Deutsche Bank:Der Chefvolkswirt wird abserviert

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Thomas Mayer wird abberufen, David Folkerts-Landau übernimmt seinen Bereich. Dadurch verliert die Denkfabrik Deutsche Bank Research ihre Unabhängkeit. Experten kritisieren die neue Ausrichtung scharf. Sie erkennen immer mehr die Züge einer Investmentbank.

Harald Freiberger und Alexander Hagelüken

Die Abberufung von Thomas Mayer als Chefvolkswirt der Deutschen-Bank löst ein eher negatives Echo aus. "Das ist ein weiterer Schritt im rumpeligen Übergang von Vorstandschef Josef Ackermann zum neuen Chef Anshu Jain", sagte der SZ ein hochrangiger Wissenschaftler, der auch in der Politikberatung tätig ist. "Die Koordinaten der Bank werden dadurch weiter in Richtung Investmentbank verschoben."

Übt scharfe Kritik an der Abberufung seines Nachfolgers Thomas Mayer als Chefvolkswirt bei der Deutschen Bank: Norbert Walter. (Foto: dapd)

Die Deutsche Bank hatte vergangenen Freitag bekannt gegeben, dass Mayer seinen Posten zum 1. Juni verliert und künftig nur noch beratend für das Institut tätig sein soll. Hintergrund ist die Zusammenlegung der unabhängigen Denkfabrik Deutsche Bank Research, die Mayer leitet, mit der Abteilung Markets Research, die ausschließlich für Kunden beratend tätig ist. Ihr Leiter David Folkerts-Landau, 62, wird Chef beider Bereiche. Er gilt als Vertrauter Jains und arbeitete bisher in London, bald steigt er in den erweiterten Vorstand auf.

Mayer wirkt bei öffentlichen Auftritten manchmal etwas trocken, ist aber ein angesehener Wissenschaftler, der in der Deutschen Bank zuweilen abweichende Meinungen vertrat. Unter anderem warnte er vor einer Hyperinflation durch die laxe Geldpolitik und sprach sich für Euro-Bonds aus. Folkerts-Landau, einst beim Internationalen Währungsfonds und an der Universität von Chicago, hat in der Wissenschaft kaum einen Namen. Er ist seit 15 Jahren ausschließlich in der kundenorientierten Marktanalyse der Bank tätig.

Mayers direkter Vorgänger Norbert Walter kritisierte die Entscheidung heftig. Die Auflösung von DB Research passe zu einer Investmentbank, die keine unabhängige volkswirtschaftliche Abteilung haben wolle, sondern nur daran interessiert sei, den Verkauf von Finanzprodukten zu unterstützen, sagte er.

"Norbert Walter hat nicht so unrecht", sagt Hans-Peter Burghof, Bankprofessor an der Uni Hohenheim. Burghof hat gewisse Bedenken gegenüber der Art, wie in Großbritannien oder den USA Analyseabteilungen geführt werden: "Es gibt eine angelsächsische Tradition der Zweckargumentation, die dem Verkaufen von Produkten dient." Burghof: "Es wäre schade, wenn die Tradition unabhängigen Denkens bei der Deutschen Bank verloren geht." Generell wäre es verkehrt, zum Turbo-Investmentbanking der Nuller-Jahre zurückzukehren. "Das Ziel, möglichst hohe Cash-Flows in möglichst kurzer Zeit zu generieren, hat uns die Finanzkrise eingebracht."

Der Chefökonom eines deutschen Finanzkonzerns verteidigte dagegen die Entscheidung der neuen Führung, volkswirtschaftliche und Marktanalyse zu fusionieren. Unabhängigkeit sei keine Frage der Organisation, sondern der Person. Aus Gesprächen mit Marktteilnehmern lasse sich viel lernen.

© SZ vom 17.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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