Deutsche Bank im Kulturwandel:Legal heißt nicht legitim

Die Deutsche-Bank-Chefs haben sich den Kulturwandel auf die Fahne geschrieben. Eine Obergrenze für Boni oder eine Abkehr von riskanten Geschäften sind trotzdem nicht Teil der neuen Strategie. Stattdessen soll jeder Mitarbeiter künftig selbst entscheiden, ob ein Geschäft legitim ist oder nicht - und notfalls auch auf die eigene Rendite verzichten.

Andrea Rexer

Eine Revolution sieht anders aus. Auf den ersten Blick ist enttäuschend, was die neuen Chefs der Deutschen Bank zum Thema Kulturwandel vorgelegt haben. Erwartet wurde, dass die Deutsche Bank die Boni empfindlich kappt und damit Lohnexzessen ein Ende bereitet. Doch im Strategieentwurf von Anshu Jain und Jürgen Fitschen gibt es keine Obergrenzen für Boni, sie koppeln die Zahlungen nicht einmal an den Unternehmensgewinn. Und es gibt auch keinen Abschied von manch umstrittenen Geschäften - wie etwa der Spekulation mit Agrarrohstoffen.

Und dennoch lässt ihr Auftritt hoffen, dass der Kulturwandel schon sehr viel weiter fortgeschritten ist, als es zunächst den Anschein hat.

Es sind leise, vorsichtige Töne, die Jain und Fitschen anschlagen. Früher war es gang und gäbe, dass Vorstandschefs ein Ziel für den Aktienkurs ausrufen. Darauf verzichten die neuen Deutsche-Bank-Chefs. Stattdessen ist von Jain der fast kleinlaute Satz zu hören, dass die Bank den Kurs nicht kontrollieren könne. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Banker als Herren der Welt gerierten. Das spiegelt sich auch in anderen Ambitionen: Die Bank hat ihr Renditeziel deutlich heruntergeschraubt. Und den notwendigen Stellenabbau will das Management erst einmal mit dem Betriebsrat absprechen. Ja, die Banker gehen sogar so weit, ihren eigenen Slogan infrage zu stellen: Bislang warb die Bank mit dem Spruch "Leistung aus Leidenschaft". Es ist die Verkürzung auf die Leistung, die Vorstandschef Fitschen nicht mehr recht gefallen mag.

Riskante Strategie

Dass sich am Außenauftritt der Bank etwas ändern muss, hatte schon der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann verstanden. "Kein Geschäft der Welt ist es wert, den guten Ruf der Bank aufs Spiel zu setzen", wiederholte er gebetsmühlenartig. Dass Ackermann den Satz immer wieder vorbringen musste, weil die Bank immer wieder aufs Neue in Skandale verwickelt war, schürte Misstrauen.

Nicht zuletzt deshalb haben sich die neuen Chefs den Kulturwandel auf die Fahnen geschrieben. Jürgen Fitschen hat Ackermanns wohlbekannten Satz jetzt abgewandelt: "Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim." Der Unterschied ist mehr als eine Nuance in der Formulierung: Während Ackermann vom Geschäftserfolg der Bank ausging, orientiert sich Fitschen an der Gesellschaft. Nun wird die neue Führung zeigen müssen, dass sie den Satz verinnerlicht hat; dass sie ihn im laufenden Geschäft tatsächlich umsetzt, statt ihn nur ständig zu wiederholen. Und sie wird ihn so tief verankern müssen, dass er nicht sofort über Bord geworfen wird, sobald die Branche die Krise hinter sich gelassen hat.

Jain und Fitschen haben dabei eine Strategie eingeschlagen die nicht frei von Risiko ist: Sie haben sich dazu entschieden, ihren Mitarbeitern nicht vorzuschreiben, welche Geschäfte legitim sind und welche nicht. Sie wollen, dass jeder Mitarbeiter selbst entscheidet, wann ein Geschäft der Bank oder dem Kunden schaden könnte. Das birgt auch für sie persönlich Gefahren: Denn übertritt ein Banker doch die imaginäre rote Linie, so fällt der Schaden direkt auf die Vorstände zurück. Sie können sich dann nicht hinter der Ausrede verstecken, dass ein Einzelner die Regeln verletzt hat.

Mit dieser Vorgehensweise fordern Jain und Fitschen jedem einzelnen Angestellten einen Wandel ab - und nicht nur dem Management. Sie signalisieren damit, dass sie keine Mitarbeiter mehr wollen, die bis an die Grenzen der Legalität gehen. Vielmehr sind Mitarbeiter gefragt, die eigenständig dafür eintreten, nur noch gesellschaftlich akzeptierte Geschäfte zu machen - und notfalls auf Rendite zu verzichten. Wenn Jain und Fitschen das gelingt, ist der innere Kulturwandel viel profunder, als es nach außen sichtbar ist.

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