Deutsche Bahn:Ausgeschlafene fahren Nachtzug

ÖBB-Nachtzug

Neuer Komfort für Reisende - in einer Designstudie der Österreichischen Bundesbahnen. Sie wollen ihr Angebot ausbauen.

(Foto: Nina Kozak/dpa)

Manche Bahnfahrer reagierten erstaunt, als die Bahn ankündigte, den Nachtzugverkehr in Deutschland Ende des Jahres einzustellen. Die Nachfrage sei zu gering. Doch nun soll es doch weitergehen.

Von Michael Kuntz

Es gab einmal Werbeplakate der Deutschen Bahn, auf denen sie für ihre Nachtzüge warb. "Paris ist nicht zum Schlafen da", lautete ein lockerer Spruch, ein anderer: "Ausgeschlafene reisen nachts". Nun sind diese Plakate Geschichte und die Nachtzüge der Deutschen Bahn demnächst auch. Die DB hatte Ende vorigen Jahres bekannt gegeben, alle bisherigen Linien ihres klassischen Nachtzugverkehrs in diesem Dezember einzustellen, in einem Schritt.

Doch nun kommt es anders. Denn die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) wollen den Großteil der Verbindungen ersetzen und künftig Nachtzüge mit Schlaf- und Liegewagen durch Deutschland rollen lassen. Vom Fahrplanwechsel am 11. Dezember an soll das der Fall sein.

Eigentlich wollten die Beteiligten dies erst später bekannt geben. Durch den Grünen-Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel gelangte der Plan jetzt an die Öffentlichkeit. Gastel war auf interne Unterlagen über die Trassenanmeldungen für den Nachtzugverkehr im kommenden Jahr aufmerksam geworden.

Angemeldet haben die Österreichischen Bundesbahnen demzufolge täglich drei Euronight-Züge (EN) mit Schlaf-, Liege- und Sitzwagen auf den folgenden Strecken: erstens Düsseldorf-Köln-Frankfurt-München-Innsbruck sowie zweitens Hamburg-Berlin-Frankfurt-Karlsruhe-Basel und drittens Hamburg-Hannover-Würzburg-München-Innsbruck. Auch für die Achse Basel-Zürich-Prag ist ein Nachtzug vorgesehen. Sechs andere Nachtreisezüge der ÖBB mit Teilabschnitten in Deutschland sollen unverändert verkehren. Keine Informationen gibt es bislang zu den Nachtverbindungen von München nach Mailand, Venedig und Rom. Beide Bahngesellschaften wollten zu den künftigen Strecken mit Nachtzügen noch keine Auskunft geben.

Unabhängig von den Plänen der ÖBB will die Deutsche Bahn mehr Nacht-ICE einsetzen, erklärte eine Sprecherin. Es handelt sich dabei aber um normale Reisezüge mit Sitzen.

Wie kommt es, dass die Österreichische Bundesbahnen nun einen Geschäftszweig fortführen, der nach Angaben der Bahn schon seit Jahren defizitär ist? Nur einer von hundert Fahrgästen reiste bisher im Schlaf- oder Liegewagen, immerhin gab es 1,3 Millionen Buchungen. Offenbar zu wenig. Bei einem Umsatz von 90 Millionen Euro entstand der Bahn voriges Jahr ein Verlust von 31 Millionen Euro.

Nach der Niederlage im Wettbewerb mit Fernbussen droht neue Schmach

Dagegen macht die ÖBB mit Nachtverbindungen 17 Prozent ihres Umsatzes. "Das Nachtsegment ist interessant für uns, wir wollen es ausbauen", zitiert die Nachrichtenagentur dpa einen Sprecher der Österreichischen Bundesbahnen. Die wollen ihren Fuhrpark um 60 gebrauchte Schlaf- und Liegewagen aufstocken. In den kommenden zwei Jahren will sie zudem 20 ihrer Intercity-Wagen zu Liegewagen umbauen. Außerdem wurde die Anschaffung von 15 Waggons für den Transport von Autos beschlossen. Daran knüpfen sich Spekulationen, die ÖBB könnte auch den Autozugverkehr in Deutschland wiederbeleben. Möglich wäre es, an einige Nachtzüge auch Autowaggons zu hängen. Das hatte die Deutsche Bahn teilweise auch gemacht. Sie war von Berlin nach München über Hildesheim und Augsburg gefahren, begleitet von geräuschvollen Rangiermanövern in der Nacht.

Die Deutsche Bahn scheint aus ihrem Desaster nach der Liberalisierung des Fernverkehrs nichts gelernt zu haben. Denn der Erfolg der neuen Fernbusse beruht nicht zuletzt darauf, dass deren Betreiber Verbindungen anbieten, bei denen die Bahn nicht erkannt hatte, welch große Nachfrage dafür besteht.

Es sieht ganz danach aus, dass sich das Versagen der Bahn im Fernverkehr tagsüber nun nachts wiederholen wird. Sollte die ÖBB mit Nachtzügen wirtschaftlich erfolgreich sein, würde das österreichische dem deutschen Staatsunternehmen vormachen: Die Deutsche Bahn kann nicht einmal Nachtzüge.

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