Deutsche Börse:Kengeter steht jetzt doch vor dem Aus

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Heute befasst sich der Aufsichtsrat der Börse mit dem Fall, nachdem die zuständige Richterin einem Vergleich nicht zugestimmt hat. Die Ermittlungen gegen den Börsen-Chef wegen Insiderhandels gehen weiter.

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Wie oft haben sie in Eschborn schon spekuliert, am Hauptsitz der Deutschen Börse bei Frankfurt. Wie oft dachten sie seit Februar: Das war es jetzt für Carsten Kengeter, den Vorstandschef des Dax-Konzerns, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Insiderhandels ermittelt und der unter verschärfter Beobachtung der Aufsichtsbehörden steht. Immer wieder belehrte er sie eines Besseren, Aufsichtsratschef Joachim Faber hielt Kengeter stets die Treue. Das könnte sich an diesem Donnerstag ändern, wenn sich das Kontrollgremium der Börse zu einer außerordentlichen Sitzung trifft, um über Kengeters Zukunft zu sprechen. Faber hat eigens dafür eine Reise nach China abgebrochen. Die Lage ist ernst, auch für Faber selbst.

Denn nachdem das Frankfurter Amtsgericht eine Abmachung zwischen Konzern und Staatsanwaltschaft abgelehnt hat, machen große Investoren so viel Druck wie noch nie im Verlauf der Affäre. Der ursprüngliche Plan der Strafverfolger war, die Ermittlungen gegen Kengeter gegen eine Auflage von 500 000 Euro einzustellen; die Börse sollte zwei Bußgelder über insgesamt 10,5 Millionen Euro zahlen. Daraus wird nichts, weil die Richterin die Auflage für zu gering hält und das öffentliche Interesse an dem Fall für zu hoch. Also ermitteln die Staatsanwälte weiter, und Konzerninsidern zufolge ist man seitdem äußerst nervös an der Spitze des Unternehmens.

Die hessische SPD will die Causa Deutsche Börse zum Thema im Landtag machen

Ein Grund dafür dürfte die heftige Kritik der Aktionäre sein, die sich nun verstärkt Joachim Faber trifft. Etwa 95 Prozent der Deutsche-Börse-Aktien sind in der Hand großer Fondsgesellschaften. Man werde Faber "zeitnah" um ein Gespräch ersuchen, kündigt eine von ihnen an, am liebsten noch in dieser Woche. "Es muss jetzt vorbei sein, alles andere wäre nicht zu erklären", sagt ein Vertreter des Aktionärs. "In der Wahrnehmung der Investoren hat der Aufsichtsrat in dieser Geschichte komplett versagt. Das betrifft nicht nur Faber, aber ihn vor allem." In den anstehenden Gesprächen werde Faber eine Lösung ohne Kengeter präsentieren müssen. So sauer die Kritik auch klingt: Fast keiner will sich namentlich zitieren lassen. Einzig Union Investment hatte schon früher Kengeters Zukunft als Chef infrage gestellt.

Das hatte auch Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), Oppositionsführer im hessischen Landtag, öfters getan. Jetzt macht er die Causa Deutsche Börse zum Thema im Parlament. Die SPD-Fraktion will von der Landesregierung detailliert wissen, wie die Ermittlungen abliefen, und inwiefern möglicherweise Regierungsbeamte in die Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft eingebunden waren. Ein entsprechender Berichtsantrag an die schwarz-grüne Landesregierung liegt der SZ vor. Die Börse untersteht unter anderem der Aufsicht des Wiesbadener Wirtschaftsministeriums, was jede Affäre in dem Konzern potenziell politisch macht.

Kengeter hatte im Dezember 2015 Aktien der Börse gekauft, als er schon die Fusion mit der Londoner Börse plante. Die Staatsanwaltschaft wertete das als Insiderhandel, er bestreitet die Vorwürfe. Ende März läuft Kengeters Vertrag aus. Unklar ist bis auf Weiteres, ob er vorzeitig geht, oder sein Vertrag einfach nicht verlängert wird.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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