Deutscher Mittelstand:Was macht eigentlich ... Alfred Weber?

Mann + Hummel; Alfred Walter; Filter; Klassemittelstand; Mittelstand

Mann + Hummel; Alfred Walter; Filter; Klassemittelstand; Mittelstand Mann + Hummel; Alfred Walter; Filter

(Foto: OH)

Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Aber womit verdienen die Familienunternehmer eigentlich ihr Geld? Wir stellen einige von ihnen vor. Diesmal: ein Gespräch mit Alfred Weber, Chef des Filter-Spezialisten Mann + Hummel, den Wettbewerbsdruck in der Autoindustrie - und Investitionen in Russland.

Von Elisabeth Dostert

SZ: Herr Weber, was machen Sie eigentlich?

Alfred Weber: Wir stellen Filtersysteme für die Autoindustrie und den Maschinenbau her, also nicht nur den Filter, der das Gas oder die Flüssigkeit reinigt, sondern auch die Leitungen, das Gehäuse und das ganze Drumherum.

Wo genau stecken die Filter beispielsweise im Auto?

Sehen können Sie es nicht, aber sie spüren es zum Beispiel. Ein Mensch, der unter Heuschnupfen leidet, ist anders als auf einer Wiese im Auto relativ gut geschützt, weil ein Innenraumfilter die Allergene aus der Luft herausfiltert.

Wie viele Filter stecken in einem Auto?

In der Regel einer für den Kraftstoff, das Öl, die Luft und ein Innenraumfilter.

In wie vielen von zehn Autos steckt ein Filter von Mann + Hummel?

Ich würde behaupten, in jedem steckt mindestens einer von uns. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Hersteller alle vier Filter gleichzeitig liefert.

Egal ob Kleinwagen oder Luxuskarosse?

Egal. Wir beliefern so gut wie alle Marken.

Steckt in einem 7er BMW der gleiche Ölfilter wie in einem Lancia Stratos?

Nein, weil auch nicht der gleiche Motor drin steckt. Und von dem hängt ab, welcher Filter verbaut wird. Wir liefern die Qualität, die der Hersteller für die Erstausstattung des Fahrzeugs verlangt. Die Spezifikation bestimmt der Fahrzeughersteller, nicht wir.

Was ist denn die größte Kunst bei der Herstellung eines Filters?

Die geforderte Leistung zu erfüllen, also die nicht gewünschten Stoffe zurückzuhalten und zwar nicht nur einmal, sondern für einen längeren Zeitraum. Das Material, das im Filter verbaut ist, muss erkennen, welche Partikel durch dürfen und welche nicht. Ein Filter besteht ja nicht nur aus einer Schicht, sondern aus verschieden Schichten mit unterschiedlichen Strukturen und Durchlässigkeiten. Wir können zum Beispiel im Dieselkraftstoff Wasser ausfiltern.

Die Firma

Mann + Hummel GmbH

  • Sitz: Ludwigsburg
  • Gegründet 1941 von Adolf Mann und Erich Hummel
  • Mitarbeiter: 15 200
  • Umsatz (2013): 2,68 Milliarden Euro

Woraus besteht ein Filter?

Aus Kunststoff- oder Papierfasern, die in einer bestimmten Art und Weise angeordnet sind.

Kann ich mir das vorstellen wie ein textiles Gewebe?

Sehr vereinfacht schon.

Haben deshalb die Firmengründer Mann und Hummel Anfang der 40er Jahre die Firma mit entlassenen Mitarbeitern des Strickwarenherstellers Bleyle aufgebaut?

Ja, es gab zumindest Synergien, was das Know-how anbetrifft. Damals hat man Filter zum Beispiel aus Filz hergestellt. Aus einem ähnlichen Material wurden damals auch Damenhüte hergestellt.

Gibt es heute noch Parallelen?

Im Grundsatz schon. Eine Funktionsjacke für den Wintersport ist zum Beispiel auch aus mehreren Schichten aufgebaut, die Luft und Wasser durchlassen oder eben nicht.

Wie viele Filter produzieren Sie?

Weltweit 16 pro Sekunde.

Wer ist Ihr größter Abnehmer?

Etwa 45 Prozent unserer Erlöse machen wir mit den Herstellern von Pkw und Lkw, ein Drittel mit Ketten wie ATU oder Stahlgruber und 15 Prozent mit anderen Industriezweigen. Wir liefern zum Beispiel auch die Luftfiltersysteme für Operationssäle in Krankenhäusern.

Soll es bei dieser Relation bleiben?

Nein. Das kürzeste Standbein könnte schon noch etwas länger werden.

Wie lang?

Jenseits von 25 Prozent.

Warum? Weil der Druck in der Autoindustrie so groß ist?

Um unser Risiko zu streuen. Der Wettbewerbsdruck ist überall groß.

Bereitet Ihnen die große Abhängigkeit von der Automobilindustrie kein Kopfzerbrechen?

Da wir alle Hersteller beliefern, ist die relative Abhängigkeit von einem überschaubar. Aber wenn die Autoindustrie leidet, leiden wir natürlich auch. Auf der anderen Seite ist die Autoindustrie weltweit für die einzelnen Volkswirtschaften auch ein riesiger Innovations- und Wachstumsmotor. Wenn die wächst, wachsen wir auch.

"Irgendwo auf der Welt geht es immer auf und ab"

Aber wenn es den Herstellern schlecht geht, sparen die nicht zuerst bei den Zulieferern?

Das ist nicht nur in Krisen so, das ist unser tägliches Brot. Es gibt in unserem Geschäft einen extremen Wettbewerb. Aber in der Chemie- oder Lebensmittelindustrie geht es vermutlich auch nicht viel anders zu.

Wie lange arbeiten Sie schon in der Automobilindustrie?

Etwa drei Jahrzehnte und seit etwas mehr als vier Jahren für Mann + Hummel.

Ist der Druck im Laufe der Jahrzehnte gewachsen?

In den vergangenen Jahren hat der Druck im Vergleich zu früher zugenommen, nicht nur der Kostendruck, sondern auch der in den Bereichen Qualität und Innovationen. Noch vor einigen Jahren tolerierten die Hersteller eine Fehlerquote von 500 Parts per Million (ppm). Von einer Million gelieferten Teilen durften also 500 Mängel aufweisen. Mittlerweile liegt die Zielgröße bei 20 ppm und kleiner.

Macht ein Hersteller wie BMW weniger Druck als ein Massenlieferant wie Fiat?

Nein, am Ende werben alle um den gleichen Kunden.

Wie viele Anbieter von Filtern gibt es?

Es gibt einige, die wie wir weltweit arbeiten und Filter für viele Anwendungen bieten. Allein in China gibt es mehr als hundert Hersteller, die ähnliche Produkte wie wir liefern.

Können Sie überhaupt mit einem chinesischen Anbieter mithalten?

Wir geben uns mal der Hoffnung hin, dass billige Löhne zur Herstellung von Produkten nicht immer die einzige Rettung sind. Wir können Produkte schon so herstellen, wie sie sonst keiner herstellen kann. Wir sind auch in China erfolgreich.

Sind Sie denn in Ihrer Standortentscheidung wirklich frei? Wenn VW oder BMW oder Fiat ein Werk in China bauen, da müssen Sie doch mit, weil die das einfordern - oder Sie sind weg vom Fenster.

Ich könnte jetzt nach Goethe sagen, halb zog sie ihn, halb sank er hin... Unabhängig davon, ob es eine Aufforderung gibt oder nicht, ist das unsere unternehmerische Entscheidung, die Chance zu nutzen, dort mit dabei zu sein, wo die Industrie sich ansiedelt.

Aber es gibt diese Aufforderungen?

Ja, aber es ist unsere Entscheidung, ihr zu folgen oder nicht. Wir eröffnen keinen Standort, weil ein einzelner Kunde das wünscht. Aber wenn es irgendwo ein Cluster gibt wie in Shanghai oder Changchun, wollen wir auch vor Ort sein.

Was fürchten Sie am meisten?

Dass wir unseren Mitarbeitern und ihren Familien keine positive Zukunft bieten können.

Mussten Sie schon einmal Stellen streichen?

Wir sind permanent in der Situation, dass es irgendwo auf der Welt auf und ab geht, und wir uns in einzelnen Werken von Mitarbeitern trennen müssen. Nichtsdestotrotz ist die Mitarbeiterzahl in den vergangenen Jahren per Saldo gewachsen.

Solchen Summenspiele mögen Manager gerne. Ein Mitarbeiter, den Sie in Deutschland entlassen, hat wenig davon, wenn Sie dafür fünf in China einstellen!

Das Summenspiel, wie Sie es nennen, ist aber auch nicht so einfach: Arbeitsplätze in Hochlohnländern gegen Arbeitsplätze in Niedriglohnländern, Deutschland gegen China, Westeuropa gegen Osteuropa. Zum Beispiel Argentinien. Die politische Lage hat sich dort zu unseren Ungunsten entwickelt. Was wir einführen dürfen und was nicht, ist stark reglementiert. Das hat Auswirkungen auf unseren Standort, das kann dann auch zu Stellenstreichungen führen. So eine Situation kann jeden Standort treffen. Wir sind auch in Thailand, wo sich die Lage wieder beruhigt hat. Aber zeitweise war es dort ziemlich schwierig. Es gibt Gründe weit jenseits des Lohnfaktors, die zu einem Stellenabbau führen können.

Produzieren Sie auch in Russland und der Ukraine?

In der Ukraine nicht. In Russland haben wir eine kleine Fertigung, die wir gerne ausbauen würden.

Immer noch?

Eigentlich schon.

Was heißt eigentlich?

Es ist doch nicht abzusehen, wie es in Russland weitergeht.

Eben. Müssen Sie dann nicht auch Ihre Investitionsentscheidungen überdenken? Russland offenbart sich doch heute als ein anderes Land, als es vor fünf Jahren noch den Eindruck erweckte.

Ja. Deshalb halten wir zwar an unserem Plan fest, aber wir werden ihn erst einmal nicht mit der Geschwindigkeit verfolgen, die wir ursprünglich im Sinn hatten. Wir hoffen auf eine schnelle Entspannung der Lage.

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Klassentreffen Mittelstand - der Kongress für Weltmarktführer, Familienunternehmer und Gründer

Der deutsche Mittelstand ist die Stärke der deutschen Wirtschaft. Seinen Werten, Strategien, Erfolgen und Sorgen widmet sich das 1. Klassentreffen Mittelstand der Süddeutschen Zeitung am 3. und 4. Juni 2014 in Bielefeld.

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