Deutsche Bank:In eisiger Mission

Deutsche Bank Hauptversammlung

Drei für die Deutsche Bank: Die Co-Chefs Jürgen Fitschen (re.) und Anshu Jain (li.), in ihrer Mitte Chefaufseher Paul Achleitner.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Skandale, Kritik der Investoren, irritierende Aussagen des Aufsichtsratsvorsitzenden. Die Chefs der Deutschen Bank haben zu kämpfen, nun trommeln sie für sich. Einen Rücktritt schließen sie aus.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

Die Festhalle zu Frankfurt am Main hat schon einiges erlebt, wenn die Deutsche Bank im Mai zu ihrer Hauptversammlung rief. Es gab immer was zu sehen, zu hören, sogar zu riechen. Kritische Aktionäre, die gegen die Finanzierung von Rüstungsgeschäften und Agrarspekulationen demonstrierten, fuhren im Panzer aus Pappmasché vor, sie störten die Reden mit Zwischenrufen, und einmal kippten sie auch Gülle vor die Tür.

Die Aufsichtsräte und Vorstände der Deutschen Bank sind also einiges gewohnt, doch was sie an diesem Donnerstag in der Festhalle erwartet, kennen sie wohl noch nicht. Ihnen wird nicht nur die Kritik einzelner Aktionärsgruppen entgegenschlagen, sondern breites Misstrauen der Investoren. Einflussreiche Aktionärsvereinigungen haben angekündigt, dass sie dem Vorstand und zum Teil auch dem Aufsichtsrat die Entlastung versagen werden.

Die Nervosität in der Bankzentrale, den gläsernen Zwillingstürmen, nur etwa einen Kilometer von der Festhalle entfernt, ist groß - auch wenn aus dem Umfeld der Bank die Parole ausgegeben wird, es herrsche "kein Aufruhr". Die Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen haben viele Einzelgespräche mit Investoren geführt, um für sich und die neue Strategie zu werben, die sie vor drei Wochen ausriefen. Oder, wie es ein großer Aktionär ausdrückt, "um die Kuh vom Eis zu bekommen".

Wie stark angeschlagen sind Jain und Fitschen? Den Eindruck von Führungsschwäche oder Zwist wollen die beiden in jedem Fall vermeiden. Und einen Rücktritt schließen sie aus, sagten sie der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Das Beste, was ich tun kann, ist, die Probleme der Bank zu lösen, sie neu aufzustellen und ihre Leistung zu optimieren", meinte Jain und fügte kämpferisch an: "Diese Mission ist noch nicht zu Ende." Es ist ungewöhnlich, dass Vorstandschefs eines Konzerns kurz vor einer Hauptversammlung für sich persönlich trommeln müssen. Offensichtlich ist die Sorge groß, dass von den Investoren Gegenwind kommt.

Es gehe um die Zukunft der Bank, nicht um die von Individuen, sagte Chefaufseher Achleitner

In der vergangenen Woche erst hatte sich Aufsichtsratschef Paul Achleitner zu Wort gemeldet - an US-Investoren via Wall Street Journal, an die deutsche Öffentlichkeit via Wirtschaftswoche. Irritierend fanden Beobachter vor allem eine Aussage: Auf die Frage, ob Jain und Fitschen unersetzbar seien, sagte Achleitner: "Wer ist das schon? Es geht um die Zukunft der Institution Deutsche Bank, nicht um die von Individuen." Mancher interpretierte das bereits als fehlenden Vertrauensbeweis des Oberaufsehers für das Führungsduo. Offensichtlich will er sich eine Hintertür offenhalten für den Fall, dass beide nicht mehr zu halten sind. Im Umfeld der Bank will man das nicht so sehen. Achleitner beteilige sich grundsätzlich nicht an Personalspekulationen, außerdem habe der Aufsichtsrat die neue Strategie einstimmig gebilligt; einen größeren Vertrauensbeweis gebe es nicht.

Trotzdem: Harmonie sieht anders aus, zudem sowohl Jain als auch Fitschen mit eigenen Problemen zu kämpfen haben. Jain steht als ehemaliger Chef des Investmentbankings besonders in der Kritik. Das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter führte zu Milliarden-Strafzahlungen. Die Skandale werden auf der Hauptversammlung zum Thema. Sie könnten dazu führen, "dass das Management nicht die übliche gewaltige Zustimmung erhält", sagt Jain. "Ich bin aber zuversichtlich, dass wir die Mehrheit der Aktionäre hinter uns haben."

Fitschen, der zur Zeit in München vor Gericht steht, gesteht ein, dass die Leistung der Bank derzeit überdeckt werde von "negativen Nachrichten, den Überschriften über frühere Rechtsverstöße und unangebrachtes Verhalten Einzelner". Dies konterkariere den Anspruch, eine führende globale Bank zu sein. "Da haben wir noch einiges zu tun. Vertrauen gewinnen wir nur zurück durch die Integrität unserer Mitarbeiter." Auch Fitschen sieht keinen Grund für einen Rücktritt. Ihn will die US-Aktionärsberatung ISS nicht entlasten, weil gegen ihn ein Verfahren wegen möglicher Falschaussage im Kirch-Prozess läuft. "Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit bekomme, mich den Fragen des Gerichts zu stellen und darlegen zu können, warum die gegen mich vorgebrachten Anschuldigungen unbegründet sind", sagt Fitschen.

Fitschen und Jain werben noch einmal gemeinsam für ihre Strategie 2020, die den Verkauf der Postbank und das Einschmelzen des Privatkundengeschäfts sowie des Investmentbankings vorsieht. Hintergrund sind die geringen Gewinne, eine dünne Kapitaldecke und ein enttäuschender Aktienkurs. Bei den Investoren mehren sich Zweifel, ob die neue Strategie reicht. Der Aktienkurs fiel seit der Verkündung weiter.

"Die gegen mich vorgebrachten Anschuldigungen sind unbegründet", meinte Fitschen

Vor einer Woche war bekannt geworden, dass die Aktionärsberatung ISS ihren Kunden empfiehlt, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten. Hinter ihr stehen Investoren, die mindestens zehn Prozent des Aktienkapitals der Deutschen Bank vertreten. Auch die deutsche Stimmrechtsberatung Ivox rät von einer Entlastung ab, "da das Unternehmen immer wieder in Klagen und Skandalfälle verwickelt ist". Außerdem sei die vor drei Jahren ausgerufene Strategie "nicht ausreichend von Erfolg gekrönt gewesen", was die Frage aufwerfe, ob das Management in der Lage sei, das Unternehmen adäquat zu führen.

Abberufen werden kann der Vorstand nur durch den Aufsichtsrat. Wie hoch das Misstrauen sein müsste, damit sich das Gremium unter Achleitners Vorsitz zum Handeln gezwungen sieht, ist offen. Das Treffen in der Festhalle wird es zeigen.

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