Deutsche Bank:Der lange Tag des Clemens Börsig

Wie die Anwälte des Medienunternehmers Leo Kirch die Hauptversammlung der Deutschen Bank sprengten.

Martin Hesse

Frankfurt - Es hätte aus Sicht der Deutschen Bank eine Feierstunde werden sollen. Vorstandschef Josef Ackermann hatte sich eine Rede zurechtgelegt, in der er ausgiebig die Erfolge der Bank im vergangenen Jahr würdigte.

Clemens Börsig

Clemens Börsig

(Foto: Foto: dpa)

Doch schon bei den Eröffnungsworten des Aufsichtsratschefs Clemens Börsig bahnt sich eine andere Dramaturgie an: Die Bank ändert die Tagesordnung, um nach den Ausführungen Ackermanns zunächst den Versammlungsleiter Börsig als Aufsichtsratschef bestätigen zu lassen.

Die Bank will so verhindern, dass Beschlüsse der von Börsig geführten Hauptversammlung angefochten werden. Wenige Tage vor dem Aktionärstreffen hatte das Landgericht Frankfurt erstinstanzlich dem früheren Medienunternehmer Leo Kirch recht gegeben und die Wahl Börsigs zum Aufsichtsratsvorsitzenden im vergangenen Jahr für nichtig erklärt.

Die Deutsche Bank legte Berufung ein. Kirch sieht Börsig dadurch belastet, dass seine Rolle im Zusammenhang mit der Pleite des Medienkonzerns im Jahr 2002, für die Kirch die Deutsche Bank verantwortlich macht, unklar sei.

Ackermann kann sich daher bei der Hauptversammlung zunächst nur kurz seiner Erfolge freuen. Er bekräftigt das Ziel der Deutschen Bank 2008 mindestens 8,4 Milliarden Euro zu verdienen und holt sich bei den Aktionären Applaus ab. Der Vorstandschef wiederholt auch seine Absage an eine Bankenfusion: "Wir stehen nicht unter Zugzwang", sagt Ackermann.

Daran änderten auch aktuelle Konsolidierungsbemühungen auf europäischer Ebene nichts. Etwas pathetisch ruft er am Ende seiner Rede: "Wir haben nur ein Ziel im Auge: Den Gipfel."

Bizarre Züge

Ackermann muss sich dann aber in die Niederungen der juristischen Auseinandersetzung mit Leo Kirch begeben. Aufsichtsratsmitglied Ulrich Hartmann übernimmt die Versammlungsleitung.

Als Ackermann zunächst eine Serie von mehr als 40 Fragen der Kirch-Anwälte aus dem vergangenen Jahr beantwortet, um eine Diskussion über die Wiederwahl Börsigs zu ermöglichen, nimmt die Versammlung teils bizarre Züge an. Mehrmals muss der Vorstandschef ein Lachen unterdrücken, begleitet vom Applaus der Aktionäre. Später schlägt die Erheiterung in mühsam unterdrückte Animosität um.

Als Kirchs Anwälte in der anschließenden Diskussion neue Fragen zur Rolle der Deutschen Bank bei der Kirch-Pleite stellen, kommt unter den 4000 Aktionären in der Messehalle in Frankfurt erstmals Unruhe auf. Die Anteilseigner horchen erst wieder auf, als Kirchs Geschäftsführer Dieter Hahn Fragen zur Rolle der Deutschen Bank in der Korruptionsaffäre bei Siemens stellt. Josef Ackermann sitzt dort im Aufsichtsrat.

Im Kern geht es Hahn um die Frage, ob die Deutsche Bank Kenntnis von irregulären Zahlungsströmen hatte und ob diese auch über Konten bei der Deutschen Bank abgewickelt wurden. Ackermann verneint diese Fragen.

Weniger Humor

Es ist Wilm-Diedrich Müller vorbehalten, die mehr als 4000 Aktionäre danach erneut zum Lachen zu bringen: Der Kleinaktionär - mit einem beachtlichen grauen Bart und über das Hemd gespannten Hosenträgern ausgestattet - beantragt kurzerhand, sich anstelle von Börsig in die Aufsichtsratsspitze wählen zu lassen.

Mit weniger Humor nehmen die Kirch-Anwälte danach ihre Arbeit wieder auf. Michael Bohndorf beklagt sich über eine ,,Überrumpelung der Hauptversammlung'' und beantragt - vergeblich - die Abstimmung über Börsig zu vertagen. Hartmann hatte die Redezeit auf fünf Minuten begrenzt und damit den Unmut der Kirch-Armada hervorgerufen.

Das wiederum ruft Klaus Nieding auf den Plan. Der Vertreter der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) wirft Kirch vor, das Anfechtungsrecht der Aktionäre zu missbrauchen.

"So sexy''

Die Hauptversammlung dauert bereits fünf Stunden, ehe es zur Abstimmung über Börsig kommt. Er wird mit mehr als 98 Prozent der Stimmen als Aufsichtsratschef bestätigt. Mehrfach entschuldigt sich Ackermann für den Verlauf der Versammlung.

Er würde lieber über etwas anderes reden, etwa die Frage, warum die Deutsche Bank keinen großen Zusammenschluss anstrebe. Einen Grund nennt Ackermann gleich: "Glauben Sie, dass irgendjemand bereit ist, seinen Sitz hierher zu verlegen, wenn er das hier mitbekommt?" Ackermann hatte zuletzt mehrfach betont, die Bank werde ihren Sitz in Deutschland nicht aufgeben.

Für den Erfolg der Bank erntet Ackermann dann schließlich doch noch Jubel von den Aktionären, als es am späten Nachmittag zur Generaldebatte kommt. "Der Jahresüberschuss ist so sexy", sagte ein Redner.

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