Deutsche Bahn:Wie die Bahn schnüffeln ließ

Aufträge für teure Projekte wurden nur mündlich erteilt und der Betriebsrat bewusst nicht eingeweiht: Was Datenschützer über die Schnüffelaffäre bei der Bahn herausgefunden haben.

M. Bauchmüller u. K. Ott

Unter den Detektiven aus der Spähfirma Network Deutschland, die im Auftrag der Deutschen Bahn (DB) jahrelang Mitarbeiter des Konzerns durchleuchtet haben, waren offenbar auch einige Tierfreunde. Ein Projekt, bei dem die "Top-Tausend-Führungskräfte" der Bahn unter die Lupe genommen werden sollten, trug den Titel "Eichhörnchen". Ein anderes, besonders heikles Vorhaben hieß "Uhu". Details über diese Ermittlungen sind in einem siebenseitigen Bericht nachzulesen, den der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix Ende Januar dem Verkehrsausschuss des Bundestags übergab. In dem Bericht sind die Ergebnisse eines Gesprächs der Berliner Datenschutzbehörde mit Vertretern der Bahn über die Network-Projekte zusammengefasst.

Deutsche Bahn Datenaffäre mit Uhu und Eichhörnchen DDP

"Fürsorge" der Bahn: Bei zu Unrecht Verdächtigten wurde kein schriftlicher Bericht angefertigt.

(Foto: Foto: DDP)

Network war auch für die Telekom aktiv und ist dort in den Spitzelskandal verwickelt. Mit dem Telekom-Skandal ist die Datenaffäre der Bahn nach Darstellung von Konzernchef Hartmut Mehdorn nicht vergleichbar. Bei der Bahn wurden "keine Journalisten oder Aufsichtsräte bespitzelt". Immerhin wurden auf der Suche nach Anhaltspunkten für Korruption und andere Vergehen aber die Daten von 173.000 Mitarbeitern mit denen von 80.000 Lieferanten der Bahn abgeglichen.

Ein "Uhu" für Mehdorn

Anlass für das Projekt "Uhu" war der Verdacht der üblen Nachrede gegen Konzernchef Hartmut Mehdorn. Ein DB-Mitarbeiter soll unter falschem Namen in einem Brief an Finanzbehörden Mehdorn eines Steuerdelikts bezichtigt haben. In dem Brief seien Informationen enthalten gewesen, zu denen etwa 40 Bahn-Beschäftigte Zugang gehabt hätten, heißt es im Dix-Bericht. Network habe ein "Schriftstilgutachten" anfertigen lassen, das zu einem DB-Mitarbeiter geführt habe, der gekündigt worden sei. Die Arbeitsgerichte hätten das Gutachten aber nicht anerkannt und die Kündigung aufgehoben.

Über den Fall "Uhu" und Network fand die Datenschutzbehörde noch mehr heraus: "Alle überprüften Mitarbeiter wurden sprachlich bewertet." Einem Beschäftigten sei ein "niedriges Sprachniveau" attestiert worden, "er würde wohl nicht besonders gern schreiben". Die Bahn habe, so steht es im Dix-Bericht, bei diesem Projekt "wahllos E-Mails der Betroffenen an Network übermittelt", darunter Schreiben an den Betriebsrat und Informationen über Besprechungen beim Betriebsrat.

"Geschwätziger Betriebsrat"

Die Berliner Datenschutzbehörde hat auch aufgeschrieben, warum die Bahn "in keinem der Fälle" den Betriebsrat über die Zusammenarbeit mit Network informiert habe. Von den Vertretern der Bahn sei dazu vorgetragen worden, "man habe Zweifel an der Zuverlässigkeit bzw. Diskretion des (zu geschwätzigen) Betriebsrats". In dem Dix-Bericht steht auch, weder Network noch die Bahn hätten nach Abschluss der internen Ermittlungen die Mitarbeiter informiert, bei denen man nichts gefunden habe. Die Bahn habe das "nicht für erforderlich gehalten, da die zu Unrecht Verdächtigen anschließend nicht benachteiligt worden seien".

Nicht einmal der Datenschutzbeauftragte der Bahn sei über die Zusammenarbeit mit Network und die "Datenflüsse" zwischen der Bahn und der Privatdetektei unterrichtet worden. Eine weitere Feststellung und Kritik der Berliner Behörde lautet, die Bahn habe "personenbezogene Daten an eine Stelle übermittelt, deren Arbeitsweise ihr unbekannt war".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was es mit dem Projekt "Traviata" auf sich hat.

Wie die Bahn schnüffeln ließ

Überraschte Aufsichtsbehörde

Besonders erstaunt waren die Datenschützer über die Art und Weise, in der die Bahn ihre Geschäfte mit Network abgewickelt habe. "Die Aufträge wurden ausschließlich mündlich erteilt", steht im Dix-Bericht. Nach Auffassung der Bahn-Vertreter seien nichts Schriftliches erforderlich gewesen, da die Aufträge nicht ausgeschrieben worden seien. Die Datenschützer waren laut ihrem Report "überrascht darüber, dass die Deutsche Bahn Aufträge im Wert von über 800.000 Euro nur mündlich erteilt".

Bei kleineren Projekten, die ergebislos blieben oder bei denen die betroffenen Mitarbeiter sogar entlastet wurden, wurde nach Erkenntnissen der Dix-Behörde kein schriftlicher Bericht angefertigt. Nach Angaben der Bahn sei das aus Fürsorge gegenüber den betroffenen Beschäftigten erfolgt. Diese Aussage wird von der Datenschutzbehörde angezweifelt. "Für einen Betroffenen kann es auch hilfreich sein, wenn bei einem unbegründeten Verdacht seine Unschuld schriftlich dokumentiert wird."

Projekt "Traviata"

Zu bemerkenswerten Ergebnissen gelangten die Network-Detektive bei dem Projekt Traviata, benannt nach der Oper La Traviata von Giuseppe Verdi, zu deutsch: "Die vom Weg abgekommene". Vom richtigen Schienenweg abgekommen sind offenbar etliche Fahrzeuge der Bahn. Ziel des Projekts war laut Dix-Bericht die "Feststellung des Verbleibs aller Triebfahrzeuge aus dem Fehlbestand". Zu diesem Zweck seien unter anderem zahlreiche Dateien und die Korrespondenz mit Recyclingfirmen untersucht worden. "Als Ergebnis erhielt die Deutsche Bahn einen Bericht über die Orte, in denen die meisten Triebfahrzeuge verschwunden sind."

Datenschutzbehörde bescheinigte der Bahn ein "berechtigtes Interesse" an der Bekämpfung von Korruption und anderen Formen der Wirtschaftskriminalität. Das ändere aber nichts daran, dass die Maßnahmen "datenschutzkonform" sein müssten. Die Bahngewerkschaften gehen davon aus, dass angesicht der Zahl von 173.000 kontrollierten Mitarbeitern auch die Daten von Lokführern, Schaffnern oder Fahrkartenverkäufern überprüft worden. Das sei nicht nachvollziehbar, weil diese Berufsgruppen für Korruption gar nicht in Frage kämen. Die Dix-Behörde hat notiert, wer alles unter die Lupe genommen worden sei: Mitarbeiter, Ehepartner von Mitarbeitern, Lieferanten und sonstige Geschäftspartner der Bahn. "Nicht jedoch Fahrgäste." Wenigstens die wurden also nicht durchleuchtet.

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