Deutsche Bank:Frankfurter Dreigestirn

Ob der Strategiewechsel gelingt, hängt nicht nur an Vorstandschef John Cryan. Es kommt auch auf seine neuen Vorstandskollegen an. Ein möglicher Machtkampf würde den Erfolg gefährden.

Von Meike Schreiber

Jetzt bloß nicht dem üblichen Managerreflex erliegen; jetzt bloß keinen öffentlichen Konkurrenzkampf lostreten: Am Samstagabend jedenfalls stießen Marcus Schenck und Christian Sewing erst einmal in einer Frankfurter Kneipe auf ihre Beförderung an. Am Sonntag beschloss der Aufsichtsrat dann offiziell, was lange geheim gehalten wurde: nicht nur eine neue Marschrichtung für die Deutsche Bank, sondern auch zwei Personalien. Schenck, bis dato Finanzchef, und Sewing, verantwortlich für die Privatkunden, können jeweils einen neuen Titel auf ihre Visitenkarten drucken, den des stellvertretenden Vorstandschefs der Deutschen Bank.

Damit so scheint es, ist das Rennen um die Nachfolge von Deutsche-Bank-Chef John Cryan eröffnet. Der Vertrag des 56-jährigen Briten läuft im Jahr 2020 aus. Sind Schenck und Sewing nun also die Kronprinzen? Und wenn ja, machen sie sich jetzt gegenseitig das Leben schwer?

Die Großinvestoren sind ungeduldig, sie fordern Reformen

In der Bank tut man alles, dem Eindruck zu widersprechen, die beiden Manager würden sich nun bekriegen. Dass beide gute Chancen auf die Nachfolge von Cryan haben, das freilich wird nicht gerade dementiert. Der Brite habe die Entscheidung indes selber gefällt. "Die Bank ist zu groß, um von einem allein angeführt zu werden", sagt Cryan am Sonntagnachmittag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Was wiederum nicht bedeute, dass er jetzt hinschmeiße. "Das, was wir jetzt vorhaben, dazu stehe ich zu 150 Prozent."

The headquarters of Germany's Deutsche Bank are photographed early evening in Frankfurt before the bank's logo is illuminated

Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt: Erstmals seit Anfang Mai notierte die Aktie am Montag kurze Zeit wieder über sieben Euro. Die Aktionäre finden den angedachten Stellenabbau gut.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

In der Tat: Die Bank hat nun einiges vor. Die Strategie, die Cryan zu seinem Amtsantritt vor zwei Jahren von seinen Vorgängern übernommen hatte, griff nicht. Vergeblich hat man versucht, die Postbank zu verkaufen, vergeblich hat man gehofft, auf eine Kapitalerhöhung verzichten zu können. Jetzt muss man sich eingestehen: Die Postbank mit ihren 14 Millionen Kunden und 19 000 Mitarbeitern bleibt unter dem Dach der Deutschen Bank. Außerdem nutzt das Geldhaus den zuletzt gestiegenen Aktienkurs, um sich acht Milliarden Euro frisches Kapital zu besorgen. Die Vermögensverwaltung kommt teilweise an die Börse; die Sparten des Investmentbankings werden wieder zusammengeführt. "Unsere Entscheidungen sind ein wichtiger Schritt, um die Deutsche Bank stärker zu machen und wieder wachsen zu können", sagt Cryan. Spielraum gab es nicht: Große Aktionäre hatten lange eine Anpassung der Strategie angemahnt.

Ob der Plan gelingt, die Deutsche Bank wieder zum Erfolg zu führen, hängt nicht nur von Cryan, sondern auch von seinen Stellvertretern ab. Sie führen die wichtigen Sparten des Konzerns.

Schenck, drahtiger Typ, 51 Jahre alt, kam im Mai 2015 als Finanzvorstand zur Deutschen Bank, nach Stationen beim Energiekonzern Eon und der US-Investmentbank Goldman Sachs, wo er als Partner die großen Deals einfädelte. Er ist nicht nur Cryans Stellvertreter, sondern wird künftig mit dem Vorstandskollegen Garth Ritchie das Investmentbanking leiten - den Handel mit Wertpapieren, aber auch die Beratung großer Firmenkunden bei Fusionen oder Börsengängen. In dieser Sparte erwirtschaftet die Bank zwar immer noch den Großteil ihrer Erträge, zuletzt war sie aber stark ins Hintertreffen geraten gegen die übermächtigen Wall-Street-Banken. Das Hauptproblem: Zahlreiche große Kunden wandten sich von dem Geldhaus ab, als im Sommer sogar zeitweise Gerüchte aufkamen, die Deutsche Bank könne in eine Schieflage geraten.

Nicht weniger schwierig ist die Aufgabe von Sewing: Der 46-Jährige ist der Benjamin im Vorstand und ein Eigengewächs: Seit er 1989 eine Lehre bei der Deutschen Bank in Bielefeld absolvierte, blieb er dem Haus bis auf eine kurze Unterbrechung treu. Gleichwohl ist er herumgekommen: Bevor er Privatkundenchef wurde, war er im Risikomanagement tätig, verantwortete sogar kurzzeitig das Rechtsressort. Ihm soll gelingen, woran die Deutsche Bank zuletzt gescheitert war: Die "gelbe" Postbank mit ihrer Ausrichtung auf die Massenkunden und ihrer Beamtenvergangenheit mit der "blauen" Deutschen Bank und ihrem gehobenen Privatkundengeschäft zu verschmelzen. Und das, während die "Blauen" selbst Stellen streichen, Filialen schließen. Am Ende soll das Geschäft der eigentliche Anker im Heimatmarkt sein. Richtig organisiert will die Bank mit ihren dann 20 Millionen Firmen- und Privatkundenkunden auf eine gute Rendite kommen, selbst in Zeiten niedriger Zinsen.

Anleger reagieren zurückhaltend auf die Kapitalerhöhung

Schenck aber muss sich als noch amtierender Finanzvorstand nun zunächst auf die Kapitalerhöhung konzentrieren. Am Montagmorgen stürzten die Aktien der Bank erst einmal um knapp sieben Prozent ab. 687,5 Millionen neue Aktien sollen in der zweiten März-Hälfte voraussichtlich zu je 11,65 Euro bei Investoren platziert werden - ein Abschlag von 40 Prozent auf den aktuellen Kurs, was zeigt, dass es nicht leicht wird, die Aktionäre zu überzeugen. "Der hohe Abschlag zum aktuellen Kurs spricht Bände", sagt Aktienhändler Stefan de Schutter vom Brokerhaus Alpha der Nachrichtenagentur Reuters. "Es ist schon die vierte Verwässerung in wenigen Jahren. Die Anleger müssen jetzt erst mal überlegen, ob sie da mitziehen." Es geht ihnen um die Frage, ob der weitere Umbau der Bank dieses Mal endlich gelingt.

Schenck und Sewing jedenfalls werden nun noch weniger Zeit für ihre Familien haben. Und wenn in der Bank an manchen Stellen der Eindruck erweckt wird, Cryan würde ziemlich sicher in drei Jahren aufhören: Zumindest im Aufsichtsrat gibt es dazu auch andere Ansichten. Es sei noch viel zu früh, die beiden Vizechefs zu Kronprinzen auszurufen, sagt ein Mitglied des Gremiums. "Ob Cryan wirklich geht, muss man erst mal sehen."

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