Deutsche Bahn:Bitte zurückbleiben!

Lesezeit: 2 min

Die Mehdorn-Ära der Bahn muss mit dem neuen Aufsichtsratchef Utz-Hellmuth Felcht endlich überwunden werden. Verzweifelt gesucht: ein Gesamtkonzept.

Daniela Kuhr

Am Mittwoch hat die Bundesregierung einen Schlussstrich unter eine Ära gezogen. Mit der Abberufung des SPD-nahen Aufsichtsratschefs Werner Müller verlässt der letzte namhafte Vertraute des früheren Bahn-Chefs Hartmut Mehdorn den Staatskonzern.

Künftig wird der Chemie-Manager Utz-Hellmuth Felcht dem Aufsichtsrat vorsitzen. Mehdorn ist damit endgültig Vergangenheit. Die Zukunft der Bahn liegt in den Händen einer neuen Führung - und einer neuen Regierung. Was für eine Chance!

Eine Verkehrspolitik, die den Namen verdient hat, gibt es schon seit langem nicht mehr. Was die Bahn anbelangt, war das Ziel in den vergangenen Jahren nur noch, das Unternehmen, oder Teile davon, möglichst gewinnbringend an Investoren zu verkaufen.

Gedanken, welche Rolle die Bahn in Zukunft haben soll, erübrigten sich, denn das wäre Sache der künftigen Anteilseigner gewesen. Doch als der Börsengang im Zuge der Finanzkrise abgesagt werden musste, fiel das Ziel auf einmal weg. Plötzlich war da nichts mehr. Kein Plan B, der aufzeigt, wie es weitergehen soll mit der Bahn. Solch ein Vakuum kann sich keine Regierung erlauben. Dafür ist der Schienenverkehr zu wichtig. Dafür geht es um zu viel Geld.

Seit der Bahnreform 1994 hat der Bund den Schienenverkehr mit sagenhaften 250 Milliarden Euro gefördert. Und doch quillt der Bundesverkehrswegeplan über von Projekten, die angeblich dringlich sind, aber ohne jede Finanzierung dastehen. Offenbar haben die Politiker weitaus mehr geplant, als sich in absehbarer Zeit realisieren lässt.

Was das Schlimme dabei ist: Schaut man sich die Projekte an, sowohl die bereits begonnenen als auch die geplanten, fällt eines auf: Es ist kein Gesamtkonzept erkennbar. Lauter Einzelmaßnahmen. Hier mal eine Neubaustrecke, da ein Tunnel und dort ein Ausbau.

Eine konkrete Vorstellung, wie viel Verkehr damit bis wann auf die Schiene verlagert werden soll, ist nicht definiert. Stattdessen Stückwerk. Und dieses Stückwerk beschränkt sich leider nicht auf den Schienenverkehr. Im Straßenverkehr sieht es nicht besser aus.

Eine vernünftige Politik würde eine Vision entwickeln. Wie sollen die Verkehrsströme der Zukunft fließen? Wie lassen sich Ballungsräume entlasten? Wie können möglichst viele Menschen und Güter transportiert werden, ohne Umwelt und Klima unnötig zu schädigen? Ein striktes Differenzieren nach den Kategorien Straße und Schiene ist dabei fehl am Platz.

Bislang denken die Mitarbeiter im Verkehrsministerium, Geld, das der Bund der Straße zubilligt, fehle der Schiene - und umgekehrt. Doch stattdessen sollten sie ganzheitlich denken. Eine Straße lässt sich nicht nur durch eine dritte Spur oder eine Umgehungsstraße entlasten, sondern auch durch eine gute Zuganbindung. Geld, das in den Ausbau der Schiene gesteckt wird, kommt im Ergebnis auch dem Straßenverkehr zugute.

Funktionieren wird das allerdings nur, wenn das Angebot überzeugt. Die Bahn braucht einen regelmäßigen Taktverkehr. Reisende müssen sich darauf verlassen können, dass es beispielsweise zwischen Großstädten alle halbe Stunde eine Verbindung gibt und zwischen kleineren Städten jede Stunde.

Nur dann werden die Menschen tatsächlich bereit sein, das Auto stehen zu lassen und den Zug zu nehmen. Solch ein dicht getaktetes Angebot aber wird die Bahn nicht machen können. Denn es gibt Strecken, die sind einfach nicht rentabel. Und deshalb wird der Bund auch hier über neue Wege nachdenken müssen. Vielleicht sollte er - ähnlich wie die Länder es im Regionalverkehr machen - bestimmte Strecken bestellen oder ausschreiben. Dann hätten auch endlich Wettbewerber eine Chance.

Es wäre ein großer Schritt. Doch wann, wenn nicht jetzt, könnte man ihn gehen? Ein neuer Vorstand, eine neue Regierung und jetzt auch noch ein neuer Aufsichtsrat: Nie waren die Voraussetzungen für einen Kurswechsel günstiger.

© SZ vom 11.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: