Deutsche Bank:Nicht mehr kreditwürdig

Deutsche Bank supervisory board chief Achleitner stands between co-CEOs Jain and Fitschen before the bank's annual general meeting in Frankfurt

Aufsichtsratschef Paul Achleitner (re.) stärkte Co-Chef Anshu Jain in der Nacht vor der Hauptversammlung. Aber wie lange kann er ihn noch halten?

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Das gab es noch nie: 39 Prozent der Aktionäre misstrauen den Chefs der Deutschen Bank. Jetzt ist die Frage: Wie sollen Jain und Fitschen in Ruhe ihre beschlossene neue Strategie umsetzen?

Von Harald Freiberger und Meike Schreiber, Frankfurt

Ist es eine Art Schockstarre? Oder ziemt es sich einfach nicht, das Votum der Aktionäre zu kommentieren? In jedem Fall schweigt die Deutsche Bank am Freitag, einen Tag nach der Hauptversammlung, auf der ihr die Anteilseigner ein beispielloses Misstrauensvotum ausgesprochen haben. Dabei drängt sich vor allem eine Frage auf: Wie können die Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen nun mit der nötigen Ruhe ihre gerade beschlossene neue Strategie umsetzen, Kosten sparen, Stellen streichen, Visionen entwickeln? Dass 39 Prozent der Aktionäre dem Vorstand die Entlastung verweigern, hat es in der Geschichte der Deutschen Bank noch nicht gegeben. Normal sind Ablehnungs-Quoten von einem, zwei, höchstens einmal fünf Prozent.

Besonders dramatisch: Es waren nicht ein paar krakeelende Kleinaktionäre, die sich am Management abarbeiteten, wie sonst auf Hauptversammlungen von Dax-Konzernen. Es waren sachlich und kühl analysierende Vertreter von Großinvestoren und Aktionärsberater, die den Kurs in Bausch und Bogen verurteilten. Wenn sich aber die großen Anleger von einem Unternehmen abwenden, fehlt ihm auf Dauer etwas, ohne das es nicht leben kann: Kapital.

"Ein solches Votum ist ein klares Zeichen, dass es so nicht mehr weitergeht."

Formal bleibt das schlechte Ergebnis zwar folgenlos, denn eine Abberufung des Vorstands kann nur der Aufsichtsrat beschließen. Doch es ist ein deutliches Warnsignal an den Aufsichtsrat. "Ein solches Votum ist für ein Dax-Unternehmen und insbesondere für die Deutsche Bank ein klares Zeichen, dass es so nicht mehr weitergeht", sagt Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment. Sein Haus kontrolliert 0,9 Prozent der Aktien an der Bank und verweigerte die Entlastung.

39 Prozent Ablehnungs-Quote - Experten erinnern sich nur an wenige Ausnahmen, in denen es so etwas bei einem Dax-Unternehmen gab (siehe Kasten). "Bei ihnen liegen die Zustimmungsquoten in der Regel nahe 100 Prozent", sagt Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Selbst in großen Krisen von Unternehmen liege die Ablehnung in der Regel bei maximal zehn Prozent.

Die Commerzbank war 2008 pleite und musste mit 18 Milliarden Euro vom Staat gerettet werden. Viele Aktionäre verloren mehr als 90 Prozent ihres Kapitals. Einzelne von ihnen wüteten zwar auf den Hauptversammlungen gegen Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller und Vorstandschef Martin Blessing und beschimpften sie als "Total-Versager". Aber die Großanleger hielten dem Management selbst in den schlimmsten Jahren die Stange. Am niedrigsten war die Quote der Entlastung für den Vorstand 2009 mit 96,5 Prozent.

Dass Jain und Fitschen überhaupt noch entlastet wurden, lag auch daran, dass so wenige Aktionäre anwesend waren. Nur 30 Prozent stimmten beim Tagesordnungspunkt "Entlastung" mit. Ein großer Teil der Zustimmung ging auf das Konto der Fondsgesellschaft Blackrock, die 6,6 Prozent der Aktien hält, und des Scheichs von Katar (5,8 Prozent). Von beiden ist bekannt, das sie das Management stützen.

Ihnen steht ein großes Lager der Unzufriedenen gegenüber. Vor vier Wochen hatte die Bank einen Strategiewechsel bekannt gegeben: Sie verkauft die Postbank und schmilzt das eigene Privatkundengeschäft sowie das Investmentbanking ein. Der Kern des Problems: Der Aktienkurs fiel auch nach Bekanntgabe der neuen Strategie tagelang. Viele Aktionäre hatten sich einen größeren Wurf erhofft, etwa die Abspaltung des gesamten Privatkundengeschäfts. Sie kritisierten die hohen Kosten für Rechtsstreitigkeiten und das Scheitern der erst vor drei Jahren ausgerufenen Strategie.

Eine Woche vor dem Aktionärstreffen hatte sich Jain noch zuversichtlich gezeigt: "Täuschen Sie sich nicht: Die Unterstützung der Investoren für uns ist stark, das werden Sie auf der Hauptversammlung erleben", hatte er in einem Interview gesagt. Davon kann am Tag danach keine Rede mehr sein. Ein Vertrauter Jains gibt es auch offen zu: "Das ist schon ein harter Schlag für alle."

Als eine Art Befreiungsschlag hatte sich die Bankführung noch in der Nacht zum Donnerstag zu einem Vorstandsumbau durchgerungen. So wird Rechtsvorstand Christian Sewing das Privatkundengeschäft von Rainer Neske übernehmen, der das Unternehmen verlässt. Jain ist zudem künftig verantwortlich für die Strategie. Aufsichtsratschef Paul Achleitner stärkte ihm damit noch einmal den Rücken.

Klar ist aber: Eine weitere Chance wird es nicht geben. Weder die beiden Co-Chefs noch der Aufsichtsrat können sich eine erneute Schlappe auf der Hauptversammlung erlauben. "Der Druck ist jetzt immens, Jain wird versuchen, die Kosten mit der Brechstange herunterzuprügeln", sagt ein Investor.

Aktienrechtsexperte Manuel Theisen, Professor für Betriebswirtschaft in München, sagt: "Nach dem schlechten Votum muss der Aufsichtsratschef die Vorstandschefs an die kurze Leine nehmen. Sie müssen den Aufsichtsrat in kurzen Abständen darüber informieren, wie weit sie mit der neuen Strategie sind. Es geht nicht mehr, dass Achleitner sich vertrösten lässt." Es wäre aber auch falsch, jetzt hektisch zu handeln und die beiden Chefs von einem Tag auf den anderen zu entlassen.

Achleitner dürfte sich trotzdem erneut Gedanken über eine Nachfolge machen. Intern gelten der neue Privatkundenvorstand Christian Sewing und der neue Finanzvorstand Markus Schenck als unbelastete Kandidaten. In der Vergangenheit wurde zuweilen auch John Cryan genannt. Der Kapitalmarktprofi, Europa-Chef des Singapurer Staatsfonds Temasek, sitzt im Aufsichtsrat der Deutschen Bank.

Der guten Ordnung halber wird sich Achleitner aber wohl auch außerhalb des Unternehmens umschauen. Schon bisher hatte er nicht geheim gehalten, dass er einen Nachfolgeplan hat - schon allein für den Fall, dass einer der Vorstände von einem Dachziegel getroffen wird.

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