Deutsche Börse:Lücken im Kalender

Kengeter, CEO of Deutsche Boerse talks to the media during the presentation of FinTec start-up facilities provided by Deutsche Boerse in Frankfurt

Zählt auf seinen Verteidiger und die Konzernjuristen: Carsten Kengeter, der Chef der Deutschen Börse.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Carsten Kengeter hat Ärger mit der Finanzaufsicht. Er soll sich öfter mit dem Chef der Londoner Börse getroffen haben, als er auf Anfrage der Behörde im Sommer vorigen Jahres zugegeben hatte.

Von Jan Willmroth und Markus Zydra, Frankfurt

Im Ermittlungsverfahren gegen ihn und die Deutsche Börse gerät Konzernchef Carsten Kengeter wöchentlich weiter in Erklärungsnot. Finanzkreise bestätigten am Montag einen Bericht des Magazins Der Spiegel, wonach die Finanzaufsicht Bafin über die Informationspolitik der Börse verwundert ist: Kengeter soll sich nach seinem Amtsantritt von Juni bis Dezember 2015 viel öfter mit dem Chef der Londoner Börse LSE, Xavier Rolet, besprochen oder getroffen haben, als er auf Anfrage der Behörde im vergangenen Sommer zugegeben hatte - so steht es in einem Bericht der Aufseher von Anfang Februar.

Klare Frage, widersprüchliche Antworten: Wie oft haben die Konzernchefs gesprochen?

Solche Details sind wichtig in diesem vertrackten Verfahren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kengeter wegen Insiderhandels. Der Manager hatte im Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro Aktien der Börse erworben, um seinen Bonus zu bekommen - obwohl er bereits die inzwischen gescheiterte Fusion mit der LSE geplant haben soll. Außerdem soll die Börse eine Pflichtmitteilung zu den Fusionsgesprächen mehr als einen Monat zu spät verschickt haben. Das brachte Kengeter zusätzlich den Vorwurf der Marktmanipulation ein. Wegen der Vergehen fordern die Staatsanwälte zwei Geldbußen von zusammen 10,5 Millionen Euro von der Börse.

Das Verhalten der Konzernspitze mutet seltsam an. Die Bafin hatte den Börsenbetreiber explizit gefragt, wie häufig sich Kengeter seit seinem Amtsantritt mit Rolet traf. Viermal, antwortete die Börse. Daraufhin bat die Bafin die Aufsichtskollegen in London, mal bei der LSE nachzuhorchen: 15-mal, so stand es in Rolets Kalender, habe er Kengeter getroffen oder mit ihm telefoniert. Also fast wöchentlich. Nun steht der Verdacht der Lüge im Raum, denn jeder Verantwortliche bei der Deutschen Börse musste wissen, dass die Behörde auch die Gegenseite befragen würde. Ein solches Nachprüfen der Bafin ist bei Untersuchungen dieser Art absolut Usus und konnte insofern niemanden überraschen.

Die Börse ist derzeit sehr darauf bedacht, nicht viel zu diesen Angelegenheiten zu sagen. Zu hoch ist inzwischen das Risiko, Staatsanwaltschaft und Aufsichten - nämlich auch die Börsenaufsicht im hessischen Wirtschaftsministerium - noch mehr zu verärgern. Man spricht nach wie vor lieber direkt mit den zuständigen Behörden. Derzeit verhandle man "auf Hochtouren", heißt es in Konzernkreisen. In dieser Woche etwa haben die Konzernjuristen einen Termin im Landesfinanzministerium. Ein Sprecher der Börse lehnte eine Stellungnahme ab, zu einzelnen Terminen und Inhalten von Gesprächen äußere sich der Konzern nicht. Warum hat die LSE 15 Termine gezählt, Kengeter aber bei der Bafin nur vier Gespräche angegeben? Definieren die beiden Konzernspitzen womöglich unterschiedlich, ab wann ein Termin ein offizielles Gespräch ist? Hat die LSE vielleicht einfach informelle Treffen am Rande von Konferenzen mitgezählt?

Sicher ist: Die Bafin meinte bei ihrer Anfrage jede Begegnung der beiden Konzernchefs, bei der sie miteinander redeten. Anzahl und Inhalt der Treffen machen einen Unterschied: Die meisten Verfahren wegen Insiderhandels scheitern, weil nicht klar ist, ob jemand zum Tatzeitpunkt wirklich eine Insiderinfomation hatte oder nicht. Als Kengeter sein Aktienpaket kaufte, sind die Ermittler überzeugt, muss er von dem Fusionsversuch bereits ausgegangen sein. Der Konzernchef wird das wohl weiter bestreiten.

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