Finanzinstitut:Deutsche Bank erwägt weiteren Rückzug von der Wall Street

A New York City Police Officer stands beside a security officer at the entrance of a Deutsche Bank office in New York

Adresse mit Prestige: Eine Filiale der Deutschen Bank in New York.

(Foto: Brendan McDermid/Reuters )

Im Kampf gegen die Krise gibt es bei dem Finanzinstitut keine Denkverbote mehr.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Die Stimmung soll spürbar bedrückt gewesen sein, als Deutsche-Bank-Chef John Cryan vergangene Woche in Washington in die schicke Renwick Gallery geladen hatte. Zwar habe der Brite jeden Gast persönlich begrüßt, berichteten Teilnehmer des Kundenempfangs anlässlich der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds. Dass sich Cryan dann aber um die üblichen Worte zur Buffet-Eröffnung herumgedrückt habe, soll dann doch recht beklemmend gewirkt haben.

Was hätte der Brite auch sagen sollen? Dass er die Verhandlungen mit den US-Behörden um eine Milliardenstrafe bald erfolgreich werde abschließen können? Dass er hoffnungsvoll sei, die Deutsche Bank bald aus ihrer tiefen Krise herauszuführen, in der sie seit Langem steckt?

"Wahrscheinlicher als ein Verkauf etwa der Vermögensverwaltung"

Dabei gibt es in Puncto Krisenbewältigung längst keine Denkverbote mehr in Deutschlands größtem Geldhaus. Angefangen vom Verkauf wichtiger Sparten bis hin zu einer Notkapitalerhöhung oder einem noch weit reichenderen Stellenabbau scheint alles möglich, auch wenn Cryan offiziell noch an seiner Strategie festhält, in erster Linie über umfangreiche Sparprogramme wieder auf die Beine zu kommen.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist inzwischen auch ein weiterer Rückzug aus dem US-Markt im Gespräch. "Das ist inzwischen viel wahrscheinlicher als ein Verkauf etwa der Vermögensverwaltung", sagte ein Insider. Auch im Aufsichtsrat soll über einen solchen Plan bereits gesprochen worden sein. Die Deutsche Bank wollte sich nicht dazu äußern.

Beschlossen scheint bisher noch nichts. Offen ist auch, wie weitreichend so ein Rückzug von der Wall Street ausfallen könnte - ein Terrain, das die Bank erobern will, spätestens seit sie 1999 die US-Investmentbank Bankers Trust übernommen hatte. Mit einem Komplett-Rückzug würde man sich aber auch vom Anspruch verabschieden, eine globale Investmentbank zu sein. Es wäre eine radikale Kehrtwende der bisher auch von Aufsichtsratschef Paul Achleitner propagierten Marschrichtung. Immer wieder hatten Cryan und seine Vorstände daher in jüngster Zeit betont, wie wichtig zumindest eine Präsenz auf dem US-Markt sei, auch um Dax-Unternehmen bei ihren Geschäften jenseits des Atlantiks beraten zu können. In den USA gebe es zwar mehr zu verdienen, schrieb just am Freitag Alasdair Warren, Chef des Investmentbankings der Bank in Europa, in einem Gastbeitrag in der Börsen-Zeitung. Alle großen europäischen Investmentbanken bräuchten daher auch eine Präsenz in den USA. Wegen der "spezifischen Regulierung" sei diese aber für Europäer teurer als für inländische Institute.

Einen Teilrückzug aber könnte die Bank auch in den aktuellen Verhandlungen mit dem US-Justizministerium in die Waagschale werfen, sagt ein Insider. Das Ministerium droht dem Geldhaus mit einer Strafe von 14 Milliarden Dollar für windige Geschäfte aus der Vorfinanzkrise. Diese Strafe versucht Cryan zu drücken.

Immer wieder Ärger mit den US-Aufsehern

So ein Teilrückzug aber hätte noch weitere Vorteile: Zwar würde die Bank, die in den USA gut ein Zehntel ihrer 100 000 Konzernmitarbeiter beschäftigt, einen erheblichen Anteil ihrer Erträge einbüßen, könnte aber auch Eigenkapital sowie Kosten einsparen. Zumindest wenn sie sich von bestimmten Vermögensposten oder auch von Teilen des Beratungsgeschäft trennte, wo sie ohnehin nicht mehr mit den Wall-Street-Häusern konkurrieren kann. Seit Juli bündelt das Geldhaus das US-Geschäft wie vorgeschrieben unter einer eigenen Dachgesellschaft, die mit vergleichsweise viel Eigenkapital und Liquidität ausgestattet ist sowie zahlreiche Berichtspflichten erfüllen muss. "Dies stellt einen Meilenstein für die Strategie 2020 dar und unterstreicht unser Bekenntnis zu einem starken US-Geschäft", hatte Cryan noch anlässlich der Gründung der Gesellschaft gesagt. Dabei hatte sich die Bank in den USA ohnehin schon von Geschäften verabschiedet und ihre Bilanz geschrumpft.

Zuletzt aber hatte sich das Geldhaus auch immer wieder Ärger mit den US-Aufsehern eingehandelt, etwa weil es wichtige Investitionen in die EDV aufgeschoben hatte. Ob die Bank durch einen Rückzug aber auch den hohen Strafen entgehen könnte, mit welchen die USA die globale Bankenbranche seit der Krise überziehen, ist jedoch unwahrscheinlich. Das wäre wohl allenfalls durch einen Komplettrückzug möglich.

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