Deutscher Mittelstand:Was machen eigentlich ... Stefan Kömpel und Nik Tarasov?

Mollenhauer

Fräsen einer Blockflöte

(Foto: oh)

Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Aber womit verdienen die Familienunternehmer eigentlich ihr Geld? Wir stellen einige von ihnen vor. Ein Gespräch mit Stefan Kömpel und Nik Tarasov über Blockflöten.

Von Elisabeth Dostert, Fulda

Was machen Sie eigentlich?

Nik Tarasov: Wir bauen Blockflöten.

Mehr nicht?

Tarasov: Wir sind die Anlaufstelle für Belange rund um die Blockflöten und geben auch die Zeitschrift "Der Windkanal" heraus. Wir bemühen uns 600 Jahre Geschichte zu vermitteln. Wir stellen auch Kopien nach alten Vorlagen her. Sie denken vielleicht beim Stichwort Blockflöte an die Schulflöte, aber wir denken zuerst einmal an die normalen Instrumente.

Ist die Schulflöte keine normale Blockflöte?

Tarasov: Doch schon, aber sie stellt eben nur ein Genre dar, das erst in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden ist. Früher war die Blockflöte ein ganz normales Instrument wie jedes andere auch.

Wieso kam es zum Genre Schulflöte?

Tarasov: In den 30er Jahren entstand die Volksjugendbewegung, die für das einfache Leben und die Natur schwärmte. Und die Blockflöte in einer einfachen Bauweise war ihr Instrument. Die konnte sich jeder leisten und sie war einfach zu transportieren. Sie wurde zum Instrument für die breite Masse. Das ist sie so gesehen immer noch, ein preiswertes Einstiegsinstrument.

Wie viele Flöten produziert Mollenhauer im Jahr?

Stefan Kömpel: Etwas mehr als 40 000, rund 150 verschiedenen Modelle.

Wie viele davon sind Schulblockflöten?

Kömpel: 60 bis 70 Prozent. Unsere günstigste Flöte kostet im Handel knapp 20 Euro, die teuerste rund 3000. Zum Umsatz steuern die Schulflöten nur ein Viertel bei. Anfänger mögen vor allem Holz-Kunststoff-Kombinationen.

Welcher Teil ist aus Kunststoff?

Kömpel: Das Kopfstück, weil da der Speichel fließt und die Zähne ansetzen.

Heißt: das kann man in die Spülmaschine stecken?

Kömpel: Genau.

Tarasow: Die Hygiene ist schon wichtig. Ich erinnere mich, dass ich mal in ein Klassenzimmer reinkam und mir gleich ein stechender Geruch in die Nase stieg. In der Ecke stand dann eine Tonne mit Desinfektionslösung, in drei Dutzend Kopfstücke lagen.

Wo war das?

Tarasow: Australien. Das ist ein Extrembeispiel.

Stellen Sie auch die Kunststoffteile her?

Kömpel: Nein, die Einzelteile gießt nach unseren Plänen ein Kunststoffspritzgusshersteller. Wir stecken dann die Teile hier zusammen. Das Unternehmen arbeitet seit Mitte der 90er Jahre für uns und war nicht ganz einfach zu finden.

Eine ganz neue Zielgruppe: Senioren

Weshalb?

Kömpel: Die erste Firma hat uns nicht ganz ernst genommen. Die dachten, so ein Kopfstück aus Kunststoff zu gießen, kann ja kein großes Problem sein. Das stimmt aber nicht. Wir brauchten einige Anläufe, um einen zu finden, der verstand, dass es ein Höchstmaß an Präzision braucht, um ein solches Kopfstück zu fertigen. Es stellte sich dann heraus, dass der Produktionsleiter selbst Blockflöte spielte. Blockflöten sind Hightech. Da geht es um Toleranzen von wenigen Hundertstel Millimetern. Die Blockflöte hat ein schlechtes Image, immer noch, leider. Da denken viele Menschen an Jahrmarkt, lila Plastikflöten und gebrannte Mandeln. Klangschnuller, Spielzeug.

Oder sie denken an quälende Pflichtstunden in der Grundschule?

Kömpel: Ja, obwohl es die schon lange nicht mehr gibt.

Mussten Sie als Kind Blockflöte lernen?

Kömpel: Nein, in meiner Generation, ich bin 54, war das allerdings die Ausnahme. Ich habe Zugposaune gelernt im Musikverein.

Bernard Mollenhauer hat Sie eingestellt, obwohl Sie nicht Flöte spielten?

Kömpel: Anfang der 80er Jahre ging das noch. Ihm reichte, dass ich Musik mache. Heute würden wir das nicht mehr so machen.

Tarasov: Ich bekam meine erste Blockflöte, als ich sechs Jahre alt war.

Ihr Wunschinstrument?

Tarasov: Nein, ich wollte eine Trompete. Aber ich bin in Jugoslawien aufgewachsen, da war die Trompete zu teuer und deshalb habe ich eine ostdeutsche Blockflöte gekriegt. Ich habe den Unterricht und das Instrument aber nie als schlimm empfunden.

Auch nicht als Teenager! Fanden das Ihre Kumpels cool, dass Sie Flöte spielen?

Tarasov: Mein Freund und ich waren schon wer. Wir spielten am Gymnasium Duette, konzertant. Wir hatten sogar einen Bonus. Wenn jemand so gut Geige gespielt hätte, wie wir Flöte, dann hätte das eher als normal gegolten. Wenn sie Blockflöte nicht gut spielen, ist das natürlich nicht cool, aber dann klingt jedes Instrument bescheiden.

Aber Ihre Kundschaft schwindet! Nach Angaben des Verbandes deutscher Musikschulen rangiert die Blockflöte nur noch auf Rang vier der beliebtesten Instrumente nach Klavier, Gitarre und Violine. Die Zahl der Schüler, die Blockflöte an einer öffentlichen Musikschule erlernen, hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten auf gut 50.000 halbiert.

Tarasov: Die Konkurrenz ist heute auch größer. Es gibt Gitarren und Geigen und alle möglichen Instrumente als Kinderversion. Es gibt heute Mini-Klarinetten aus Plastik, billig in Asien hergestellt. Es ist irre, was es alles gibt. Kinderkontrabässe in Farbe. Das ist eine Demokratisierung des Musikschulunterrichts, das finde ich gut, auch wenn es zu Lasten der Blockflöte ging.

Kömpel: Es gibt auch eine ganz neue Zielgruppe, Senioren. Im Alter fangen viele Menschen wieder an zu spielen.

Ist das ein echter Markt?

Kömpel: Ja und ein lukrativer zudem. Senioren geben mehr Geld für ein Instrument aus. Die kaufen dann wegen des wärmeren Klangs auch eher eine Tenor- statt eine Sopranflöte.

Gibt es seniorengerechte Instrumente?

Kömpel: Ja. Die haben mehr Klappen, weil das Greifen im Alter schwerer fällt. Die Blockflöte ist ideal für ältere Menschen. Eine Tuba oder ein Fagott sind viel schwerer und brauchen mehr Luft. Dass einer, der mit 60 Jahren Blockflöte lernt oder wieder anfängt, keine Konzertreife mehr erlangt, ist auch klar. Aber darum geht es auch nicht. Die Blockflöte ermöglicht neue soziale Kontakte.

Die meisten Kinder erlangen auch keine Konzertreife. Aber wenn sie mit sechs statt zur Blockflöte zur Gitarre greifen, können sie davon träumen, irgendwann so berühmt wie Mick Jagger zu werden. Das ist mit Blockflöte nur schwer vorstellbar.

Tarasov: Jetzt schon. Seit Anfang 2013 haben wir eine Elektro-Blockflöte im Programm, die kann man an einen Verstärker anschließen oder eine Sound-App.

Und welche Rockgröße hat eine bestellt?

Tarasov: Neulich hat das Management von Ritchie Blackmore, der war mal Gitarrist von Deep Purple angerufen, und sich erkundigt. Er tritt heute mit seiner Frau Candice Night auf, die spielt Flöte.

Hat er schon ein Instrument?

Tarasov: Nein, ich habe es noch nicht nach New York geschafft. Aber in meinen Konzerten kommt die Eldoy, so heißt die Elektroflöte, gut an. Das ist auch für mich ein ganz neues Erlebnis.

Inwiefern?

In klassischen Konzerten hören die Leute zu und klatschen am Ende. In den Rockkonzerten reagiert das Publikum sofort, noch bevor das Stück zu Ende ist. Das ist toll.

Wie viele Elodys haben Sie bis heute verkauft?

Gut 120.

Nicht sehr viel!

Mehr als wir erwartet haben für ein völlig neues Instrument. Die Elody sieht schon anders aus, sie ist eckig und nicht rund. Es gibt ja keinen Grund, weshalb eine Flöte rund sein muss. Und der Airbrush-Lack ist auch ein Hingucker. Uns fehlt noch einer wie David Garrett, der wie er die Geige die E-Flöte populär macht. Irgendwann kommt schon einer.

Mollenhauer

Nik Tarasov (links) hat die Elektroflöte entwickelt, Stefan Kömpel ist Alleingeschäftsführer der Conrad Mollenhauer GmbH

Klassentreffen Mittelstand - der Kongress für Weltmarktführer, Familienunternehmer und Gründer

Der deutsche Mittelstand ist die Stärke der deutschen Wirtschaft. Seinen Werten, Strategien, Erfolgen und Sorgen widmet sich das 1. Klassentreffen Mittelstand der Süddeutschen Zeitung am 3. und 4. Juni 2014 in Bielefeld.

Alle Interviews aus der Reihe "Was macht eigentlich...." finden Sie hier.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: