Deutsche Banken nach der Finanzkrise:Im Mittelmaß macht es wieder Spaß

Deutsche Bank new Chief Executive John Cryan arrives for a news conference in Frankfurt

John Cryan, Chef der Deutschen Bank, kann nach heftigen Krisen optimistischer in die Zukunft blicken.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)
  • Die Deutsche Bank schrumpft sich nach heftigen Krisen wieder gesünder: Zwar sinkt der Umsatz, doch die Bank konnte immerhin den zweiten Quartalsgewinn in Folge verkünden.
  • Beim Rivalen Commerzbank steigt ein großer Investor ein, der auf das Zukunftskonzept der Bank zu setzen scheint.
  • Für die gebeulteten deutschen Großbanken könnten das Zeichen sein, dass zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise die Wende ansteht.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Bis vor Kurzem waren Treffen mit Kunden und Investoren für John Cryan noch Anlass zur Unruhe. Sie löcherten den Chef der Deutschen Bank mit Fragen zu den Rechtsstreitigkeiten, zu den Geldwäschevorwürfen in Russland, zu den Libor-Manipulationen, zur angedrohten 14-Milliarden-Dollar-Strafe, die das Geldhaus im vergangenen Herbst an den Rand der Pleite zu bringen drohte. Täglich stand für Cryan Vergangenheitsbewältigung auf dem Programm: beschwichtigen, vertrösten, beteuern. Endlich nach vorn schauen? Das blieb ein frommer Wunsch.

Jetzt, Ende Juli, nach dem zweiten Quartalsgewinn in Folge und einer geglückten Kapitalerhöhung, ist das anders. Es geht wieder ums Geschäft, und nicht wenige Kunden finden, nun sei es auch mal gut mit dem jahrelangen Herumhacken auf der Deutschen Bank. "Es macht jetzt mehr Spaß", gab Cryan vor einigen Tagen zu Protokoll. Zufrieden ist er aber nicht: Mit dem Gewinn hat die Bank am Donnerstag überrascht, aber wieder machte sie weniger Umsatz, selbst die Dividende für das Jahr 2017 ist wieder unsicher. Das ist kein Wachstum, sondern Mittelmaß. Aber immerhin schrumpft sich Deutschlands größtes Finanzinstitut so allmählich aus der Krise.

Und ist damit nicht allein. Zehn Jahre, nachdem mit der Rettung der Düsseldorfer Bank IKB die Finanzkrise auch hierzulande voll einschlug, können Deutschlands einstige Vorzeigebanken wieder an die Zukunft denken. Der Aufwind, den die Branche in vielen Teilen Europas seit einiger Zeit spürt, er kommt nun auch bei den deutschen Häusern an: Die Deutsche Bank steuert auf ihren ersten Jahresgewinn seit 2014 zu. Und die Commerzbank, die Dauerbaustelle, deren größter Anteilseigner die Bundesregierung ist? Macht auf einmal Schlagzeilen, weil ein aggressiver Finanzinvestor zum neuen Großaktionär aufsteigt.

Am Mittwochnachmittag erfuhr die Öffentlichkeit, dass Cerberus seinen Anteil an dem Geldhaus auf mehr als fünf Prozent aufgestockt hat. Offenbar glaubt der New Yorker Beteiligungskonzern an die Bank und ihre Aktie, an die neue Strategie, an die Schrumpfkur, mit der Bankchef Martin Zielke die Wende schaffen will. Anstatt der Commerzbank oder des Investors selbst war es dann die Regierung in Berlin, die das Investment begrüßte: Steigendes Interesse von Investoren sei positiv für die Bank, erklärte das Finanzministerium. Cerberus, hieß es, sei nicht einmal der einzige Interessent gewesen. Bank und Investor sagten lieber überhaupt nichts.

Dabei wäre der Einstieg der Amerikaner ein Grund zur Freude. Während die Commerzbank mit dem Umbau beschäftigt ist und kommende Woche voraussichtlich einen Quartalsverlust verkündet, ist eine solche Beteiligung eine Bestätigung, dass es trotz aller Schwierigkeiten läuft. Der Vorstand hat Investmentbank- und Mittelstandssparte zusammengelegt, trennt sich von Tausenden Mitarbeitern, baut nach und nach das Filialnetz um und investiert etliche Millionen Euro in digitale Projekte und verschlankt Prozesse. "Das kostet natürlich alles erst zunächst eine Menge Geld", sagt ein Commerzbanker. "Es dauert, bis man daran auch etwas verdient."

Analysten zufolge wird die Bank auch auf längere Sicht nicht annähernd so profitabel sein wie früher. Wenn das aber so ist, warum steigt dann ein Finanzinvestor ein, der normalerweise binnen weniger Jahre satte Renditen erwartet? Den Amerikanern war schon länger Interesse an der Commerzbank nachgesagt worden, vielleicht wollte Cerberus einfach nicht länger warten. Denn das Vertrauen der Investoren kehrt schon seit einiger Zeit wieder zurück: Seit Januar ist der Aktienkurs der "Gelben" um etwa 50 Prozent gestiegen, im Jahresvergleich hat er sich fast verdoppelt. Auch die Commerzbank umweht die Stimmung, zum Finanzkrisen-Jubiläum endlich über den Berg zu sein.

Kaum ein Bankenmarkt ist so umkämpft wie der deutsche

Sowohl die Commerzbank als auch die Deutsche Bank haben angekündigt, sich wieder mehr auf ihre Heimat zu konzentrieren. Auf die Idee sind allerdings auch andere gekommen, kaum ein Bankenmarkt ist so umkämpft wie der deutsche. Manchmal klingt es bisweilen, als wolle plötzlich jeder "Mittelstandsbank" sein. Während die beiden deutschen Großbanken jahrelang mit sich selbst beschäftigt waren, verdienten ausländische Institute nach der Krise schneller wieder mehr Geld und nahmen den beiden Marktführern wichtige Kunden und Mitarbeiter ab. Nun, so scheint es, können sich die beiden Institute wieder aufs Geschäft konzentrieren, statt Altlasten aus der Finanzkrise abzuarbeiten.

In dieses Bild fügt sich auch eine weitere Meldung vom Donnerstag: Die Deutsche Bank verkündete, man habe sich im langwierigen Bonus-Streit mit ehemaligen Top-Managern verständigt. Um elf frühere Vorstände an den Milliardenstrafen wenigstens symbolisch zu beteiligen, unter ihnen die Ex-Chefs Josef Ackermann, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, behält die Bank 38,4 Millionen Euro an Boni ein - und verzichtet zugleich auf ohnehin als aussichtslos geltende Regessforderungen. Alle elf Manager lassen sich nun auf Verzichtserklärungen ein. Noch eine Altlast also, mit der die Bank jetzt nichts mehr zu tun hat.

Einige Investoren bleiben dennoch skeptisch. Helmut Hipper, seit 1991 Portfoliomanager bei der Fondsgesellschaft Union Investment, beobachtet die Deutsche Bank seit 17 Jahren. Mit ihrer neuen Strategie, die John Cryan und seine Vorstandskollegen zuletzt im März überarbeitetet hatten, halte die Bank weitgehend an ihrem Geschäftsmodell fest, kritisiert er. "Sie will jetzt das klassische Bankgeschäft stärken und sich mehr auf Deutschland besinnen, steht damit aber noch ganz am Anfang", sagt Hipper. Der Wettbewerb im Bankgeschäft in Deutschland habe sich verschärft: "Es ist sehr schwierig, als Bank in Deutschland genügend Geld zu verdienen." Das Beispiel Cerberus aber zeigt auch: Man will eben unbedingt dabei sein im hart umkämpften deutschen Markt, mit seinen noch immer fast 2000 Banken.

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