Deutsche Börse:Börsenchef zählt auf seine Anwälte

Börse Frankfurt

Handelsraum-Kulisse der Frankfurter Wertpapierbörse: Rein statistisch gesehen hat der Börsenchef gute Chancen, dass sein Verfahren eingestellt wird.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Carsten Kengeter könnte einer Anklage wegen Insiderhandels entgehen. Er hatte Börsenaktien gekauft - kurz vor Bekanntgabe der Fusionspläne mit London.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Der Vorstandschef der Deutschen Börse hat Anlass zur Hoffnung, vielleicht kommt Carsten Kengeter doch unbeschadet aus der Sache heraus. Seine Anwälte arbeiten offenbar intensiv daran, eine Anklage gegen ihn abzuwenden. Seit Monaten ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen den Manager, weil er sich des Insiderhandels strafbar gemacht haben soll. Kengeter hat die Vorwürfe stets zurückwiesen. Einem Bericht des Handelsblatts zufolge verhandeln seine Strafverteidiger mit den Staatsanwälten nun darüber, das Ermittlungsverfahren einzustellen.

In einem zweiten Verfahren geht die Staatsanwaltschaft dem Verdacht nach, die Deutsche Börse könnte die geplante Fusion mit ihrem Londoner Konkurrenten LSE zu spät bekanntgegeben haben. Ein solcher Verstoß gegen die sogenannte Ad-Hoc-Veröffentlichungspflicht ist nach damals geltendem Recht mit einer Geldbuße von bis zu einer Million Euro belegt. Im Februar vergangenen Jahres waren die Fusionspläne durch einen Agenturbericht mit relativ vielen Details publik geworden. Erst danach hatte das Unternehmen eine Pflichtmitteilung herausgegeben. Die Ermittlungen dazu hatte die Staatsanwaltschaft von der Finanzaufsicht Bafin an sich gezogen. Sofern die Strafverfolger beide Fälle zusammenhängend behandeln, könnte der Börse schlimmstenfalls ein Bußgeld von bis zu zehn Millionen Euro drohen. Das Handelsblatt berief sich auf nicht näher benannte Personen, die mit den Vorgängen vertraut seien.

Die Staatsanwaltschaft äußerte sich am Montag nicht zu Details. Eine Sprecherin sagte lediglich, die beiden Verfahren würden in der Behörde gemeinsam behandelt. Man ermittle weiterhin wegen des Verdachts auf Insiderhandel. Die Deutschen Börse wollte die Informationen nicht kommentieren.

Insiderhandel ist schwierig nachzuweisen. Seit drei Jahren wurde niemand mehr verurteilt

Carsten Kengeter hatte im Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro Aktien seines Arbeitgebers aus seinem Privatvermögen gekauft. Dafür wurden ihm als Teil seines Bonusprogramms spezielle Aktien mit fünfjähriger Haltefrist in gleicher Höhe zugeteilt, deren Wert von der Gewinn- und Aktienkursentwicklung der Börse abhängt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Börsenchef die Fusion mit London damals schon plante. Anfang Februar ließ sie Geschäftsräume der Deutschen Börse in Eschborn sowie Kengeters Privatwohnung im Frankfurter Westend durchsuchen. Der Manager hatte die Vorwürfe von Anfang an zurückgewiesen. "Ich bin sicher, dass sich die Vorwürfe nach eingehender Prüfung als haltlos erweisen werden", wiederholte er vergangene Woche auf der Hauptversammlung der Börse.

Sollte das Verfahren etwa gegen Geldauflage eingestellt werden, käme Kengeter zwar straffrei davon - als haltlos erwiesen sich die Vorwürfe dann allerdings nicht. Es bliebe lediglich ungeklärt, ob er sich strafbar gemacht hat. "Insiderhandel ist in der Regel schwer nachzuweisen, die Verfahren können sich sehr in die Länge ziehen", sagt Philipp Maume, Professor für Kapitalmarktrecht an der TU München. "In solchen Fällen ist der Flaschenhals ganz klar die Staatsanwaltschaft." Sie sei der Regel mit einer ganzen Mannschaft an hoch bezahlten Wirtschaftsanwälten konfrontiert. Ein Verfahren einzustellen, sei deshalb auch eine Abwägungsfrage - und ein Grundproblem der Wirtschaftskriminalität. "Die Staatsanwaltschaften sind mit solchen Fällen überlastet", sagt er.

Bei Wirtschaftsstrafsachen steht also schnell eine Einstellung im Raum, auch unabhängig vom Kapitalmarkt. Aber gerade in Fällen von Insiderhandel versuchen die Beschuldigten, oftmals Manager, ein mögliches Urteil zu vermeiden. Meistens kommt es noch nicht einmal zu einer Anklage. Von 93 im vergangenen Jahr abgeschlossenen Insider-Verfahren wurden 75 eingestellt, weitere 14 gegen Geldauflage, in nur vier Fällen kam es zu einem Gerichtsverfahren. Seit dem Jahr 2014 wurde niemand nach einer Hauptverhandlung wegen Insiderhandels verurteilt. Rein statistisch gesehen hat Kengeter also sehr gute Chancen.

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