Deutsche-Bank-Prozess:Der Zeuge, der 200 Millionen Euro bekam

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Da waren sie alle, im Gerichtssaal des Landgerichts München I, auf diesem Archivbild von 2015 von vorne nach hinten: Rolf Breuer in der ersten Reihe, Josef Ackermann in der zweiten, ganz hinten Jürgen Fitschen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Dieter Hahn, Vertrauter von Leo Kirch, räumt vor Gericht widerwillig ein, dass er am Streit mit dem Geldhaus prächtig verdient hat.

Von Klaus Ott, München

An dieser Stelle, im Zeugenstand, hat bei früheren Verfahren Leo Kirch gesessen. Nur wenige Meter entfernt von seinem Widersacher Rolf Breuer, dem früheren Chef der Deutschen Bank. Der ihn, Kirch, in die Pleite getrieben haben soll. Doch der Medienmagnat ist vor vier Jahren gestorben, er hat die Weiterungen seines Streits mit dem Geldinstitut nicht mehr erlebt. Jetzt sitzt da Dieter Hahn, einst Vizechef der Kirch-Gruppe, auch er nur ein paar Schritte neben Breuer.

Auch er, der einst engste Vertraute von Kirch, gibt Breuer und der Bank die Schuld am Zusammenbruch des Film- und Fernsehimperiums. Doch so sehr sich Hahn müht, die Deutsche Bank in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen, seine Aussage wird überlagert von einer einzigen Zahl, die der Zeuge nach einigem Hin und Her nennen muss: knapp 200 Millionen Euro. So viel hat der Kirch-Vertraute an dem Streit mit der Deutsche Bank verdient.

Breuer und Hahn, das sind die beiden Hauptfiguren am Dienstag, als das Landgericht München I den Deutsche-Bank-Prozess fortsetzt. Erst widerspricht der Angeklagte Breuer dem Vorwurf, er habe mit den Äußerungen in seinem TV-Interview vom 3. Februar 2002 über die kritische Lage bei Kirch den Medienmagnaten unter Druck setzten wollen. Er habe, beteuert Breuer, "keine Hintergedanken" gehabt. "Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, durch ein Interview einen Kunden der Bank zu schädigen."

Breuer ist zusammen mit seinen Nachfolgern Josef Ackermann und Jürgen Fitschen, einem der beiden heutigen Chefs der Bank, sowie zwei Ex-Vorstandsmitgliedern der Bank angeklagt. Sie sollen versucht haben, mit falschen Angaben beim Oberlandesgericht (OLG) München den Kreditkunden Kirch um Schadensersatzansprüche zu bringen. Das soll versuchter Prozessbetrug gewesen sein, was die Angeklagten zurückweisen.

Dann ist Hahn dran und berichtet wortreich, wie sehr Breuer und die Deutsche Bank mit dem TV-Interview der Kirch-Gruppe geschadet hätten. Das sei die "Wasserscheide" gewesen. Danach sei die Lage der finanziell notleidenden Mediengruppe sehr schnell außer Kontrolle geraten. Mit der Auskunftsfreude des langjährigen Kirch-Vertrauten ist es allerdings vorbei, als er berichten soll, wie stark er persönlich von der Schadensersatzzahlung der Bank an die Erben und Gläubiger des verstorbenen Medienmagnaten profitiert habe. Die Familie Kirch sei ihm gegenüber "sehr großzügig" gewesen, sagt Hahn, und würde es gerne dabei belassen.

Doch die Verteidiger der Banker wollen es ganz genau wissen. Der Vorsitzende Richter Peter Noll schließt sich an. Für die Einschätzung der "Glaubwürdigkeit des Zeugen" sei das wichtig. Hahn könnte ja, im Falle eines sehr hohen Anteils an der Zahlung der Deutschen Bank, "nahe an einer Parteirolle" sein, sagt Noll. Bei der Justiz macht es einen großen Unterschied, ob jemand als Zeuge aussagt. Oder als Partei.

925 Millionen Euro hat die Deutsche Bank im Februar 2014 gezahlt, nach mehr als zehn Jahren Streit erst mit Kirch und dann mit dessen Erben und Gläubigern. Nach Abzug der Kosten sollen die Gläubiger und die Kirch-Seite in etwa Halbe-Halbe gemacht haben. Und von dem, was die Familie Kirch und deren Umfeld kassierte, entfiel wiederum knapp die Hälfte auf Hahn. Der war mal eine große Nummer in der Medienbranche und blieb nach Kirchs Pleite an dessen Seite, kümmerte sich um das verbliebene Geschäft und focht gemeinsam mit dem gescheiterten Magnaten gegen die Deutsche Bank. Hahn hatte immer fest zu Kirch gestanden. Der und seine Familie haben Treue immer belohnt.

"Ich bin beauftragt, vom Bundeskanzler, Ihr Unternehmen zu zerschlagen."

Hahn erzählt dem Gericht, was Kirch von Breuer wenige Tage nach dessen TV-Interview zu hören bekommen habe. "Ich bin beauftragt, vom Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Ihr Unternehmen zu zerschlagen." Das habe Breuer bei einem Treffen am Münchner Flughafen zu Kirch gesagt. Kirch selbst hat das nie erwähnt, auch nicht in einer eidesstattlichen Versicherung über das Flughafen-Treffen.

Kanzler war Gerhard Schröder gewesen. Der SPD-Politiker hatte sich Anfang 2002 mit Breuer sowie den Chefs des Medienkonzerns Bertelsmann (Thomas Middelhoff) und der Mediengruppe WAZ ( Westdeutsche Allgemeine Zeitung) getroffen, beides Gegenspieler von Kirch im Fernsehen. Thema des Kanzlergesprächs war auch die Lage bei Kirch. Der empfand diesen Ablauf - Kanzlertreffen, Breuers TV-Interview, Flughafentermin - später als eine Art Plan, ihn, Kirch, unter Druck zu setzen, damit die Deutsche Bank die Kirch-Gruppe zerschlagen und daran verdienen könne. Doch Richter Noll registriert den angeblichen Kanzler-Auftrag mit einer gewissen Skepsis. Das sei "große Münze", sagt Noll.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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