Deutsche Börse:Ausweichen, wo es geht

Annual press conference Deutsche Boerse in Frankfurt, Germany - 16 Feb 2017

Steht durch den Verdacht des Insiderhandels unter Druck: Börsen-Chef Carsten Kengeter.

(Foto: Ronald Wittek/EPA)

Die Deutsche Börse verkündet gute Zahlen, während gegen den Chef ermittelt wird: Carsten Kengeter schweigt zu kritischen Fragen.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Erst einmal ein Schluck Wasser, dann kommt der schwierigste Teil. Carsten Kengeter greift zu seinem Glas, nippt daran, schweigt kurz, schaut hoch. Natürlich würde sich der Chef der Deutschen Börse zur Bilanzpressekonferenz an diesem Donnerstag äußern müssen - zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die ihm Insiderhandel vorwirft. Diese Verdächtigung habe ihn persönlich schwer getroffen, sagt er: "Insiderhandel widerspricht allem, wofür ich stehe." Er bittet um Geduld. "Ich bin sicher, dass sich die Vorwürfe nach eingehender Prüfung als unbegründet erweisen werden", sagt er. Weiter könne er sich nicht äußern.

Sein Finanzchef Gregor Pottmeyer übernimmt und erläutert die erfreulichen Geschäftszahlen des Konzerns. Wenn aber gegen den Chef ermittelt wird, wenn dieser Chef zugleich eine milliardenschwere Fusion plant, die vielleicht scheitern wird, dann geraten auch gute Zahlen zur Nebensache. Der sonst so selbstbewusste Kengeter nestelt an seinen Papieren herum, sortiert sie mehrfach, seine Finger zittern.

Gute zwei Wochen ist es her, als Ermittler der Frankfurter Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamts an Kengeters Wohnung in Frankfurt und am Hauptsitz der Börse in Eschborn zur Razzia vorfuhren. Sie wollen beweisen, dass der Manager schon 2015 ziemlich konkret mit der London Stock Exchange (LSE) über eine Fusion gesprochen habe - und trotzdem noch Deutsche-Börse-Aktien kaufte. Im Umfeld der Konzernführung bestätigen inzwischen mehrere Quellen, dass es bereits 2015 Gespräche gegeben hat. Aber wie viel stand im Dezember bereits fest? Wie viel wusste Kengeter, als er am 14. Dezember 2015 Aktien seines Arbeitgebers kaufte?

Davon hängt jetzt viel ab, für das Unternehmen und vor allem für Kengeter selbst. Etwa zwei Monate später machte die Börse ihre Fusionspläne mit der LSE öffentlich, recht schnell standen viele Details zu dem Vorhaben fest. Kaum war die Nachricht in der Welt, erhielt die Staatsanwaltschaft zwei Strafanzeigen und begann zu ermitteln. Ein knappes Jahr später bekam sie einen Durchsuchungsbeschluss.

Kann sie dem Börsenchef ausreichend nachweisen, dass er zum Zeitpunkt seines Aktienkaufs schon von Fusionsverhandlungen ausgegangen sein muss, wird es schwierig werden, eine Anklage abzuwenden. Denn ob er die Papiere in der Absicht gekauft hat, sich zu bereichern, wäre dann nicht mehr entscheidend.

Der umstrittene Kauf war Teil eines komplizierten Geschenks. Vor seiner Zeit bei der Börse hatte Kengeter als Investmentbanker viele Millionen verdient, er war dafür bekannt, dass ihm schwierige Geschäfte glücken. Als Börsenchef erhielt er eine Sonderbehandlung des Aufsichtsrats: Zwischen 1. und 21. Dezember 2015 durfte er für bis zu 4,5 Millionen Euro Aktien der Börse aus seinem Privatvermögen erwerben. Dafür bekam er Anspruch auf erfolgsabhängige Aktien zum gleichen Wert, die von Frühjahr 2019 an schrittweise ausbezahlt werden. Je besser sich die Überschüsse des Konzerns entwickeln und je stärker der Aktienkurs steigt, desto höher fällt der Bonus aus. Im besten Fall, wenn es für die Börse viel besser läuft als in den vergangenen Jahren, könnte Kengeter auf insgesamt knapp 38 Millionen Euro hoffen.

Warum hat allein der Vorstandschef diese Option bekommen, und warum in dieser kurzen Frist, unbedingt noch 2015? Auf der Pressekonferenz antwortet der Vorstand nicht auf diese Frage, überhaupt weichen die Chefs kritischen Fragen zu Vorstandsgehalt und Börsenfusion aus. "Spekulative Fragen" könne er nicht beantworten, sagt Kengeter mehrfach. Später heißt es aus Unternehmenskreisen, man habe mit dem Bonusprogramm die besondere Rolle des Vorstandschefs betonen wollen.

Diese besondere Rolle sieht aus heutiger Sicht so aus: Kengeter, bestens verdrahtet in London, ist der Mann für das Projekt Börsenfusion. Dreimal wollte die Börse bislang mit einem Konkurrenten zusammengehen, dreimal ist sie gescheitert, beim vierten Mal soll es endlich klappen. Kengeter den neuen Konzern aus London führen. Noch gute vier Monate, dann muss die Fusion durch sein. Die EU-Kommission prüft sie gerade, sie hat Zeit bis 3. April. Danach muss die hessische Börsenaufsicht zustimmen; es ist völlig offen, wie das ausgeht. Hessens Landesregierung betonte zuletzt erneut, wie sehr sie der geplante Hauptsitz in London stört. "Wir haben gut zugehört, was die Verantwortlichen in Hessen gesagt haben", sagt Kengeter dazu. Diese Verantwortlichen werden jetzt gut zuhören, was die Staatsanwaltschaft Frankfurt sagt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: