Deutsche Bahn:Jeden Tag ein Wortbruch

Winterchaos, Unpünktlichkeit und sonstige Pannen: Der Staatskonzern Bahn erlaubt sich viel zu viel. Es gibt nur einen Weg, der zu mehr Zuverlässigkeit und mehr Qualität führt.

Michael Bauchmüller

Keine Frage, die Bahn bewegt dieses Land. Im Idealfall dadurch, dass sie einfach fährt, pünktlich, reibungslos und im Allgemeinen recht bequem. Und ansonsten durch die vielen kleinen und großen Pannen, durch Verspätungen, die sich kaskadenartig fortpflanzen, mal durch Wetterunbilden, mal durch Unvermögen. Oder, wie in den vergangenen Wochen, in einer Kombination aus alledem. Die Bahn, so scheint es, bewegt in diesen Tagen weniger die Menschen als vielmehr die Gemüter.

Der Grund für den Ärger ist in der Regel schwarz auf gelb gedruckt und findet sich gern in blauen Kästen, es ist der Fahrplan: Ein Versprechen, das die Bahn ihren Kunden täglich tausendfach gibt. Eine unpünktliche Bahn - so gesehen ist sie nichts anderes als ein Wortbruch. Viele Kunden mögen dem Unternehmen diesen nicht verzeihen, ob höhere Gewalt im Spiel war oder nicht. Bei der Bahn verstehen die Deutschen keinen Spaß.

Das erklärt, warum Debatten über das Unternehmen rasch hitzig werden und nicht selten auch unsachlich. Ganz offensichtlich hat der Staatskonzern strukturelle Probleme, seine Züge sind übermäßig störanfällig, zu viele Werkstätten wurden in den vergangenen Jahren geschlossen.

Das alles mag auch mit den Börsenambitionen der jüngeren Vergangenheit zusammenhängen. Wer einen Infrastrukturkoloss wie die Bahn allein auf Rendite trimmt, dem wird die Decke irgendwann an allen Enden zu kurz. Und es stimmt: Fahrgäste, die frierend auf den nächsten Zug warten, zahlen auch die Zeche für eine verfehlte Unternehmenspolitik der Vergangenheit.

Doch das ist leider nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist diffiziler, sie hängt zusammen mit der Rolle der Bahnkonzerne in Deutschland und Europa. Wie überall kommt auch die Deutsche Bahn aus Behördenstrukturen. Sie erfüllte ihren Auftrag lange Zeit nicht am Kunden, sondern am Staat: als amtliche Alternative zum Auto. Das besondere, teils auch übermäßig nostalgische Verhältnis der Deutschen zur "Bundesbahn", es hat seine Wurzeln in jener Zeit.

Frankreichs SCNF könnte helfen

Nur stehen die Strukturen von gestern einer besseren Bahn oft im Wege. Vielerorts gilt der Konzern immer noch als natürlicher Partner der öffentlichen Hand. In Berlin etwa, wo der Senat nun zum x-ten Mal Entschädigungen für S-Bahn-Kunden fordert, erhielt das Unternehmen den Zuschlag einst auf dem kleinen Dienstweg, außer Konkurrenz. Und in jenen Bundesländern, in denen der Konzern nie wirklich um Aufträge ringen musste, ist er heute im Nahverkehr mit dem ältesten Wagenmaterial unterwegs.

Bisher tun sich Europas Bahnen nicht weiter weh. Frankreichs SNCF etwa könnte der Bahn als Konkurrent im deutschen Fernverkehr erheblich auf die Sprünge helfen - und umgekehrt. Beide verzichten weitgehend darauf. Erstmals will im Herbst ein amerikanischer Investor Fernzüge gegen die Deutsche Bahn antreten lassen. Es ist höchste Zeit: für eine neue, andere Bewegung auf Schienen.

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