Deutsche Börse:Einfach mal groß denken

Inside Frankfurt Stock Exchange As Market Down

Früher haben Anleger einen Bogen um Aktien von Immobilienunternehmen gemacht. Das hat sich mittlerweile geändert.

(Foto: Hannelore Foerster/Bloomberg)

Die Deutsche Börse investiert kräftig und kauft neben der Devisenhandelsplattform 360T auch noch zwei Spezialisten vom boomenden Index-Markt. Welche Strategie verfolgt der neue Chef in Frankfurt?

Von Harald Freiberger

Dieses war der erste Streich, und der zweite folgt sogleich: Carsten Kengeter, der erst seit Mai Chef der Deutschen Börse ist, braucht nicht viel Zeit, um sich einzuarbeiten. Er legt gleich mit viel Tempo los. Am Wochenende hatte er angekündigt, für 725 Millionen Euro die Firma 360T zu übernehmen, eine Plattform für den Devisenhandel. Am Montag folgte schon der nächste Großeinkauf: Die Deutsche Börse verleibt sich zwei Spezialisten vom boomenden Index-Markt ein, diesmal für die stolze Summe von 614 Millionen Euro.

Die rasche Abfolge der Mega-Deals zeigt, dass der gelernte Investmentbanker Kengeter, der von der Schweizer Großbank UBS kam, wild entschlossen ist, die Deutsche Börse aus der Defensive heraus zu führen. Schließlich datiert die letzte große Übernahme aus dem Jahr 2007. Danach scheiterten einige Anläufe zu Fusionen, zuletzt im Jahr 2012 der geplante Zusammenschluss mit der New Yorker Börse. Die Frankfurter Börse drohte in dem schnellen Geschäft, in dem Größe eine immer wichtigere Rolle spielt, weltweit den Anschluss zu verlieren.

Kengeter setzt auch klare Wachstumsziel für die Deutsche Börse. Künftig sollen die Nettoerlöse pro Jahr um fünf bis zehn Prozent steigen, hieß es am Montag. Das Unternehmen will so im Jahr 2018 zwischen 2,8 und 3,2 Milliarden Euro erlösen und einen Ertrag von 1,55 bis 1,75 Milliarden Euro erwirtschaften. Dazu sollen auch neue Einsparungen beitragen. Kengeters Vorgänger Reto Francioni hatte die Messelatte noch tiefer gehängt. Mit den beiden Übernahmen versucht Kengeter auf Zukunftstrends zu setzen. Da sind zum einen die Index-Firmen Stoxx und Indexium, die man sich bisher zur Hälfte mit der Schweizer Börse teilte; künftig gehören sie den Deutschen allein. Der Indexmarkt verspricht hohes Wachstum, weil börsengehandelte Indexfonds bei privaten und professionellen Anlegern immer beliebter werden. Sie bilden einen Index wie den Dax, der die 30 größten deutschen börsengehandelten Konzerne zusammenfasst, eins zu eins nach. Wer einen Dax-Indexfonds kauft, erwirbt damit ein grobes Abbild des deutschen Aktienmarkts. Indexfonds schneiden oft besser ab als aktiv gemanagte Fonds, außerdem sind sie günstiger, da sie keinen teuren Fondsmanager brauchen. Die Firma Stoxx, die die Deutsche Börse übernimmt, hat eine Reihe von Indices aufgelegt, auf die sich die Indexfonds beziehen. Der bekannteste davon ist der Euro-Stoxx 50, in dem die 50 größten Konzerne Europas vertreten sind. Indexium, die andere übernommene Firma, hat sich wiederum darauf spezialisiert, Indices zu berechnen.

Für eine Börse ist das Index-Geschäft deshalb interessant, weil sie dadurch unabhängiger von den Marktschwankungen wird. Nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 brach der Handel mit Aktien massiv ein, was die Gewinne der Börsen belastete. Vom Index-Geschäft profitiert eine Börse über Lizenzgebühren, die Finanzunternehmen bezahlen müssen, wenn sie einen Fonds auflegen, der sich auf einen Index bezieht. Zudem kann sie die entsprechenden Handelsdaten weiter verkaufen.

Das andere große Feld, auf das es Kengeter abgesehen hat, ist der Devisenhandel. Daher die Übernahme von 360T, einer Plattform, die erst im Jahr 2000 gegründet wurde und seitdem eine Erfolgsgeschichte geschrieben hat (Artikel rechts). Der Devisenhandel um ein Vielfaches größer als der mit Aktien. Geschätzte fünf Billionen Euro werden täglich darüber umgesetzt - Händler kaufen und verkaufen für Unternehmen und Investoren Euro gegen Dollar, Dollar gegen Yen, Euro gegen Renminbi. "Währungen sind das Schmiermittel und die Steuerungsgröße jeder Volkswirtschaft, und der Handel damit spielt eine immer wichtigere Rolle, da der Zins als Steuerungsgröße praktisch weggefallen ist", sagt der Münchner Börsenhändler Daniel Fehring vom Handelsspezialisten Forex.

Die Besonderheit des Devisenhandels: Es gibt keine Börse dafür, Umsatzzahlen sind oft nur geschätzt. Der Handel fand lange telefonisch zwischen Unternehmen und Banken statt und war fehleranfällig. In diese Bresche sprang vor mehr als 15 Jahren die Firma 360T, die eine Plattform im Internet aufbaute, auf der auch kleinere Händler ihre Preise melden konnten. Vorher war der Devisenhandel eine Domäne der Großbanken, die zudem hohe Gebühren nehmen. Die Plattform hat für Unternehmen den Vorteil, dass sie gleichzeitig die Preise mehrerer Banken abfragen und dann den günstigsten auswählen können.

Das klingt banal, hat aber gerade für große Konzerne gewaltige Konsequenzen. Nicht umsonst haben sich in den vergangenen Jahren 29 der 30 Dax-Konzerne von 360T überzeugen lassen und sind inzwischen dort Kunden. "Im Devisenhandel können Großunternehmen enorme Summen einsparen, wenn sie es richtig machen", sagt Experte Fehring. Ein Beispiel: Ein Flugzeugbauer muss Triebwerke einkaufen. Dabei kommen leicht Milliarden-Summen zusammen. Diese werden in Dollar abgerechnet, das Unternehmen bilanziert aber in Euro. Also muss es auf dem Devisenmarkt erst einmal Euro in Dollar umtauschen. Bei Großbanken kostet das Gebühren von durchschnittlich 0,005 Euro. Bei einem Milliarden-Devisen-Deal heißt das: Es werden Gebühren von fünf Millionen Euro fällig. Über Plattformen ist es deutlich günstiger, oft kostet es nur 0,0002 Euro. Das heißt: Die Firma zahlt statt fünf Millionen lediglich 200 000 Euro Gebühren. "Großunternehmen haben das Einsparpotenzial der Plattformen längst erkannt, auch immer mehr Mittelständler werden ihren Devisenhandel darüber abwickeln", sagt Fehring. Die Deutsche Börse will von diesem Wachstumsmarkt profitieren. Die Frage ist nur, wie Kengeter die gewaltigen Investitionen finanzieren wird. Ein Kaufpreis von zusammen mehr als 1,3 Milliarden Euro ist kein Pappenstiel. Die 360T-Übernahme soll überwiegend über Anleihen finanziert werden, sagte ein Sprecher. Ob es zusätzlich eine kleinere Kapitalerhöhung geben werde, sei noch nicht entschieden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: