Deutsche Bank:Flüchtige Milliarden

Die Deutsche Bank überrascht mit soliden Quartalszahlen. Auf den zweiten Blick zeigt sich, wie sehr die jüngste Vertrauenskrise dem größten deutschen Geldhaus zugesetzt hat.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Deutsche-Bank-Chef John Cryan hat es sich inzwischen zur Gewohnheit gemacht, die 100 000 Mitarbeiter per Brief auf dem Laufenden zu halten. Das soll beruhigend wirken und zeigen, dass der Konzernchef die schwierige Lage im Griff hat. Auch am Donnerstag - anlässlich der Zahlen zum dritten Quartal - gab sich der Brite wieder alle Mühe: In den vergangenen Monaten sei viel über die Bank geschrieben worden, was von den Kunden ablenke, mäkelte er. Diese seien es aber, die zufrieden gestellt werden müssten, wie etwa RWE-Chef Peter Terium oder Merck-Finanzchef Marcus Kuhnert, die - was doch eher ungewöhnlich ist - das Schreiben mit lobenden Worten zur Bank zierten.

Alles gut also? Nicht wirklich. Denn tatsächlich offenbarten die Zahlen zum dritten Quartal, was bisher nur eine Ahnung war: Dass die Deutsche Bank den Vertrauensverlust ihrer Kunden in den vergangenen Wochen deutlich zu spüren bekommen hat. Allein in der privaten Vermögensverwaltung zogen die Kunden neun Milliarden Euro ab, das meiste davon in der zweiten Septemberhälfte. Im Fondsgeschäft flossen weitere acht Milliarden ab. Insgesamt verwaltet die Bank zwar 1,1 Billionen Euro für Kunden - ein Minus von 17 Milliarden Euro entspricht damit eineinhalb Prozent. In einem so kurzen Zeitraum jedoch ist das viel, und er ist umso dramatischer, als dass damit einst stabile Geschäftsfelder der Bank weiter geschwächt werden. Geschuldet sei der Verlust von Kundengeldern vor allem der "negativen Wahrnehmung" der Bank in der zweiten Septemberhälfte, schrieb Privatkundenvorstand Christian Sewing in einer internen Mitteilung an die Mitarbeiter, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Dank "fantastischer Arbeit im Kundengespräch" sei es den Beratern aber immerhin "gelungen, viele Milliarden in der Bank zu halten".

Vor allem zu einer Sache dürften die Berater gelöchert worden sein: Und zwar, ob die Bank wirklich die von den US-Behörden angedrohte Strafe von 14 Milliarden Dollar bezahlen muss für windige Kreditgeschäfte aus der Finanzkrise. Das gilt zwar als unwahrscheinlich. Allein, dass diese Zahl aber Mitte September herausgekommen war, zog die ohnehin angeschlagene Bank in eine Art Abwärtsspirale: Während der Aktienkurs scheinbar unaufhaltsam fiel, machten Gerüchten über eine Verstaatlichung und verunsicherte Kunden die Runde, die reihenweise Geld abzögen.

John Cryan

Kämpft um Vertrauen: Für direkte Kundengespräche hat sich Deutsche-Bank-Chef John Cryan jeden Tag mindestens eine Stunde Zeit reserviert.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Am Donnerstag sorgte auch noch ein Bericht der Financial Times für Aufsehen, wonach die britische Notenbank die heimischen Geldhäuser befragt habe, wie groß nicht nur ihr Engagement bei der italienischen Krisenbank Monte dei Paschi sei, sondern auch, wie es um deren Verflechtung mit der einstmals als so solide geltenden Deutschen Bank bestellt sei.

Wie die neuen Zahlen nun zeigen, sank die Liquidität - also frei verfügbare Gelder, die das Institut jeden Tag an Kunden auszahlen könnte - von Ende Juni bis Ende September tatsächlich um 23 Milliarden auf 200 Milliarden Euro. Jedoch: Der Einlagenschwund sei inzwischen gestoppt, betonte Finanzvorstand Marcus Schenck.

Ohnehin scheint sich die Bank im dritten Quartal insgesamt noch überraschend gut geschlagen zu haben, zumindest schaffte sie in den Sommermonaten unter dem Strich einen Gewinn von knapp 300 Millionen Euro, während Analysten einen Verlust von fast 600 Millionen Euro erwartet hatten. Entsprechend schloss die Aktie bei 13,38 Euro und lag damit leicht im Plus. Im dritten Quartal 2015 hatte noch ein Minus von sechs Milliarden Euro zu Buche gestanden, weil John Cryan kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer viele Vermögenswerte rigoros abgeschrieben hatte.

Den Gewinn verdankte die Bank im Wesentlichen drei Effekten: Zum einen erhöhte das Institut die Rückstellungen für Rechtsrisiken nur von 5,5 Milliarden Euro auf 5,9 Milliarden Euro und damit weniger stark als Analysten angesichts der drohenden Strafe aus den USA befürchtet hatten. Zum anderen schaffte es die Bank, die Erträge im Investmentbanking zu steigern, was vor allem am schwunghaften Handel mit Anleihen gelegen haben wird. Zum dritten hatte das Institut die Kosten überraschend gut im Griff. "Heute dürften all diejenigen, die die Abwicklung der Deutschen Bank schon als ausgemachte Sache sahen, auf dem falschen Fuß erwischt werden", schrieben jedenfalls die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg.

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SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Zugleich aber offenbarte das Zahlenwerk, wie abhängig die Bank vom schwankungsanfälligen und kostenintensiven Handelsgeschäft ist. In den übrigen Geschäftsfeldern gingen die Erträge - ohne Sondereffekte - spürbar zurück, etwa im Transaktionsgeschäft mit Großkunden, in der Vermögensverwaltung und dem Privatkundengeschäft. Dies lag zum einen an der Nullzinspolitik der Zentralbank, die das klassische Bankgeschäft vielfach erschwert, aber auch am Kundenschwund.

Immer mehr drängt sich daher die Frage auf, ob Cryan einen Strategie-Schwenk vornimmt, weg vom Kurs, nur die Kosten zu senken und die Tochter Postbank zu verkaufen. Das jedenfalls erwarten viele Investoren, und wohl nicht von ungefähr dehnte der Aufsichtsrat seine turnusgemäße Sitzung in dieser Woche auf eine Drei-Tages-Klausur aus, was viele als Vorboten eines großen Wurfes sehen. Offiziell hieß es am Donnerstag, die Bank halte daran fest, die Postbank zu verkaufen. Allenfalls durchblicken ließ man, dass das Geschäft in den USA schrumpfen könnte. Ein Komplettrückzug von der Wall Street jedoch scheint unwahrscheinlich - dann nämlich würde die Bank wohl weitere Kunden verlieren.

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