Deutsche Bank:Geister der Vergangenheit

Die Aktionäre wählen Aufsichtsratschef Paul Achleitner mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit. Trotzdem sparen sie nicht an Kritik an dem 60-jährigen Österreicher

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Sie gehen aufeinander zu, bis sie Schulter an Schulter auf der Bühne stehen. John Cryan und Paul Achleitner, Chef und Chefkontrolleur, der eine bleibt noch eine Weile an der Spitze des Vorstands, der andere stellt sich heute zur Wiederwahl. Cryan lächelt stoisch in die Kameras, Achleitner scherzt mit den Fotografen. Posiert, dreht sich nach links, dreht sich nach rechts. "Ist es so recht, oder lieber so?", fragt der 60-jährige Österreicher. Im Saal, zweite Reihe, sitzt seine Frau Ann-Kristin. Wie immer tut Achleitner charmant und nahbar. Doch hinter der runden Brille zucken die dunklen Augenbrauen.

Tatsächlich gibt es wenig Grund, entspannt zu sein, selbst nicht, als der Aufsichtsratschef in seiner Rede für sich wirbt. "Wir haben Altlasten beseitigt und die Vergangenheit aufgearbeitet", ruft Achleitner vom Rednerpult in den Saal. Vorstandschef Cryan betont anschließend die Fortschritte im Kerngeschäft, lobt neue Handy-Apps, die Mitarbeiter, verweist auf die lange Tradition der größten Bank Deutschlands. "Auf zahlreichen Feldern läuft das Geschäft vielversprechend", sagt der Brite. "Wir gehen davon aus, dass wir das Schlimmste hinter uns haben."

Die neuen Großaktionäre aus China und Katar haben jetzt das Sagen bei der Bank

Das Schlimmste hinter sich zu lassen, darauf hoffen sie schon lange in der Bank. Endlich den letzten Euro für Strafen und Vergleiche bezahlen. Endlich nur noch in eine Richtung schauen: nach vorn, in eine Zukunft, in der die Bank mit sauberen Geschäften stabile Gewinne macht.

Das Geldhaus mag sich erholt haben von zwei Nahtoderfahrungen im vergangenen Jahr. Der Aktienkurs war erstmals in der Geschichte unter zehn Euro gefallen; Milliarden an Anlegergeldern flossen ab. Im April hat die Bank das Kapital um acht Milliarden Euro gestärkt, die Postbank schlüpft zurück unter das Dach der Konzernmutter. Die gefährlichsten Rechtsfälle scheinen abgearbeitet. Auch der Aktienkurs hat sich erholt. Vor wenigen Wochen bekam die Bank einen neuen Großaktionär aus China: Der Mischkonzern HNA aus der Provinz Hainan hält knapp zehn Prozent an der Bank und ist jetzt vor den Scheichs aus Katar größter Einzelaktionär.

Activists from the anti-globalisation organisation ATTAC demonstrate prior to the annual Deutsche Bank general meeting in Frankfurt

Stammgäste vor dem Eingang zur Hauptversammlung: Kostümierte Globalisierungsgegner von Attac werfen der Deutschen Bank vor, Konzernen und Vermögenden bei der Steuervermeidung zu helfen.

(Foto: RALPH ORLOWSKI/REUTERS)

Aber viele der etwa 3600 Aktionäre im Saal sind noch immer unzufrieden, sie haben den Glauben an die Bank verloren. Viele sind skeptisch, weil sie nicht wissen, was der neue Großaktionär aus China vorhat. Weil sie bezweifeln, dass der Österreicher Alexander Schütz, der für die Chinesen ins Kontrollgremium einzieht, auch die Interessen aller Aktionäre vertritt. Gleich zu Beginn beantragt der Aktionär Michael Bohndorf - ein notorischer Kritiker der Bank, der stets braun gebrannt einfliegt - die Abwahl Achleitners als Versammlungsleiter: Dieser habe Pflichten verletzt, die Altlasten nicht aufgearbeitet. Derlei gehört zur Folklore von Hauptversammlungen der Bank. Achleitner aber, der sich als Aufräumer inszenieren will, ist erstmals damit konfrontiert. Der Antrag wird abgeschmettert.

Aber ein angenehmer Start sieht anders aus. Auch die großen Fondsgesellschaften üben Kritik, wenn auch weniger scharf als früher. Die neue Strategie sei an manchen Stellen "mit heißer Nadel gestrickt und beruht auf allzu optimistischen Annahmen", bemängelt Ingo Speich von Union Investment. Man sei daher nicht bereit, dem Management einen Blankoscheck für eine erneute große Kapitalerhöhung auszustellen: "Eine zusätzliche Verwässerung für die Altaktionäre in dieser Größenordnung ist nicht hinnehmbar", sagt er.

Andreas Thomae von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka hält das veränderte Geschäftsmodell "prinzipiell" für richtig. "Aber hätte das nicht schon viel früher geschehen müssen? Wer oder was hat Sie davon abgehalten? Und: Wo ist das eigentlich Neue an der Strategie?", fragt er. Anders als Union Investment unterstützt die Deka den Antrag einer Aktionärin, die Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat bei der Aufarbeitung der Manipulationen wichtiger Zinssätze zu untersuchen. Die britische Finanzaufsicht erhöhte ihre Strafe im Jahr 2015 um 100 Millionen Euro, weil die Bank bei der Aufklärung des Skandals nicht gut genug mitgeholfen hatte.

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SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Der Antrag, den auch mächtige Stimmrechtsberater unterstützten, hat es in sich. Er zielt direkt auf die Verantwortung von Achleitner. Entsprechend wehrt sich der Aufsichtsratschef, zählt ein gutes Dutzend Kanzleien, Berater und Prüfer auf, die den Fall untersucht hätten. "Mir ist keinerlei Pflichtverletzung anzulasten", ruft er in den Saal. "Wenn das nicht so wäre, hätte ich mich nicht mehr zur Wahl gestellt. Ich hoffe, das ist ziemlich klar."

Es war von vornherein unwahrscheinlich, dass der Antrag die nötige Mehrheit erzielt: Mit 74 Prozent der Stimmen wird er am Abend abgelehnt. In diesem Jahr bestimmen weder die Fondsgesellschaften Deka oder Union und schon gar nicht die Privatanleger das Ergebnis. Es sind die neuen Aktionäre aus China und Katar, die knapp die Hälfe der Stimmrechte vertreten. Ihnen hat sich die Bank verschrieben.

Auch Achleitner wird wie erwartet gewählt - mit 93 Prozent der Stimmen, kein Traumergebnis, aber auch kein Denkzettel. Als er den Posten 2012 übernahm, hatte er noch 98 Prozent der Stimmen bekommen.

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