Deutsche Bank:Beichte in Bonn

Strafprozess gegen Top-Manager der Deutschen Bank

Wiedersehen im Gerichtssaal: Anwälte und Angeklagte der Deutschen Bank in München.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Deutsche Bank gesteht der Finanzaufsicht Missstände - das könnte nun auch im Prozess eine Rolle spielen. Warum sich die Staatsanwälte nun bestätigt sehen.

Von Klaus Ott

Die vielen Fächer in dem großen Regal hinter der Richterbank im Saal B 273/II im Münchner Justizzentrum reichen nicht aus, um all die Akten für den Deutsche-Bank-Prozess zu fassen. Auf einem Gestell stehen noch einmal mehr als 30 Ordner. Viel Stoff für das Verfahren vor dem Landgericht München I mit prominenten Angeklagten. Jürgen Fitschen, Co-Chef des Geldinstituts, seine beiden Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere Ex-Vorstände sollen im Fall Kirch versucht haben, die Justiz zu täuschen. Die Banker bestreiten das.

Vieles, was in den Akten steht, ist inzwischen bekannt. Aber längst nicht alles. Die Ordner enthalten einige bislang noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungene Kapitel, die für die Deutsche Bank ausgesprochen peinlich sind. Zum Beispiel Informationen über einen Prüfbericht aus dem vergangenen Jahr, den Fitschen und seine Vorstandskollegen selbst in Auftrag gegeben hatten. Der Vorstand wollte wissen, ob die Bank etwas falsch gemacht habe im Streit mit dem einstigen Medienmagnaten Leo Kirch, der das Kreditinstitut mit Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe überzogen hatte. Die Antwort, die für die in Bonn ansässige Finanzaufsichtsbehörde Bafin bestimmt war und dort auch abgeliefert wurde, fiel eindeutig aus: In der Deutschen Bank und an deren Umgang mit der Justiz sei einiges nicht in Ordnung gewesen.

"Die Erkenntnisse, die sich aus der Untersuchung ergeben haben, wurden umgesetzt."

Die Beichte bei der Bafin hat mittlerweile Konsequenzen gehabt. "Die Erkenntnisse, die sich aus der Untersuchung ergeben haben, wurden von der Bank umgesetzt", teilte das Institut auf Anfrage mit. Details nennt die Deutsche Bank nicht. Dem Vernehmen nach sollen neue Kontrollmechanismen und andere interne Reformen künftig Missstände wie im Streitfall Kirch verhindern. Missstände, die in dem Prüfreport eindeutig benannt werden. So soll das Institut mit der Justiz, die über Kirchs Schadenersatzklagen zu befinden hatte, "inadäquat", also falsch und unpassend, umgegangen sein. Das ist eines der Ergebnisse des Untersuchungsberichts, den die von der Bank im März 2014 beauftragte Kanzlei Schmitz & Partner nach umfangreichen Recherchen fünf Monate später, im August 2014, beim Vorstand ablieferte.

Ein paar weitere Monate später bekam auch die Münchner Staatsanwaltschaft den Report zu lesen. Die Strafverfolger unterrichteten dann wiederum im Februar 2015 das Landgericht über die wichtigsten Resultate. Und die sind: Unzureichende Ermittlung und Präsentation der Sachverhalte zum Fall Kirch innerhalb der Bank. Unvollständige Unterlagen. Intransparentes Berichtswesen und in sich nicht schlüssige Bewertung der Risiken. Und eben "inadäquater Umgang" mit der Justiz. So hat die Staatsanwaltschaft in einem Schreiben vom 10. Februar 2015 an das Landgericht die wichtigsten Ergebnisse des Prüfberichts der Kanzlei Schmitz zusammengefasst und zudem notiert, welche Lehren laut Schmitz aus diesen Missständen zu ziehen seien: In der Bank müsse in solchen Streitfällen eine umfassende, prägnante, nichts beschönigende Berichterstattung gewährleistet sein. Ein Lenkungsausschuss für "hochkarätige Rechtsstreitigkeiten" solle geschaffen werden.

Das liest sich so, als habe der Slogan "Leistung aus Leidenschaft", mit dem die Deutsche Bank für sich wirbt, im Fall Kirch nur in einer Hinsicht gegolten. Das Institut hat mit viel Leidenschaft, aber wenig Leistung versucht, Kirchs Klagen abzuwehren. Am Ende zahlte die Bank 925 Millionen Euro an die Erben und Gläubiger des inzwischen verstorbenen Film- und Fernsehunternehmers. Und jetzt stehen Ackermann, Breuer, Fitschen & Co. wegen versuchten Prozessbetrugs vor dem Landgericht.

Die Staatsanwaltschaft sieht sich durch den Schmitz-Report bestätigt. In der Deutschen Bank habe es weder ein funktionierendes Kontroll- und Überwachungssystem gegeben, noch überhaupt eine Kontrolle, ein klares Berichtswesen, eine ordnungsgemäße Dokumentation. So hat es Oberstaatsanwältin Christiane Serini, die Chefermittlerin in dieser Sache, dem Landgericht geschrieben. Serinis Schlussfolgerung: Das alles passe zum bisherigen Ermittlungsergebnis.

Die Verteidiger der Angeklagten sehen das, wie einer von ihnen sagt, ganz anders. In dem Prüfreport gehe es nur darum, ob die Bank sich intern anders, sprich besser organisieren müsse, um den Vorstellungen der Bankenaufsichtsbehörde Bafin zu entsprechen. Ob das Geldinstitut und einige seiner Vorstände im Fall Kirch versucht hätten, die Justiz zu täuschen, und ob ein Gesetzesverstoß vorliege, sei gar kein Untersuchungsauftrag gewesen. Wie der Schmitz-Bericht zu verstehen sei, darüber und über andere Dinge wird im Deutsche-Bank-Prozess im Münchner Justizzentrum noch viel gestritten werden, auch anhand der Akten.

Die Richter werden sich wohl noch oft umdrehen, Ordner aus dem Regel nehmen und vorlesen, was da so alles drin steht: und das nicht nur über den Schmitz-Report.

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