Deutsche Bank:Eine schwarze Kasse für Siemens

Bis 2003 soll eine Exportgesellschaft, die zur Hälfte der Deutschen Bank gehörte, Schmiergeldzahlungen ermöglicht haben.

Klaus Ott

Die Staatsanwaltschaft München hat bei ihren Ermittlungen im Korruptionsfall Siemens schon viele Büros durchsucht und viele Akten mitgenommen. Bei Siemens selbst natürlich, bei mehreren Steuerkanzleien, bei Banken in Traunstein und Hamburg, bei einer Spedition in München, einer Handelsgesellschaft in Wien, und so fort.

Deutsche Bank: Die Exportgesellschaft Lincas soll Siemens als schwarze Kasse gedient haben. Bis 2003 gehörte diese zur Hälfte der Deutschen Bank.

Die Exportgesellschaft Lincas soll Siemens als schwarze Kasse gedient haben. Bis 2003 gehörte diese zur Hälfte der Deutschen Bank.

(Foto: Foto: Reuters)

Im Verlaufe des Verfahrens schickte die Staatsanwaltschaft ihre Fahnder auch zur Lincas Electro Vertriebs-GmbH in Hamburg. Ein vom Amtsgericht München vorsorglich erlassener Durchsuchungsbeschluss wurde gar nicht benötigt. Die Firma, die heute Siemens gehört und Exporte für den Konzern abwickelt, rückte die gewünschten Unterlagen freiwillig heraus.

Neuer Strang in der Korruptionsaffäre

Die Staatsanwaltschaft geht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung dem Verdacht nach, dass bei Lincas bis ins Jahr 2003 hinein Mittel in Millionenhöhe abgezweigt und von Siemens als Schmiergeld genutzt wurden. In dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München wird Lincas als "schwarze Kasse" bezeichnet. Das ist ein neuer Strang in der Korruptionsaffäre.

Denn in der Zeit, als sich die mutmaßlichen Gesetzesverstöße abspielten, war Siemens noch nicht Eigentümer von Lincas. Die Exporthandelsgesellschaft gehörte damals drei Finanzinstituten: der Deutschen Bank, der Commerzbank und der Berliner Bankgesellschaft.

Die Deutsche Bank war über ihre Süddeutsche Vermögensverwaltung mit 50 Prozent an Lincas beteiligt. Die Commerzbank und die Berliner Bankgesellschaft hielten je 25 Prozent. Im März 2003 überließen die drei Finanzinstitute ihre Anteile Siemens. Der Konzern nutzt Lincas seit vielen Jahren als Dienstleister für den Export von Elektronik- und Kommunikationsanlagen.

Ein Handelsunternehmen, bei dem die Deutsche Bank größter Anteilseigner war, soll also als schwarze Kasse für Siemens gedient haben. Dass die Deutsche Bank bei Lincas eine größere Rolle einnahm als die beiden Mitgesellschafter, ergibt sich auch aus der Zusammensetzung des Aufsichtsrats.

Der wurde lange von Jürgen Krumnow geleitet, einem früheren Vorstand der Deutschen Bank. Laut Firmenunterlagen war Krumnow bis 2004 Aufsichtsratschef bei Lincas. Sein Stellvertreter war Jürgen Radomski, Personalvorstand von Siemens. Komplettiert wurde das Kontrollgremium von Bernd A. Wilken, Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank in Hamburg. Lincas machte Anfang des Jahrzehnts noch fast eine Milliarde Euro Umsatz.

Eine schwarze Kasse für Siemens

Die Deutsche Bank erklärte auf Anfrage, ihr lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Siemens sich die Lincas Electro Vertriebs GmbH für Schmiergeldzahlungen zunutze gemacht haben könnte. Man sei lediglich eine "Finanzbeteiligung" an der Exportgesellschaft eingegangen, die von 1958 bis März 2003 bestanden habe.

"Es war keine unternehmerische Beteiligung." Die Commerzbank bezeichnete ihr früheres Engagement bei Lincas als "alte Minibeteiligung". Die Landesbank Berlin Holding AG, in der die Berliner Bankgesellschaft vor Jahren aufgegangen war, sprach von einem früheren "Finanzinvestment" bei Lincas. Über einen Zusammenhang zwischen Lincas und der Korruptionsaffäre bei Siemens lägen keine Informationen vor. Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld sagte, die Ermittlungen liefen noch.

Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Banken in irgendeiner Form in die betreffenden Vorgänge involviert gewesen wären. Siemens äußerte sich nicht zu den Ermittlungen bei Lincas, die auch im Unternehmen selbst vorangetrieben werden. Die vom Konzern eingeschaltete amerikanische Kanzlei Debevoise & Plimpton, die zur Aufklärung des Schmiergeldskandals beitragen soll, geht nach Angaben aus Unternehmenskreisen den Verdachtsmomenten im Fall Lincas nach.

Ausgelöst worden sind die Ermittlungen durch einen langjährigen Siemens-Angestellten aus der Sparte Energieübertragung, der Schmiergeldzahlungen gestanden hat. Der frühere Siemens-Kaufmann sagte bei der Staatsanwaltschaft aus, bei zwei Großprojekten in Asien habe man Leute an "entscheidender Stelle" bestochen, um die Aufträge zu erhalten.

Das seien entweder die Kunden selbst oder "politisch Verantwortliche" gewesen. Die Sparte Energieübertragung habe Mittel von Lincas genutzt. Für die zwei Großprojekte seien von Lincas über Scheinfirmen und Scheinverträge neun und vier Millionen Euro nach Dubai am Persischen Golf und von dort zu den Geldempfängern geschleust worden.

Nach Angaben eines anderen ehemaligen Siemens-Angestellten, der schwarze Kassen betreute, soll Lincas vor allem der Energiesparte beim Bau von Kraftwerken und Hochspannungsanlagen weltweit illegale Provisionszahlungen ermöglicht haben.

Das sei vor der Übernahme von Lincas durch Siemens im März 2003 geschehen. Inzwischen ist die Firma ein Auslaufmodell, die Umsätze sind drastisch gesunken. Nach Angaben eines Siemens-Sprechers soll Lincas im nächsten Geschäftsjahr aufgegeben werden.

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