Deutsche Börse:Atempause für Kengeter

Deutsche Börse - Carsten Kengeter

Vom Aufsichtsrat erst mal gestützt: Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Frankfurter kaufen ihren Vorstandschef für eine Geldbuße von rund zehn Millionen Euro frei. Es ging um Insiderhandel.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

War es kalkuliert oder ist es ihm nur herausgerutscht? Als Carsten Kengeter vor ein paar Tagen öffentlich nach seinem Bonusprogramm gefragt wurde, da sprach der umstrittene Chef der Deutschen Börse von einer "moralischen Pflicht", die ihn quasi gezwungen habe, vor zwei Jahren jenen Sonderbonus anzunehmen, der später die Insiderermittlungen der Staatsanwaltschaft auslöste. Durchs Publikum, zumeist in Sachen Bonus wenige zimperliche Banker, ging ein Raunen. "Moralische Pflicht?" Hat der Mann seinen inneren Kompass jetzt gänzlich verloren?

Womöglich aber war Kengeter auch einfach nur siegesgewiss - zumindest in Sachen Strafermittlungen gegen ihn. Wie die Börse am späten Dienstagabend im Anschluss an Vorstands- und Aufsichtsratssitzung bekannt gab, stimmten die Gremien nun tatsächlich einem informellen Vergleich mit der Staatsanwaltschaft zu. Die Ermittlungen gegen Kengeter? Werden damit höchstwahrscheinlich eingestellt. Die stattdessen fälligen Geldbußen von 10,5 Millionen Euro? Bezahlt das Unternehmen. "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Sie gehörte zu den schwierigsten, die ich zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen im Aufsichtsrat der Deutsche Börse getroffen habe", ließ sich Aufsichtsratschef Joachim Faber zitieren. Ob es Enthaltungen oder Gegenstimmen gab, stand nicht in der Mitteilung.

Über die Vertragsverlängerung wird der Aufsichtsrat erst später entscheiden

Die Vorwürfe hatten es jedoch in sich, nicht zuletzt für einen Börsenchef, der wie kaum ein anderer Manager für den regeltreuen Handel stehen sollte. Im Dezember 2015 hatte Kengeter für 4,5 Millionen Euro Aktien des Börsenbetreibers gekauft, um spezielle Aktien zum gleichen Wert als Bonus zu erhalten, und zwar zwei Monate, bevor die später gescheiterten Fusionspläne mit der Londoner Börse LSE bekannt wurden. Weil daraufhin der Aktienkurs stark gestiegen war, witterten die Behörden ein strafbares Insidergeschäft. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft gab es zum Zeitpunkt des Kaufs bereits fortgeschrittene Gespräche mit der LSE, was die Deutsche Börse stets zurückgewiesen hatte. Der zweite Vorwurf: Die Börse habe die Pläne zu spät öffentlich gemacht und damit den Markt manipuliert.

Die Vorwürfe ließen sich jedoch ganz offensichtlich nicht gänzlich entkräften, das hohe Bußgeld deutet darauf hin, dass die Behörde Kengeter trotzdem Vorsatz unterstellt. Daher wird nach Lage der Dinge zwar auch keine Managerhaftpflichtversicherung einspringen. Kengeter selbst aber ist immerhin nicht vorbestraft.

Um den Vergleich zu erreichen, musste jedoch so einiges hingebogen werden: Zwei Vorstandskollegen, die eigentlich als befangen galten und sich daher ursprünglich heraushalten wollten, durften auf der Sitzung des Gremiums am Mittwoch nun doch mit abstimmen. Eigentlich sollten darüber nur die Vorstände Hauke Stars und Jeffrey Tessler befinden, nicht aber der Vize-Vorstandschef Andreas Preuß sowie Finanzvorstand Gregor Pottmeyer. Stars und Tessler hingegen sollen bis zuletzt zögerlich gewesen sein, ob die Börse den teuren Vergleich annehmen kann. Sie sahen sich und den Konzern dem Risiko von Aktionärsklagen ausgesetzt und hatten dies auch rechtlich prüfen lassen. Nun stimmten sie offenbar doch dafür.

Auch wenn Kengeter damit einem Strafverfahren entgeht: Ausgestanden ist die Sache für ihn nicht. Sowohl die Börsenaufsicht Bafin als auch das hessische Wirtschaftsministerium ermitteln und könnten ihn abberufen. Erst im Anschluss daran "werde sich der Aufsichtsrat der Deutsche Börse AG mit der Vertragsverlängerung von Carsten Kengeter befassen", hieß es in der Mitteilung. Faber jedoch scheint derzeit noch nicht aktiv nach einem Nachfolger zu suchen. Dabei herrscht bei vielen Mitarbeitern inzwischen ebenso große Missstimmung wie unter den Aktionären. Längst richtet sich der Ärger auch gegen Faber, der den Bonus seinerzeit angeboten hatte, und nun dem Vergleich zustimmte.

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