Deutsche Bank:Schonungslose Analyse

Betriebsräte der Deutschen Bank sezieren die Lage des Instituts in einem 88 Seiten langen Bericht. Die Arbeitnehmervertreter geben sich erstaunlich zahm.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Von Betriebsräten - so eine landläufige Meinung - sind in erster Linie klassenkämpferische Forderungen zu erwarten: Mehr Gehalt, kürzere Arbeitszeit, bessere Bedingungen am Arbeitsplatz.

Nicht so bei der Deutschen Bank: Dort ist die Lage so ernst, dass sich auch die Arbeitnehmer den Kopf zerbrechen, welche Strategie dem größten deutschen Geldhaus mit seinen knapp 100 000 Mitarbeitern aus der Krise hilft. Im aktuellen Tätigkeitsbericht des Betriebsrats loben die Mitarbeiter die "offenen und deutlichen Worte" von Co-Vorstandschef John Cryan, auch wenn das, was komme "massive Auswirkungen auf die Kollegen hat". Ende Oktober hatte Cryan angekündigt, dass der Konzern 9000 Stellen streicht, davon 4000 im Inland.

Aus Verhandlungstaktik würde manch ein Betriebsrat die Lage nun schönreden. Doch schonungslos sezieren die Arbeitnehmer die Situation: Bis zum Ende des zweiten Quartals sei man noch einigermaßen zufrieden gewesen mit den Erträgen, heißt es in dem 88 Seiten langen Bericht. Inzwischen aber leide die Bank wieder unter den enormen Kosten durch Rechtsstreitigkeiten, den Strafzahlungen, notwendigen IT-Investitionen und ihrer schieren Komplexität: "Die Kosten sind nach wie vor sowohl isoliert betrachtet, wie auch im Vergleich mit den Wettbewerbern, viel zu hoch".

Die Privat- und Firmenkundenbank etwa, in der die Deutsche Bank ihr heimisches Filialgeschäft bündelt, leide nicht nur unter der "problematischen Niedrigzinspolitik der Zentralbank", sondern auch unter der "schlechten Reputation unseres Hauses". Der Geschäftsbereich mit seinen 8,5 Millionen Kunden verliere Bestandskunden, zuletzt fünf Prozent pro Jahr.

Am meisten Sorgen macht den Mitarbeitern der Deutschen Bank aber das Investmentbanking, das dem Institut zwar zeitweise hohe Erträge, bis dato aber auch zwölf Milliarden Euro Strafzahlungen eingebrockt hat und das Cryan nun aufteilen will. Dieses Geschäftsfeld, so schreiben die Betriebsräte, zeichne sich durch höchste Schwankungen aus, habe aber nur wenig Bestandsgeschäft: "Die Kunden müssen immer wieder neu akquiriert werden". Das Investmentbanking, so viel sei klar, müsse bei der strategischen Neuausrichtung daher am stärksten angepasst werden. Mehr noch: Die Bank hat offenbar sehr wohl ein Strategieproblem, auch wenn Cryan das zuletzt zurückwies: Denn viele Geschäfte, zum Beispiel der Rohstoffhandel, "können oder wollen wir nicht mehr machen, viele davon waren aber die Ertragsbringer der Vergangenheit".

Cryan, so viel ist klar, hat die Arbeitnehmervertreter immerhin hinter sich, wenn er sich nun daranmacht, seine Ende Oktober verkündete Schrumpfkur umzusetzen: Nicht nur Personal abbauen will der Brite, der die Bank sei 1. Juli führt, er will auch Kosten senken, Töchter verkaufen, die IT neu aufsetzen und das Kapitalmarktgeschäft verkleinern. Zudem kappt er die Dividende. Schließlich hat er versprochen: "Es geht jetzt nicht mehr um Worte, sondern um Taten."

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