Deutsche Bank:"That is unser Kerngeschäft"

Konzern-Chef John Cryan galt als Phantom. Nun zeigt er sich der Öffentlichkeit und erklärt, warum die Sanierung viele Jahre dauern wird.

Von Harald Freiberger und Meike Schreiber, Frankfurt

Es gibt ihn also doch, manche hatten ihn ja schon als "Geist" beschrieben oder als "Phantom": John Cryan, seit vier Monaten Chef der Deutschen Bank, betritt den großen Raum im ersten Stock der Zwillingstürme in Frankfurt. Etwas blass sieht er aus, er hat Ringe unter den Augen. Verwundert blickt er in das Rund der vielleicht 50 Fotografen, die sich in Dreierreihen vor ihm aufbauen, die hinteren haben sich auf mitgebrachte Treppchen gestellt. Innerhalb weniger Sekunden werden Tausende Fotos von ihm gemacht. Man muss ihn ja mal im eigenen Archiv haben. Wer weiß, wann man ihn das nächste Mal sieht.

Das also ist der scheue Mann, auf dem der anspruchsvollste Job lastet, der in der deutschen Wirtschaft derzeit zu erledigen ist. Cryan muss die Deutsche Bank aus ihrer existenziellen Krise führen, in die sie während der dreijährigen Regentschaft des Führungsduos Anshu Jain und Jürgen Fitschen geraten ist. Milliardenschwere Strafzahlungen, ein fehlendes Geschäftsmodell, eine zu dünne Kapitaldecke haben die Investoren in Scharen flüchten lassen. Auch als Jain und Fitschen im April ihre "Strategie 2020" verkündeten, hörte der Kursverfall der Aktie nicht auf. Kurz darauf musste Jain gehen, während Fitschen noch ein Jahr als Co-Chef weitermacht.

Vier Monate hatte Cryan Zeit, die Baustellen der Bank zu besichtigen, erste Reparaturen auf den Weg zu bringen und die durchgefallene neue Strategie zu schärfen. An diesem Donnerstag soll sie verkündet werden, das stand schon länger fest. Doch zeigen wollte sich Cryan nicht, ursprünglich war nur eine Telefonkonferenz vorgesehen. Erst nach dem verheerenden Medienecho darauf überlegte er es sich anders und setzte eine Pressekonferenz an.

Der erste Eindruck: Zumindest spricht der Brite Cryan besser Deutsch als sein Vorgänger Jain, der kaum zu verstehen war, wenn er vom Blatt ablas. Auch Cryan liest sein Eingangsstatement ab, einer seiner ersten Sätze lautet: "Wir haben arbeitsintensive Monate hinter uns." Später, als er auf Fragen antwortet, wechselt er ins Englische, streut aber immer wieder deutsche Wörter ein, spricht von "the Aufsichtsrat", "on Wettbewerbsfähigkeit" und sagt: "That is unser Kerngeschäft." Offensichtlich versteht er auch die auf Deutsch gestellten Fragen, er braucht keinen Kopfhörer im Ohr, für den Jain bekannt war.

Noch während der Pressekonferenz am Morgen fällt der Aktienkurs rasant

Cryan argumentiert sachlich und nüchtern, er ist - man hat es schon geahnt - kein Selbstdarsteller. Er lässt seinen Co-Chef Jürgen Fitschen, Finanzchef Marcus Schenck und Privatkundenvorstand Christian Sewing ausführlich zu Wort kommen. Der Ton, in dem sie sich unterhalten, ist kollegial, manchmal lachen sie zusammen.

Vielleicht wäre die Stimmung aber abgesackt, wenn sie mitbekommen hätten, wie sich die Aktie der Bank entwickelte, während sie auf dem Podium saßen: Der Kurs eröffnete im Plus, doch dann ging es minütlich bergab, zum Handelsschluss betrug das Minus 6,88 Prozent. Cryan hatte es nicht geschafft, die Investoren zu überzeugen. Die Aktionäre müssen erstmals in der Nachkriegsgeschichte zwei Jahre lang auf Dividende verzichten. Viele ärgerten sich darüber oder vermissten Details dazu, wo die Bank in Zukunft Gewinne erwirtschaften will. Der Befreiungsschlag, auf den viele gehofft hatten, ist ausgeblieben.

Deutsche Bank new Chief Executive John Cryan arrives for a news conference in Frankfurt

Da steht er also: John Cryan hat arbeitsintensive Monate hinter sich, sagt er auf der Bühne.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Dabei hat sich die Bank durchaus ehrgeizige Ziele gesetzt: 9000 Stellen baut das Institut bis 2018 ab, davon 4000 im Inland. Hinzu kommen weitere 6000 Stellen, die bei externen Dienstleistern wegfallen. Mit dem Verkauf von Beteiligungen wird die Zahl der Mitarbeiter damit um ein Viertel auf 77 000 Vollzeitstellen schrumpfen. Rund 3,8 Milliarden Euro will Cryan auf diese Weise bis 2018 einsparen. Außerdem will er die "schrecklich ineffiziente" Informationstechnologie vereinfachen und die Bank aus zehn Ländern zurückziehen. Auch das Investmentbanking wird stärker eingeschmolzen als bisher bekannt, vor allem der Handel mit Anleihen. Nicht zuletzt müssen sich natürlich auch die Mitarbeiter auf sinkende Boni einstellen.

Monatelang haben die Investoren darauf gewartet, dass Cryan die Strategie mit Leben füllt und sich Ziele setzt. Doch nun reichen sie ihnen offensichtlich nicht aus. Oder sie zweifeln daran, dass die Strategie auch umgesetzt wird - ein Problem, das Cryan schon nach wenigen Tagen im Job erkannt hat: "Die Deutsche Bank hat seit vielen Jahren Strategien formuliert, aber sie hatte ein gravierendes Problem, sie zu konkretisieren." Auch wenn er sich am Ende dazu durchgerungen hat, sich zu zeigen - es gelingt ihm nicht, deutlich zu machen, warum das unter ihm jetzt anders werden soll. Fondsmanager Helmut Hipper von Union Investment sagt, die große Frage sei, ob die Bank nach den Kosteneinsparungen überhaupt noch die Erträge steigern könne.

Unter den hiesigen Privatkunden der Bank werden nun vor allem jene den Umbau spüren, die regelmäßig eine Filiale besuchen müssen. Vor allem in "urbanen Ballungszentren" sollen Niederlassungen zusammengelegt oder geschlossen werden, sagt der für das Privatkundengeschäft zuständige Vorstand Christian Sewing.

Wie geplant soll auch die zum Deutsche-Bank-Konzern gehörende Postbank im kommenden Jahr an die Börse gebracht werden. "In der Fläche wollen wir aber präsent bleiben", meint Sewing. Die Bank reagiert auf den Trend, dass immer mehr Menschen ihre Bankgeschäfte im Internet erledigen. Eine reine Onlinebank nach dem Vorbild einer ING-Diba plant die Deutsche Bank laut Cryan jedoch nicht. Erst vor wenigen Tagen hatte er Digitalvorstand Henry Ritchotte zum Chef einer Einheit namens Digitalbank gemacht. Ritchotte solle sich dabei jedoch um die Digitalisierung der gesamten Bank kümmern.

Das Schlusswort spricht Finanzchef Schenck: "2015 und 2016 sind große Umbaujahre, ab 2017 werden wir wieder eine etwas normalere Bank."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: