Deutsche Bank:Neue Regeln für das alte Spiel

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Auch einfache Mitarbeiter können in der Deutschen Bank in Frankfurt ins Visier der Justiz geraten. (Foto: dapd)

Steuerhinterziehung und Vernichtung von Beweisstücken: Die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen die Manager der Deutschen Bank, sondern treffen auch viele normale Mitarbeiter. Manche schämen sich inzwischen für ihren Arbeitgeber. Die Konzernspitze will deshalb umso entschlossener den Kulturwandel vorantreiben. Doch schon ereilt die Bank die nächste Hiobsbotschaft.

Andrea Rexer, Frankfurt

Immerhin kann er sich selbst noch auf die Schippe nehmen: Er sei leider etwas heiser, sagte Jürgen Fitschen bei einer Veranstaltung in Essen, aber er habe wohl in den vergangenen Tagen etwas zu viel telefoniert. Damit hatte der Chef der Deutschen Bank die Lacher auf seiner Seite. Denn sein Anruf beim hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier hat ihm viel Ärger eingebracht. Fitschen soll sich dabei über das harte Vorgehen der hessischen Generalstaatsanwaltschaft beschwert haben. Die hatte vergangene Woche 500 Beamte geschickt, um mehrere Standorte der Bank nach belastendem Material in der Umsatzsteuer-Affäre zu durchsuchen. Fitschen glaube wohl, über dem Gesetz zu stehen, schallte ihm entgegen, als der Anruf publik wurde. In der Zwischenzeit hat Fitschen den Griff zum Telefonhörer bedauert und versucht, damit die Wogen außerhalb der Bank zu glätten.

Aber auch intern ist die Unruhe noch immer groß. Was die Mitarbeiter schockiert, ist die Tiefenwirkung, die von der jüngsten Affäre ausgeht. Bei den anderen Skandalen - wie etwa bei dem Vorwurf, den Interbankenzinssatz Libor manipuliert zu haben - war es für die Angestellten in Deutschland einfacher, die Verantwortung abzuschieben: Schuld waren die Investmentbanker in London und den USA. Doch dieser Reflex funktioniert in diesem Fall nicht.

Diesmal sind Mitarbeiter beschuldigt, die in den verschiedensten Bereichen gearbeitet haben: In der IT, in der Sicherheit, in der Rechtsabteilung. "Ich verstehe nicht, dass da immer von Managern die Rede ist. Ich kenne einen von denen - das war ein ganz kleiner Mitarbeiter, einer wie ich. Der hat gar nichts gemanagt, sondern seine ganz normale Arbeit gemacht", sagt ein Kollege aus dem gleichen Geschäftsbereich. Und das ist es, was ihnen Angst macht. Poppt bald der nächste Fall auf, bei dem sie selbst in die Fänge der Justiz kommen - weil sie gemacht haben, was von ihnen erwartet wurde? Denn dass die hessische Generalstaatsanwaltschaft der Bank schwere Steuerhinterziehung und Vernichtung von Beweisstücken vorwirft, ist nur die Spitze des Eisbergs - die Bank steht in einer Vielzahl von Konflikten vor Gericht.

Ambivalente Stimmung

"Langsam frage ich mich, ob ich mich schämen muss, für das Haus zu arbeiten", sagt ein hochrangiger Mitarbeiter. Er ist nicht der einzige, der sich diese Frage stellt. Ständig ist das Geldhaus in den Schlagzeilen, eine Affäre jagt die nächste. Auf Partys wage man kaum mehr zuzugeben, dass man Banker sei - und dann auch noch ausgerechnet bei der Deutschen.

Aber die Razzia hat auch eine andere Wirkung, beobachten Betriebsräte. Viele Mitarbeiter glauben, dass die Razzia überzogen war. "Da schließen sich die Reihen", heißt es aus dem Arbeitnehmerlager. "Und trotzdem will inzwischen niemand mehr so recht die Hand für die Chefs ins Feuer legen", wird die ambivalente Stimmung beschrieben. Man wisse ja nicht, was damals wirklich gelaufen sei - diesen Satz höre man auf den Gängen immer öfter.

Auch in den Filialen werden die Berater auf die Razzia angesprochen. Inzwischen hat die Bank sogar zehn Fragen und Antworten zum Thema zusammengestellt. Das soll den Beratern helfen, auf die Kunden zu reagieren. "Die Berater bekommen solche Skandale immer direkt zu spüren. Immerhin berichten viele aus den Filialen, dass die Reaktion der Kunden dieses Mal gar nicht so heftig ist. Die Kunden wissen inzwischen vermutlich einfach, dass ihr Berater nichts dafür kann. Manche versuchen sogar, ihnen den Rücken zu stärken", berichtet ein Betriebsrat, der mit vielen Filialmitarbeitern gesprochen hat.

Die beiden Chefs der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen und Anshu Jain, wissen, dass sie gegensteuern müssen. Er sei jetzt noch entschlossener als je zuvor, den Kulturwandel voranzutreiben, rief Fitschen rund 3000 Mitarbeitern vom Treppenabsatz im Foyer der Bank am vergangenen Freitagnachmittag zu.

Den Kulturwandel hat sich die Doppelspitze der Bank von Anfang an auf die Fahnen geschrieben. In der Vorstandsetage arbeite man in diesen Tagen auf Hochtouren daran, wie der Prozess zu beschleunigen sei. Schon im Januar könnten die ersten Ergebnisse der externen Expertenkommission unter Federführung des früheren BASF-Chefs Jürgen Hambrecht veröffentlicht werden, die sich mit dem Vergütungssystem in der Bank beschäftigt haben. Denn die neuen Spielregeln sollen bereits für die Boni des Jahres 2012 gelten.

"Wenn man Kulturwandel ernst meint, braucht man etwas Zeit", heißt es im Umfeld der Bank. Denn Kulturwandel habe viel mit Köpfen zu tun. Einige hat die Bank bereits ausgetauscht. Wer künftig in eine Führungsposition gehoben werden will, der darf künftig nicht mehr nur mit bloßen Zahlen kommen. Der Umgang mit den Mitarbeitern soll bei Beförderungen ein stärkeres Gewicht erhalten. Wer schnelles Geld verdienen will, soll bei der Deutschen Bank nicht mehr an der richtigen Adresse sein - das sagten Anshu Jain und Jürgen Fitschen bei der Ankündigung ihrer Strategie im August.

Ehrgeiziges Ziel der neuen Doppelspitze

Doch bei allen Bekenntnissen zum Wandel, ist eines geblieben: Das gnadenlose Streben nach Bestleistungen. Der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hat sich an dem Ziel 25 Prozent Eigenkapitalrendite vor Steuern messen lassen, das Ziel der neuen Doppelspitze -12 Prozent nach Steuern - ist kaum weniger ehrgeizig. Denn umgerechnet kommt man auch hier auf einen Wert, der nur knapp unter Ackermanns Latte liegt. Seitdem die beiden neuen Chefs an Bord sind, arbeiten die Mitarbeiter nicht weniger als vorher. "Viele wollen sich bei den Neuen profilieren. Wir machen noch mehr Überstunden als früher", sagt ein Mitarbeiter aus einer zentralen Abteilung. Anshu Jain ist dafür berüchtigt, dass er bei Mitarbeitern ganz tief bohren kann, wenn er glaubt, dass etwas nicht richtig läuft. Dann stellt er eine Frage nach der anderen. Dass die Mitarbeiter da ins Schwitzen kommen, ist keine Seltenheit. Und vermutlich wird er an so mancher Stelle auch noch tiefer bohren müssen als bisher, wenn er es mit dem Kulturwandel ernst meint.

Unterdessen ereilte die Bank an diesem Dienstag erneut eine Hiobsbotschaft im Zusammenhang mit dem Dauerstreit mit den Kirch-Erben: Das Landgericht Frankfurt kassierte die Beschlüsse der Hauptversammlung 2012 - und damit auch die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden Paul Achleitner. Seitdem der Kirch-Konflikt begonnen hat, wird die Bank mit einer Vielzahl von Klagen bei diversen Hauptversammlungen überzogen. Doch da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, gibt es bisher keine Konsequenzen. Ein Glück für die Bank - denn schließlich steht auch Achleitner für eine kulturelle Erneuerung an der Spitze. Für einen neuen Machtkampf hätte die Bank jetzt wohl keine Kraft mehr.

© SZ vom 19.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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