Deutsch-spanisches Treffen:"Unser bestes Beispiel"

In Berlin erklärt Wolfgang Schäuble, die Entwicklung Spaniens belege die Richtigkeit der europäischen Rettungspolitik.

Von Cerstin Gammelin, Thomas Urban, Berlin/Madrid

Spanien ist im Wahlkampfmodus, und Luis de Guindos ist ein erfahrener Politiker. Logisch also, dass der konservative Wirtschaftsminister auf dem deutsch-spanischen Wirtschaftstag am Dienstag in Berlin die Sorge, die ihn am meisten umtreibt, zwischen guten Nachrichten zu verstecken versuchte. Als Guindos mit Wolfgang Schäuble auf der Bühne saß, lobte er den Bundesfinanzminister für dessen Hilfe bei der Bewältigung der spanischen Finanzkrise. Sich selbst lobte er für seinen Reformeifer, auf dem die neuen, positiven Wirtschaftsdaten basierten. Wie fragil die politische wie wirtschaftliche in Lage in Spanien wirklich ist, ließ seine Anspielung auf den Aufstieg der Protestpartei Podemos anklingen: "Das größte Risiko für uns sind die Auswirkungen der Reformen. Aber ich glaube, dass Spanien eine entwickelte Gesellschaft hat und weiter bereit ist, Reformen durchzusetzen, um Wohlstand zu schaffen".

Von Wohlstand hat die Mehrzahl der Spanier in den vergangenen Jahren nur träumen können. Tausende junge Menschen haben auf der Suche nach Ausbildung und Jobs das Land inzwischen verlassen. In der jungen Generation liegt nach den Umfragen Podemos deutlich vorn. Kein Wunder: Die Arbeitslosenquote liegt nach wie vor bei 22 Prozent. Dass die Wirtschaft wächst, liegt auch daran, dass die EU-Kommission sehr großzügig ist bei der Erfüllung der Defizitgrenze. Seit 2009 liegt Madrid deutlich über den erlaubten drei Prozent, bezogen auf die Wirtschaftsleistung.

Die letzte sozialistische Regierung hatte es mit einem fehlgeschlagenen Konjunkturprogramm sogar auf knapp zehn Prozent ausgeweitet. Da dieses Defizit nur stufenweise zurückzufahren ist, hat Brüssel für 2015 noch einmal vier Prozent erlaubt. Die Regierung des konservativen Premierministers Mariano Rajoy hat damit im Wahljahr finanzielle Spielräume für soziale Wohltaten wie Steuersenkungen oder staatlich subventionierte Arbeitsplätze. Außerdem hilft die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Sie macht die Finanzierung der spanischen Schuldenlast erträglich, die in den vergangenen Jahren von 65 auf knapp 100 Prozent, bezogen auf das Bruttosozialprodukt, gestiegen ist.

Schäuble freute sich am Dienstag über das Lob des Wirtschaftsministers aus Madrid und setze ebenfalls ein Eigenlob drauf. "Spanien ist unser bestes Beispiel, dass wir vieles richtig gemacht haben", sagte der Bundesfinanzminister und bezog sich auf die vom ihm maßgeblich bestimmte Euro-Rettungspolitik der vergangenen Jahre. Das Außergewöhnliche an Spanien sei, dass das Vereinbarte auch umsetze. Damit sei Spanien beinahe eine Ausnahme unter den Euro-Ländern.

Deutsch-spanisches Treffen: Gute Stimmung in der Krise: Touristinnen lassen sich in Madrid als strahlende Flamenco-Tänzerinnen fotografieren.

Gute Stimmung in der Krise: Touristinnen lassen sich in Madrid als strahlende Flamenco-Tänzerinnen fotografieren.

(Foto: Francisco Seco/AP)

De Guindos verwies darauf, dass für Ende 2015 mit einem Wachstum von mehr als drei Prozent zu rechnen sei. Die Handelsbilanz ist seit dem vergangenen Jahr positiv, gleichzeitig hat der Privatkonsum deutlich angezogen. Die Immobilienpreise, die nach dem Platzen einer gigantischen Immobilienblase vor sieben Jahren im Schnitt um mehr als ein Drittel eingebrochen waren, haben sich stabilisiert, in einigen Großstädten sowie den Touristengebieten ziehen sie wieder leicht an. Neben der Verkleinerung des öffentlichen Dienstes um rund acht Prozent führt de Guindos als Grund für den Aufschwung die Liberalisierung des Arbeitsmarktes an.

Umfragen belegen allerdings, dass keineswegs die Politik der Austerität der Hauptgrund für den Aufstieg von Podemos ist, sondern die epidemische Korruption, die beide großen Parteien erfasst hat, die konservative Volkspartei (PP) von Rajoy sowie die Sozialisten (PSOE). Rajoy warnt indes unablässig mit Hinweis auf "das griechische Chaos" vor Podemos. Der Chef der Gruppierung, der Politologe Pablo Iglesias, hatte bislang den griechischen Premier Alexis Tsipras als Vorbild bezeichnet. Dass Tsipras aber einen radikalen Kurswechsel durchgesetzt hat, sorgte auch bei den Linksalterativen in Spanien für große Unsicherheit. Podemos hat in den Umfragen seit Beginn des Jahres rund zehn Punkte verloren und liegt derzeit bei rund 15 Prozent. Die Übernahme der Regierung nach griechischem Vorbild ist somit in weite Ferne gerückt.

Rajoy war nach seinem Amtsantritt Ende 2011 massiv von der Finanzwirtschaft sowie mehreren Regierungen anderer EU-Länder bedrängt worden, das Land unter den "europäischen Rettungsschirm" zu führen, so wie es die portugiesischen Nachbarn angesichts des drohenden Staatsbankrotts getan haben. Er hielt mit dem Hinweis, die Substanz der Wirtschaft sei intakt, diesem Druck stand. Brüssel übernahm allerdings die Garantie für Kredite in Höhe von 40 Milliarden Euro zur Stabilisierung des spanischen Bankensektors. Dieses Vorhaben ist gelungen, wenn auch teilweise zu hohen Kosten für die Privatanleger.

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