Deutsche Bank:John Cryan muss um Chefposten bei der Deutschen Bank bangen

John Cryan ist Chef der Deutschen Bank

John Cryan wurde als Sanierer geholt, doch manche Probleme bekommt er nicht in den Griff.

(Foto: Michael Probst/AP)
  • Das Institut hat das Jahr mit einer Verlustwarnung begonnen, der Vorstandschef steht in der Kritik.
  • Besonders problematisch ist es um die Handelserträge und die IT des Hauses bestellt.
  • Entscheidend für Cryans Zukunft werden die Entwicklungen im ersten Quartal 2018.

Von Andrea Rexer und Meike Schreiber

Die meisten Vorstandschefs genießen das Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos. Ende Januar treffen sich dort jedes Jahr Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler und Politiker, um über die Probleme der Welt zu reden. Die verschneiten Straßen des Alpendorfs sind gesäumt von Kameras; Journalisten aus der ganzen Welt berichten. Eine ideale Bühne, um sich als staatstragender Unternehmenslenker zu positionieren.

Für John Cryan jedoch, den Vorstandschef der Deutschen Bank, könnten diese Januartage unangenehm werden.

Denn in Davos kommen auch die mächtigsten Investoren der Bank zusammen. Cryan musste gerade bekannt geben, dass sein Institut zum dritten Mal in Folge einen Jahresverlust ausweisen wird. Die Gespräche, die er dort in Hotelzimmern führen wird, werden sich wohl darum drehen, wie er das ganz konkrete Problem der Deutschen Bank lösen will. Und: ob er überhaupt noch der richtige für den Job ist. Ob er also bereits vor 2020 abtreten muss, wenn sein Vertrag ausläuft.

"Es ist genau das Szenario, vor dem sich alle gefürchtet haben", sagt der Vertreter eines großen Anteilseigners, "Die Führungsdebatte wird wieder losgehen. Wenn ein Chef drei Mal einen Verlust vorlegt, ist das fast unausweichlich." Auch aus dem Aufsichtsrat gibt es Kritik: "Wir sind viel zu zurückhaltend, was harte Entscheidungen anbelangt", heißt es aus dem Gremium.

Der Unmut ist überall zu spüren, auch wenn sich nur wenige namentlich zitieren lassen wollen. "Was uns alle umtreibt, ist das Schwächeln im operativen Geschäft", sagt Aktionärsvertreter Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Niemand zweifelt daran, dass Cryan ein guter Sanierer ist. Aber jetzt braucht die Bank eine Vision, wie sie in den nächsten drei bis fünf Jahren Geld verdienen will", sagt er. Eine sofortige Ablöse von Cryan fordert er nicht, aber die beiden stellvertretenden Vorstandschefs Christian Sewing (Privatkundenvorstand) und Marcus Schenck (verantwortlich für das Investmentbanking) müssten sich warm laufen. Auch ein Konzerninsider sagt: Das erste Quartal 2018 müsse dringend besser werden, sonst werde es eng.

Bei der Modernisierung der IT gibt es Probleme

Das Problem: Seit Cryan im Sommer 2015 angetreten ist, hat er zwar einiges erreicht, die großen Rechtsfälle abgearbeitet, das Kapital gestärkt, Stellen abgebaut und die Integration der Postbank sowie den Teilbörsengang der Vermögensverwaltung auf den Weg gebracht. Der Bank droht damit keine unmittelbare Schieflage mehr, wie es im Herbst 2016 den Anschein machte. Allein: Vor allem im enorm wichtigen Handelsgeschäft brechen die Erträge schneller weg, als die Kosten sinken. Das liegt nicht nur an der Flaute im Handel, sondern auch daran, dass viele Kunden zur Konkurrenz gewechselt sind. Mit anderen Worten: Das Geldhaus ist in einem Geschäftsmodell gefangen, das nicht greift.

Es ist daher noch nicht einmal das größte Problem, dass die Bank im vierten Quartal wegen der US-Steuerreform etwa 1,5 Milliarden Euro abschreiben muss und daher 2017 leicht ins Minus rutscht. Schlimmer ist, dass die Handelserträge (mit Anleihen, Währungen und Aktien) im Schlussquartal wahrscheinlich um etwa 22 Prozent geringer ausgefallen sind als im Vorjahr. Das Einzige, was die Aussichten verbessern könnte, wäre ein Boom im Anleihehandel. Der ist jedoch nicht absehbar. "Cryan hat es versäumt, einen echten Anleihe-Experten in die oberste Führungsmannschaft zu holen", heißt es vom Vertreter eines weiteren Großaktionärs. Außerdem sei er mit der Modernisierung der IT, einer der großen Schwachstellen der Bank, nicht so weit gekommen, wie er zu Beginn seiner Amtszeit versprochen habe.

Kann ein neuer Chef die Wende bringen?

Anders als in früheren Jahren hat es die Deutsche Bank nun mit mehreren großen und dadurch mächtigen Anteilseignern zu tun. Im Frühjahr stieg der chinesische Mischkonzern HNA mit einer Beteiligung von knapp zehn Prozent zum größten Anteilseigner der Bank auf. Im November 2017 kaufte sich auch noch der US-Fonds Cerberus mit mindestens drei Prozent ein. Allen voran Cerberus ist nicht bekannt dafür, die Dinge einfach laufen zu lassen. Im Dezember wurde Cerberus-Chef Stephen Feinberg dem Vernehmen nach sogar persönlich im Kanzleramt, Finanzministerium und bei den Aufsichtsbehörden vorstellig. Feinberg habe dort zwar gesagt, er strebe vorerst keine Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank an. Der Fonds ist seit Sommer auch an der Commerzbank beteiligt. Beide Geldhäuser müssten aber deutlich effizienter werden, sie seien noch zu komplex aufgestellt. Ihre Ziele seien zu wenig ambitioniert. Das Handelsblatt hatte am Montag zuerst darüber berichtet.

Bleibt die Frage, ob ein neuer Chef die Wende brächte. Einer von außen müsste sich erst einmal ein Jahr Zeit nehmen, um den Konzern zu verstehen. Und Schenck und Sewing? "Die sind Stand jetzt auch nicht wirklich das Dreamteam", heißt es bei einem der Anteilseigner. Beide müssten erst einmal beweisen, dass sie ihre Sparten sanieren könnten.

Als Cryan vor zwei Jahren das erste Mal als Chef der Deutschen Bank in Davos auftrat, da ließ er en passant eine kleine Bombe platzen, als er verkündete, in zehn Jahren werde es wahrscheinlich kein Bargeld mehr geben. Will er dieses Jahr von der Führungsdebatte ablenken, wird er wohl noch einen drauflegen müssen.

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