Deutsche Staatsfinanzen:Erstaunliches Erstaunen

Verrückte Haushaltspolitik: Ein Mini-Plus lässt die Regierung ungläubig jubeln und sich daran berauschen. Bei genauerer Betrachtung steckt der Bundeshaushalt, für den Schwarz-Gelb unmittelbar Verantwortung trägt, in den Miesen.

Claus Hulverscheidt

Das eigentliche Erstaunliche am jüngsten Bericht zur Entwicklung des Staatshaushalts ist das Erstaunen, mit dem die Zahlen des Statistischen Bundesamts am Donnerstag kommentiert wurden.

Ja, Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen haben im ersten Halbjahr 2012 gut acht Milliarden Euro mehr eingenommen als ausgegeben - ein Umstand, der nach fast dreijährigem Konjunkturboom normal sein sollte.

Dass das nicht normal ist, sondern die Regierungskoalition gar zu ungläubigem Jubel über sich selbst veranlasst, zeigt, dass die Maßstäbe in der Hauspolitik immer noch verrückt sind.

Eigentlich sollte ein Staat in wirtschaftlich schlechten Zeiten Defizite zulassen, die er dann bei guter Konjunktur mit Überschüssen wieder ausgleicht. In der Praxis ist es dagegen meist so, dass im Aufschwung hohe und im Abschwung noch höhere Schulden aufgehäuft werden. Gelingt es dann doch einmal, in der Nähe der Nulllinie zu landen - wie jetzt mit einem Plus von gerade einmal 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung passiert-, berauscht man sich regelrecht daran.

Wie wenig gerechtfertigt das ist, zeigt ein genauerer Blick ins Zahlenwerk: Das gute Halbjahresergebnis ist nämlich zuvorderst auf Rekordüberschüsse der Sozialkassen zurückzuführen. Der Bundeshaushalt hingegen, jener Teil des Staatsetats also, für den Schwarz-Gelb unmittelbar Verantwortung trägt, verbuchte ein Minus von fast sieben Milliarden Euro.

Linktipp: Die Bundesregierung hat gemerkt, dass die Menschen das Internet nutzen, und stellt den Haushalt online als Grafik dar. Datenjournalist Lorenz Matzat hat diese kritisch analysiert.

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