Deutsche Autohersteller in Detroit:Flucht aus der Krise

Workers hang a Ford Motor banner on the side of a building across from Cobo Center in advance of media preview of North American International Auto show in Detroit

Arbeiter hängen ein Ford-Werbebanner in Detroit auf: Dort startet an diesem Montag die wichtigste Automesse Nordamerikas.

(Foto: REUTERS)

Die größte Automesse Nordamerikas öffnet in Detroit ihre Tore. Vor allem für die deutschen Unternehmen ist das eine wichtige Werbeplattform: Die USA sind für BMW, Daimler und Volkswagen zum Wachstumsrefugium geworden - hier finden sie Zuflucht vor der Euro-Krise. Bisher nur Nischenanbieter auf dem US-Markt, machen sie jetzt Druck auf die amerikanische Autoindustrie.

Von Moritz Koch, New York

Die 20. North American International Auto Show war eine Totenmesse. GM und Chrysler standen vor der Pleite, ihre Stände präsentierten das letzte Aufgebot ihrer Fahrzeugflotten. Selbst für Ford ging es nicht mehr um Gewinnziele und Modelloffensiven, sondern um das nackte Überleben. Die Stimmung war gespenstisch, damals im Januar 2009.

Vier Jahre später sind die Geister des Niedergangs vertrieben. Wenn die größte und wichtigste Automesse Nordamerikas an diesem Montag in Detroit ihre Tore öffnet, demonstrieren die funkelnden Karossen von GM, Chrysler und Ford weniger das Geschick von Ingenieuren oder die Geschmackssicherheit von Designern. Sie dokumentieren zu allererst den größten industriepolitischen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte: die Rettung der amerikanischen Autoindustrie durch Präsident Barack Obama.

Es ist eine Wende, wie sie selbst die kühnsten Träumer nicht für möglich gehalten hätten. Die Todgeweihten haben zu alter Kraft zurückgefunden. GM, Chrysler und Ford schreiben hohe Gewinne - und an den Börsen steigen die Kurse. Vor allem für GM ging es zuletzt steil nach oben. Nachdem die Aktie im Sommer auf 18 Dollar gefallen war, notiert sie inzwischen bei mehr als 30 Dollar.

Deutsche Autobauer machen Druck

Auch wenn die US-Regierung am Ende einen Verlust verbuchen wird: Die Staatshilfen haben sich ausgezahlt. Mehr als 85 Milliarden Dollar investierte die US-Regierung im Sommer 2009 in GM, Chrysler und etliche Zulieferer. Seither hat die Autoindustrie mehr als eine Viertelmillion Jobs geschaffen. Niemand zweifelt mehr an der Zukunftsfähigkeit der "Big Three".

Nur eines will den US-Konzernen nicht gelingen: die Rückeroberung verlorener Marktanteile. Sie wachsen zwar, aber sie wachsen nicht schnell genug. Gerade die Deutschen, die bisher nur Nischenanbieter auf dem amerikanischen Markt waren, machen Druck. 2012 haben die Amerikaner 14,5 Millionen Neuwagen gekauft, es war das beste Jahr seit 2007 und ein Zuwachs von mehr als 13 Prozent gegenüber 2011. Die deutschen Hersteller steigerten ihren Absatz sogar um 21 Prozent und haben sich inzwischen einen Marktanteil von fast neun Prozent gesichert.

US-Unternehmen verlieren Marktanteile

Für BMW, Daimler und VW sind die USA zum Wachstumsrefugium geworden. Hier finden sie Zuflucht vor der Euro-Krise und der Konjunkturschwäche in China. Und so wird die Messe in Detroit auch für die deutschen Hersteller zu einer wichtigen Werbeplattform: Mercedes-Benz wird seine überarbeitete E-Klasse vorstellen, BMW einen Ausblick auf ein 4er Coupé gewähren und VW Rekorde vermelden. Mehr als neun Millionen Fahrzeuge haben die Wolfsburger im vergangenen Jahr global verkauft, in den USA stehen sie so gut da wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ein neuer, speziell für den amerikanischen Markt entwickelter Geländewagen soll das Wachstum auch für die nächsten Jahre sichern.

Doch noch stärker als die Deutschen präsentieren sich die Japaner. Allen voran: Toyota. Der Konzern, der einst GM von der Weltspitze verdrängt hat, konnte sich vom Katastrophenjahr 2011 erholen, als seine Produktionsstätten von Erdbeben und Flutwellen verwüstet wurden. Auch Nissan und Honda verzeichnen starke Zuwächse, genau wie die Koreaner mit Kia und Hyundai. Die Asiaten teilen inzwischen 45,6 Prozent des amerikanischen Marktes unter sich auf. Damit haben sie die US-Konzerne überholt. Zusammen kommen General Motors, Chrysler und Ford nur noch auf 44,5 Prozent.

Für die Amerikaner ist die Dominanz der 80er und 90er Jahre Geschichte. Vor allem die Marktmacht von GM bröckelt. Zwar stiegen die Verkäufe von Chevys, Buicks, GMCs und Cadillacs um 3,7 Prozent. Doch ihr Marktanteil sank von 19,6 auf 17,9 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit den 20er Jahren. An dieser Stelle endet die Geschichte des märchenhaften Comebacks.

Nach wie vor haftet GM das Stigma des Staatskonzerns an. So erfolgreich Obamas Milliardeninfusion auch war, die steuerfinanzierte Rettungstat hat das Land gespalten und ist bei vielen Amerikanern bis heute extrem unbeliebt geblieben. General-Motors-Chef Daniel Akerson will Washington daher so schnell wie möglich los werden, und vieles spricht dafür, dass er darauf nicht mehr lange warten muss. Die Regierung hatte 2009 die Aktienmehrheit übernommen, als Gegenleistung für die Staatshilfen. Seither zieht sie sich schrittweise aus dem Unternehmen zurück. Erst im Dezember hatte GM dem Finanzministerium ein Aktienpaket im Wert von 5,5 Milliarden Dollar abgekauft. Die verbleibenden Anteilsscheine der Regierung sollen in den kommenden Monaten auf dem Markt platziert werden.

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