Deutsche Bank:Erst Kampf, dann Frieden

Deutsche Bank mit 2,15 Milliarden Verlust

Die Deutsche Bank habe die Herausgabe von Akten systematisch behindert, klagt die Staatsanwaltschaft.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Ganz kurz drohte der Deutsche-Bank-Prozess am zweiten Verhandlungstag zu platzen. Doch das wollte dann doch niemand, auch keiner der Angeklagten.

Von Klaus Ott

Das Mittagessen muss den vielen Herren und wenigen Damen, die im Deutsche-Bank-Prozess in München zusammensitzen, am Dienstag sehr gut bekommen sein. So gut, dass am zweiten Verhandlungstag die gegenseitigen Attacken in den Stunden zuvor fast schon wieder vergessen waren und Verteidigung wie Staatsanwaltschaft plötzlich pfleglich miteinander umgingen. Hauptsache, das Verfahren vor der fünften Strafkammer des Landgerichts München I geht weiter und muss nicht, Monate später und mit einem anderen Richter, neu angesetzt werden. "Wir wollen mit Ihnen gerne diesen Prozess machen", rief Hanns W. Feigen, der Verteidiger von Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen, dem Vorsitzenden Richter Peter Noll zu. Der gab dieses Kompliment umgehend zurück. "Ich will auch gerne mit Ihnen diesen Prozess machen." Das Publikum lachte und staunte.

Es ist natürlich nicht so, dass Bankchef Fitschen, seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer und die beiden übrigen Angeklagten gerne vor Gericht stehen, wegen versuchten Prozessbetrugs im Fall Kirch. Aber wenn schon, dann jetzt und bei dem als fair bekannten Richter Noll. Das "Verfahren durchziehen", diese Losung gaben die Verteidiger am Dienstag aus, als der Münchner Prozess gegen die prominenten Deutschbanker plötzlich zu platzen drohte. "Wir wollen alles, bloß keine Aussetzung", beteuerte Fitschens Anwalt Feigen. Die Verteidiger waren am Nachmittag offenbar erschrocken über die möglichen Konsequenzen ihrer vielen Anträge, mit denen sie am Vormittag die Staatsanwaltschaft attackiert hatten.

Am Ende war man sich einig. Nächste Woche wird pausiert, damit die Anwälte weitere Akten lesen können. Und am 18. Mai wird das Verfahren fortgesetzt. Vermutlich mit Erklärungen, in denen Fitschen und die meisten anderen Angeklagten den Vorwurf zurückweisen werden, sie hätten im Fall Kirch die Justiz täuschen wollen. Um der Deutschen Bank horrende Schadensersatzzahlungen an den 2002 pleite gegangenen Medienmagnaten Leo Kirch zu ersparen. Nach einem verhängnisvollen TV-Interview des damaligen Bankchefs Breuer über seine, Kirchs, finanzielle Nöte hatte der Film- und Fernsehunternehmer das Geldinstitut mit Prozessen überzogen. Nach dem Tod des Medienmagnaten zahlte die Deutsche Bank an dessen Erben und Gläubiger 925 Millionen Euro.

Eigentlich hatten sich Fitschen & Co. schon am Dienstag erklären sollen, doch dann knöpften sich die Verteidiger erst einmal die Staatsanwaltschaft vor. Der Kernvorwurf: Die Aktenführung der Ermittler sei "prozesswidrig", weil nicht alles auf dem Tisch liege. Immer wieder tauchten weitere Unterlagen aus weiteren Verfahren im Fall Kirch auf. Damit hatte auch Richter Noll ein Problem. "Ich weiß nicht, wie ich da einen Prozess planen soll." Als dann auch noch von zehn Terabyte zusätzlichen Daten die Rede war, wusste auch Noll nicht mehr weiter. Das wäre ja, ausgedruckt, "ungefähr ein Güterzug voll", klagte der Richter und wirkte ratlos. Und genau das zeigte Wirkung.

Die Staatsanwaltschaft beschwichtigte, so viel zusätzliches Material sei es auch wieder nicht, die Verteidiger verständigten sich mit den Ermittlern, wann und wie die neuen Unterlagen verfügbar seien. Der Prozess ist gesichert. Und alle sind, nach der vorübergehenden Harmonie, bereit für die nächste Runde. Für die Fortsetzung des Schlagabtausches vom Dienstagvormittag, an dem zuerst die Staatsanwaltschaft ausgeteilt hatte. Die Deutsche Bank, so der Vorwurf, behindere "Ermittlungen gegen sie nach Kräften". Das kenne man ja auch aus anderen Justizverfahren im In- und Ausland. Der Prozessvertreter der Bank wies das zurück, und die Verteidiger der fünf Angeklagten konterten kräftig, nicht nur wegen der Akten.

Die Verteidiger erbitten die "Weisheit des Gerichts". Das stöhnt. "Um Gottes Willen."

Die Staatsanwaltschaft, so eine weitere Anschuldigung der Anwälte, habe Anfang 2014 die Deutsche Bank massiv unter Druck gesetzt. Das Geldinstitut habe daraufhin den 925 Millionen Euro teuren Vergleich mit Kirchs Familie geschlossen. Und das wiederum betrachteten die Ermittler nun als wichtiges Argument für ihre Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs im Fall Kirch. Die Staatsanwaltschaft habe sich ihre Indizien für die Anklage also selbst geschaffen. Und dann verlangten die Verteidiger auch noch, Oberstaatsanwältin Christiane Serini, die Chefermittlerin in diesem Fall, solle als Anklägerin abgezogen werden. Darauf möge das Gericht "hinwirken". Serini solle schließlich auch als Zeugin über ihre Ermittlungen aussagen. Anklägerin und Zeugin in einer Person, das gehe nicht, kritisierten die Verteidiger. Sie fürchten niemanden so sehr wie die hartnäckige Oberstaatsanwältin, die am zweiten Prozesstag gar nicht da war; die aber nahezu jedes Detail in diesem riesigen Verfahren auswendig kennt und der man kein X für ein U vormachen kann.

Die Staatsanwaltschaft will ihre Chefermittlerin natürlich behalten. Nun muss das Gericht entscheiden, ob Serini weiterhin Anklägerin sein darf, und nebenbei auch Zeugin. Und dann muss Richter Noll mit seiner Strafkammer ja auch noch über die vielen anderen Anträge der Verteidiger befinden. "Wir brauchen die Weisheit des Gerichts", flehten die Anwälte der Deutschbanker. Woraufhin Noll laut stöhnte. "Die Weisheit, um Gottes willen."

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