Deutsche Entertainment:Rock an der Börse

Musikfestival ´Rockavaria"

Das Festival "Rockavaria" Ende Mai im Münchner Olympiastadion war gut besucht. Ob die Veranstalter damit Gewinn machten, ist nicht bekannt.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Deutsche Entertainment AG versucht sich mit Heavy-Metal-Festivals. Aktionäre zweifeln.

Von Sebastian Krass

Als am Ende des ersten Tages die Hauptband Muse auf die Bühne kommt, ist das Münchner Olympiastadion dann immerhin gut gefüllt. Sind es 20 000 Menschen? 25 000? Schwer zu schätzen. Hinten stehen die Zuschauer locker, und es sind auch Tausende der grünen Sitzschalen frei. Aber die Menschen, die da sind, haben ihren Spaß mit dem pathetischen Überwältigungsrock der Band aus England.

Aus Sicht von Peter Schwenkow waren es offenbar genug Menschen, die zu seinem erstmals ausgetragenen "Rockavaria"-Festival in München kamen. Ein paar Wochen später jedenfalls sagt er, "definitiv" werde es dieses und die zwei Schwesterfestivals 2016 wieder geben. Er sagt gleich dreimal "definitiv", einmal für jedes Festival. Schwenkow ist Gründer und Vorstandschef der Deutschen Entertainment AG (Deag), einem der großen Konzertveranstalter in Deutschland. Schwenkow hat den Geiger David Garrett zu einem Popstar aufgebaut, er arbeitet mit Anna Netrebko, und sein Unternehmen veranstaltet Konzerte von Andreas Gabalier. Doch nun fragen sich Aktionäre, ob die Festivals der Deag nicht große Verluste gebracht haben und ob es eine Neuauflage geben sollte. Sie wollen dies an diesem Donnerstag bei der Hauptversammlung thematisieren.

Die 1995 gegründete Deag hat auch Erfahrung mit Rockmusik, etwa mit den Böhsen Onkelz. Festivals dieser Größe waren Neuland. Sie fanden Ende Mai und Anfang Juni in München, Gelsenkirchen und Wien statt, mit Metallica, Kiss und Muse als den größten von gut 60 Bands. Dass er sie "definitiv" wieder ausrichten will, sagte Schwenkow dem Branchenblatt Musikwoche.

Mit der SZ redet er nicht. Zumindest die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) möchte aber nun ein paar Dinge genauer wissen, als Schwenkow diese öffentlich kommuniziert hat. Denn der Wert des Unternehmens an der Börse ist stark zurückgegangen. Ende Januar stand die Aktie noch bei 8,13 Euro, zuletzt waren es knapp 5,70 Euro - obwohl doch 2015 einen "Wachstumsschub durch massiven Eintritt in den Rockfestivalmarkt" bringen sollte, wie das Unternehmen im November 2014 ankündigte. Der Konzern, zu dem 30 Tochterfirmen gehören, versprach sich "einen profitablen Zusatzumsatz von mehr als 30 Millionen Euro im Jahr 2015". Im Vorjahr lag der Umsatz bei 172,6 Millionen Euro, mit etwas mehr als einer Million Euro Gewinn.

Die drei neuen Festivals waren auch eine Kampfansage an den Konkurrenten Marek Lieberberg, der mit "Rock am Ring" und "Rock im Park" Veranstaltungen dieser Größe in Deutschland etabliert hat, sie finden ebenfalls Anfang Juni statt. Lieberbergs Festivals haben pro Veranstaltungsort einen Etat von 15 Millionen Euro und mehr. Sie lohnen sich in der Regel erst dann, wenn der größte Teil der Tickets verkauft wird - zum Normalpreis von 150 bis 200 Euro für drei Tage. Wenn das nicht klappt, besteht angesichts der horrenden Garantiegagen für große Bands das Risiko, Verluste in Millionenhöhe einzufahren. Im Geschäftsbericht der Deag für 2014 heißt es bereits: Sollten die tatsächlichen Umsätze aus den Ticketverkäufen für die Festivals "deutlich von den Prognosen abweichen, könnte eine Liquiditätsunterdeckung eintreten" und der Konzern auf "zusätzliche Finanzierungsquellen" angewiesen sein. Sollte das dann nicht klappen, wäre "der Konzern im Bestand gefährdet".

Die Kapazität für die drei Deag-Festivals dürfte bei etwa 160 000 Personen pro Tag gelegen haben. Und wie viele Karten hat die Deag nun verkauft? Eine Anfrage der SZ zu den Festivals lässt das Unternehmen unbeantwortet, wie schon andere Anfragen in den vergangenen Wochen. Davor hatte Schwenkow versucht, Berichterstattung durch seinen Medienanwalt unterbinden zu lassen. Bei der Hauptversammlung dürfen keine Journalisten dabei sein. Diese solle "den Aktionären des Unternehmens unbeeinflusst durch die Präsenz Dritter einen offenen Meinungsaustausch ermöglichen", sagt ein Firmensprecher. Es ist zwar rechtlich zulässig, dass eine AG keine Berichterstatter in ihre Hauptversammlung lässt. Aber es ist "sehr unüblich", wie es bei der Deutschen Börse in Frankfurt heißt. Zudem sei die Deag im Prime Standard notiert und habe sich damit zu besonderer Transparenz verpflichtet.

Wie der Umsatz aus dem Verkauf der Tickets tatsächlich war, lässt der Firmenchef offen

Immerhin nannte Schwenkow der Musikwoche Zahlen, aus denen hervorgeht, dass zu den drei Festivals 120 000 Zuschauer gekommen seien. Es ist eine Zahl, für die es keine unabhängige Bestätigung gibt und die weitere Fragen aufwirft. Denn die Deag hat nicht nur Tickets für drei Tage, sondern auch deutlich günstigere Tagestickets verkauft - und zudem kurz vor den Festivals Rabattaktionen gestartet. Wie nun der Umsatz aus dem Ticketverkauf tatsächlich war und wie damit die wirtschaftliche Bilanz der drei Festivals ausfällt, das lässt Schwenkow bisher offen. Man habe noch nie die "Bruttoeinnahmen offengelegt", sagt Schwenkow in dem Interview.

Malte Diesselhorst, der Berliner Landesvorsitzende der DSW, will deshalb auf der Hauptversammlung nach Kartenverkauf und Umsatz fragen. Auch Schwenkows Ankündigung, die drei Festivals fortzuführen, macht Diesselhorst neugierig: "Das ergibt ja nur Sinn, wenn man damit rechnen kann, Gewinn zu machen." Ihm stelle sich auch die Frage, "ob die Risiken zu groß sind angesichts der Liquidität und der Größe des Unternehmens" - zumal das Klassikgeschäft der Deag ja ganz gut laufe.

Ein weiteres heikles Thema ist ein millionenschwerer Rechtsstreit der Deag mit den Betreibern des Nürburgrings, der Firma CNG. Dort war ursprünglich ein Festival geplant. Beide Firmen hatten vereinbart, Kosten und Einnahmen zu teilen. Doch nach schleppendem Vorverkauf überwarfen sich die Partner im März. Nachdem, wie es heißt, zu dem Zeitpunkt nur ein Bruchteil der etwa 80 000 Tickets verkauft war, warfen die Ringbetreiber der Deag vor, die Ziele beim Ticketverkauf "eklatant verfehlt" zu haben. Die Deag wiederum warf der CNG vor, sich nicht wie vereinbart an Vorauszahlungen für Gagen beteiligt zu haben. Die Deag kündigte und verlegte das Festival ins Stadion von Schalke.

Deag sprach von Vertragsbruch der Ringbetreiber, und erklärte, für diesen Fall habe man einen "umfassenden Versicherungsschutz" bis zu einer Summe von 7,5 Millionen Euro. Die Gothaer Versicherungen erklären dazu, "ein konkreter Schaden" sei "bislang nicht belegt worden". Überdies habe man "triftige Gründe, eine Deckung abzulehnen". Es gab Medienberichte, die Deag habe die Versicherung deswegen verklagt. In dem Musikwoche-Interview sagt Schwenkow aber, das habe man nicht getan. Allerdings klagt Deag gegen die Betreiber des Nürburgrings - auf Zahlung von zwei Millionen Euro, wie CNG-Geschäftsführer Carsten Schumacher sagt. Er hält das für unbegründet und will die Sache vor Gericht klären lassen.

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