gesagt, die Nennung von Namen ist für uns ein Tabu

Der Möbelindustrie geht es nicht besonders gut! Eine Vielzahl von Herstellern steht einer Übermacht von wenigen großen Händlern gegenüber. Spüren Sie diesen Druck?

Als Schramm spüren wir ihn nicht, weil wir uns unsere Händler im Rahmen eines selektiven Vertriebes aussuchen. Für hochpreisige Möbel gibt es noch eine Reihe individueller inhabergeführte Einrichtungshäuser.

Große Händler wie Segmüller oder XXX Lutz beliefern Sie gar nicht?

Nein. In Großflächenhäusern mangelt es mitunter an der Einstellung, sich mit arbeitsintensiven, individuellen Produkten zu beschäftigen. Unsere Betten und Matratzen sind sehr beratungsintensiv, da braucht es gut geschulte Mitarbeiter. Wenn der Händler eine bestimmte Umsatzschwelle überschreitet, ist fest zu stellen, dass Sortimente oftmals standardisierter werden.

Aber diese Einrichtungshäuser, die sie beliefern, sterben doch langfristig aus, eben weil es ein paar übermächtige Händler gibt?

Natürlich schrumpft die Zahl der Händler. Aber das ist ja gerade die Herausforderung vor der wir und andere Hersteller stehen: Händler für anspruchsvolles Einrichten zu finden. Es gibt immer wieder Quereinsteiger, die ein Einrichtungshaus eröffnen und frischen Elan in die Branche bringen.

Warum machen Sie keine eigenen Läden auf?

Mit dem Gedanken beschäftigen wir uns durchaus, weil wir nicht wissen, wo der Handel in zehn Jahren stehen wird.

Kann man Matratzen nicht online verkaufen?

Nicht in unserer Preislage. Wir müssen erklären, warum wir so viel Wert auf Handarbeit legen, weshalb wir welche Materialien wählen und dass acht Stunden Schlaf darüber entscheiden, wie fit ich in den nächsten 16 Stunden bin. Ein Bett muss man fühlen. Schlafen hat immer etwas mit Gefühl zu tun.

Wie viel gibt der Deutsche im Schnitt für eine Matratze aus?

Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich im Schnitt zwischen 400 und 600 Euro. Es gibt aber ja sogar schon Matratzen ab 100 Euro oder noch weniger.

Wie viel kostet Ihr preiswertestes Modell?

Knapp 1200 Euro. Mir ist schon klar, dass wir mit unserer Preislage nicht den gesamten Markt abdecken können. Das wollen wir auch gar nicht. Wir sehen unseren potenziellen Marktanteil in Deutschland bei fünf bis sieben Prozent.

Und das teuerste Bett?

Rund 50 000 Euro.

Wer kauft so was?

Nicht viele, aber weltweit einige.

Sind die Deutschen besonders stark auf billige Betten und Matratzen aus?

Das hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. In den 70er und 80er Jahren war das Bett völlig unbedeutend. Das stand hinter der Schlafzimmertür und nicht wie das Auto vorm Haus. Deshalb taugte das Bett nicht als Prestigeobjekt. Seit drei, vier Jahren machen sich die Deutschen mehr Gedanken um das Bett. Dazu hat auch der Hype um das Boxspring-System beigetragen.

Wer hat den Hype ausgelöst?

Die Kunden selbst, die bei Reisen in die USA das Boxspring-System kennengelernt haben.

Warum gelingt es deutschen Herstellern nicht selbst, so einen Hype auszulösen? Sie behaupten doch, dass Schramm nie etwas anderes gemacht hat als Boxspring-Betten!

Mein Vater hat in den 70er Jahren entschieden, am Zwei-Matratzen-System festzuhalten und nicht auf Lattenroste, Schaumstoff- und Latexmatratzen umzuschwenken. Das war eine sehr grundsätzliche Entscheidung aus handwerklich funktionalen Erwägungen. Mein Vater hielt unser System für das Überlegenere.

Aber er konnte die Kunden nicht davon überzeugen?

Er hat kämpfen müssen. Es gab Zeiten, da waren wir nicht so erfolgreich wie heute. Aber der heutige Erfolg gründet auf der damaligen Entscheidung meines Vaters. Schramm wächst.

Aber die Umsätze der Industrie sinken!

Das stimmt. 2013 sind die Erlöse der Möbelindustrie um vier Prozent gesunken. Wir müssen mehr tun, müssen die Qualitätsführerschaft der deutschen Möbelindustrie ausbauen und im Designbereich wie auch im Bereich der Internationalisierung noch mehr tun.

Sie kämpfen doch gegen Windmühlen! Das Ungleichgewicht zwischen Industrie und Handel ist doch gewaltig!

Wir müssen miteinander reden und uns bewusst werden, dass der eine den anderen braucht.

Der größte Möbelhändler, Ikea, braucht Sie, die deutsche Möbelindustrie, überhaupt nicht, und den anderen großen Händlern sind namenlose Lieferanten am liebsten, weil die austauschbar sind!

Schramm Werkstaetten Winnweiler Axel Schramm

Axel Schramm, 57, führt das mittelständische Unternehmen in der dritten Generation. Im Mai wurde er zum Präsidenten des Verbandes der deutschen Möbelindustrie gewählt.

(Foto: Schramm)

Das stimmt nicht. Es gibt heimische Möbelunternehmen, die nennenswert für Ikea fertigen. Sie müssen bedenken, dass wir uns in einem globalen Markt bewegen. Es wird immer irgendjemand auf der Welt geben, der etwas billiger produziert. Etwas noch billiger zu machen heißt aber auch, dass Schwellen unterschritten werden, unterhalb derer Begriffe wie Qualität, Nachhaltigkeit und Verantwortung schlichtweg Makulatur sind. Das müssen wir den Möbelkäufern stärker bewusst machen. Auch bei Möbeln fragen immer mehr Kunden nach, wo sie herkommen. Vielleicht noch nicht so häufig wie bei Lebensmitteln oder Textilien, aber das Interesse steigt.

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