Deutsche Bahn:Höchste Zeit

Deutsche Bahn: Ist es vielleicht schon zu spät? Eine Uhr im Hauptbahnhof von Berlin.

Ist es vielleicht schon zu spät? Eine Uhr im Hauptbahnhof von Berlin.

(Foto: mauritius images)

Die Krise bei der Bahn trifft nun auch den Vorstand: Vizechef Volker Kefer tritt ab. Ein Grund: die Kostenexplosion bei Stuttgart 21. Doch der Konzern hat noch ganz andere Probleme.

Von Thomas Öchsner

Berlin - Es sind sehr unruhige Zeiten bei der Deutschen Bahn: Die Züge kommen zu spät, der Güterverkehr funktioniert nicht wie gewünscht, Stuttgart 21 wird deutlich teurer. Die Krise der Bahn hat jetzt ein prominentes Opfer gefunden: Vizechef Volker Kefer, 60, hat angekündigt, seinen bis Ende September 2017 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen. Kefer, zuständig für Technik und Infrastruktur, galt als Rivale von Konzernchef Rüdiger Grube, 64, insgeheim hatte er sich Hoffnungen auf deswegen Nachfolge gemacht, heißt es. Auch Grube, der seit dem Jahr 2009 im Amt ist, gilt als umstritten. Sein Vertrag läuft Ende 2017 aus. Wann über seine Verlängerung entschieden wird, werde nicht jetzt beantwortet, sondern erst "zum Ende dieses Jahres", sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch. Dem Aufsichtsrat der Bahn, der an diesem Mittwoch zum zweiten Mal in acht Tagen zusammenkam, sind all die Dauerprobleme wohlbekannt. Trotzdem war das Treffen eines der besonderen Art, weil Kefer keine 24 Stunden vorher seinen Rücktritt erklärt hatte. Der frühere Siemens-Manager, der am Ende zu viele Aufgaben auf sich lud, war zuletzt im Konzern nur noch schlecht gelitten. Nachdem er den Aufsichtsrat reichlich spät darüber informiert hatte, dass der umstrittene Tiefbahnhof Stuttgart 21 samt angeschlossener Tunnelstrecke wohl erst 2023 und nicht 2021 fertig und 500 Millionen Euro teurer wird, kam er mit dem Rückzug vermutlich einem Rausschmiss zuvor. Kefer war bislang auch für das Modernisierungsprogramm "Zukunft Bahn" zuständig. Einen Nachfolger gibt es noch nicht. Wie geht es jetzt weiter bei der Bahn? Will man es in einem Satz ausdrücken, könnte man sagen: Es wird weitergewurstelt, und das auf allen Ebenen. Auch beim Thema, das die Kunden am meisten nervt: den Verspätungen. Es gehört zu den wahrscheinlich schwierigsten Management-Aufgaben in Deutschland, möglichst viele Züge pünktlich fahren zu lassen. Schon 2015 zählte das Eisenbahnbundesamt 174,63 Millionen Minuten an Verspätungen, die alle Eisenbahnen (auch die der Bahn-Konkurrenten) eingefahren haben. 7974 Stunden, Tag für Tag. Und auch dieses Jahr wird wohl nichts daraus: Das Vorhaben der Bahn, dass 2016 wenigstens 80 Prozent der Fernzüge nach Fahrplan und nicht mehr als fünf Minuten zu spät ankommen, dürfte ein schöner Wunsch bleiben. Um die Pünktlichkeit der ICE- und IC-Züge ist es schlecht bestellt. Schon im April waren nur 78,5 Prozent der Fernzüge im Takt.

Jetzt kommt die Sommerzeit, die bei der Bahn Bauzeit ist. Im Güterverkehr, der seit Jahren dahinsiecht, wird der Sparkurs auf Druck der Gewerkschaften wohl doch nicht so hart ausfallen wie zunächst vorgesehen. Geplant war, bis zu 3000 der insgesamt 18 000 Arbeitsplätze bei DB Cargo zu streichen und 215 Güterverladestellen zu schließen. Nun werden es weniger sein. "Es wird auch keine Vorgaben für Stellenstreichungen geben", sagt ein Konzernvertreter. An der Misere der Güterzüge ändert das aber nichts: Lastwagen fahren derzeit wegen der niedrigen Spritpreise konkurrenzlos günstig. Die Maut für Lkw ist gesunken. Gleichzeitig erhebt Deutschland nach Angaben der "Allianz für Schiene" die zweithöchste Stromsteuer auf Eisenbahn-Fahrstrom, was die Güterbahn nicht gerade wettbewerbsfähiger macht. Die Bundesregierung müsste den Steuersatz für Bahnstrom auf null senken, wie in Belgien, Schweden oder Großbritannien, um den Güterzügen zu helfen, fordert die Allianz.

Es fahren wieder mehr Menschen mit der Eisenbahn, aber vor allem wegen der Billigtickets

Auch im Fernverkehr heißt es: weiterwursteln. Derzeit lockt die Bahn wieder mehr Fahrgäste in die Züge. Die Billigtickets ab 19 Euro, die der Staatskonzern als Alternative zu den Billigangeboten der Fernbusse und Airlines verkauft, kommen bei den Kunden gut an, für 2016 wird ein Passagierrekord erwartet. "Doch jetzt wird uns vorgeworfen, dass wir damit nicht richtig Geld verdienen", sagt eine Führungskraft aus dem Berliner Bahn-Tower.

Hier geht es ums große Ganze: Was soll die Bahn überhaupt tun? Soll der Konzern dem Eigentümer Bund eine möglichst hohe Dividende abliefern? Oder möglichst viele Fahrgäste am besten pünktlich, günstig und komfortabel von A nach B bringen, ohne dass der Fernverkehr profitabel sein muss? Ist das Schienennetz dafür da, einen hohen Profit zu erzielen? Oder sollen alle Eisenbahn-Gesellschaften möglichst geringe Trassenpreise für die Schienennutzung zahlen, um den Wettbewerb anzukurbeln?

Matthias Gastel, Mitglied des Verkehrsausschusses des Bundestages und Sprecher für Bahnpolitik bei den Grünen, vermisst klare Vorgaben der Bundesregierung und des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU). "Die Klärung von Personalfragen im DB-Vorstand ist notwendig", sagt er. Wenn aber die Bundesregierung "nicht endlich für klare Managementziele und faire Wettbewerbsbedingungen der Schiene sorgt, können neue Köpfe an der Spitze des Bahn-Konzerns wenig ausrichten". Personalrochaden alleine lösten die strukturellen Probleme nicht.

Kanzlerin Angela Merkel hat im Moment aber ganz andere, wichtigere Probleme. Im Kanzleramt lässt man die Bahn machen. Hauptsache, sie badet den Ärger der Kunden aus, und nicht die Regierung. Im Berliner Bahn-Tower sehen dies viele Manager genauso. Es gilt als offenes Geheimnis, dass eine Ablösung von Grube, den seine Kritiker für zu zögerlich und zu schwach halten, nicht viel bringen würde.

Mit dem Abgang von Kefer ist nun die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Grube bleibt. Dafür spricht auch, dass derzeit kein Top-Manager in Sicht ist, der für ein - gemessen am Gehalt eines Dax-Vorstandschefs - eher spärliches Gesamtgehalt von zuletzt 1,44 Millionen Euro im Jahr sich so viel Ärger auflädt. Grube macht den Job gerne und würde seinen Vertrag am liebsten noch einmal verlängern. Zuletzt hat er aber durchblicken lassen, dass er sich ein Leben jenseits der Bahn vorstellen kann - wenn ihm der Ärger zu viel wird.

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