Der Fall Zumwinkel:Der Schatz in Liechtenstein

Wenn ein Name in Deutschland als Synonym für die Gier der Manager steht, dann ist es Klaus Zumwinkel. Nun wird der Ex-Post-Chef angeklagt.

H. Leyendecker u. J. Nitschmann

1986 war für Klaus Zumwinkel ein erfolgreiches Jahr. Vor 22 Jahren rückte er beim Versandhaus Quelle zum Vize-Vorstandschef auf, und auch seine Vermögensangelegenheiten regelte er souverän. Bei der Fürstenbank LGT in Liechtenstein richtete er eine verdeckte Stiftung ein, die er "Devotion Family Foundation" nannte. Aus den Statuten ist ersichtlich, dass er Vorsorge für alle Fälle getroffen hatte: Bei seinem Ableben - Zumwinkel war damals 42 Jahre alt - wären zunächst seine Ehefrau und dann die beiden Kinder "Begünstigte" gewesen.

Der Fall Zumwinkel: Ex-Post-Chef: Im Februar rückte die Staatsanwaltschaft zur Hausdurchsuchung an, das Fernsehen war am Gartenzaun live dabei.

Ex-Post-Chef: Im Februar rückte die Staatsanwaltschaft zur Hausdurchsuchung an, das Fernsehen war am Gartenzaun live dabei.

(Foto: Foto: ddp)

Ermittler rätseln, wie viel der spätere Postchef damals wohl in der Alpenfeste angelegt hatte. In den Unterlagen der Fahnder findet sich nur die Stiftungsurkunde samt Statuten. Dem Finanzamt Köln-Süd hat er den Schatz verschwiegen. Dabei werden es sicherlich etliche Millionen Mark gewesen sein. Darauf deutet jedenfalls ein Kontoauszug aus dem Jahr 2002 hin, der den Ermittlern vorliegt: Danach hatte Zumwinkel vor sechs Jahren heimlich elf Millionen Euro in Liechtenstein auf der hohen Kante.

Keine leichte Rechnung

Ein Großteil war geerbtes Geld. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Hartwig hatte Klaus Zumwinkel vom viel zu früh verstorbenen Vater zehn Kaufhäuser und 50 Discountläden geerbt, die beide Zumwinkels bereits 1971 an den Rewe-Konzern verkauften. Auch Bruder Hartwig gründete 1986 in Liechtenstein eine stille Stiftung. Auch in seinem Fall ist die Höhe des Gründungskapitals nicht ganz klar.

Am Freitag bestätigte die Bochumer Staatsanwaltschaft, dass sie Klaus Zumwinkel als ersten der beiden Brüder angeklagt hat: Zwischen 2002 und 2007 soll der heute 64-Jährige bei der LGT-Bank Kapitalerträge in Höhe von 2,5 Millionen Euro erzielt haben, die er dem für ihn zuständigen Finanzamt Köln-Süd offenkundig verschwieg. Nach den Feststellungen der Ermittler hat er durch sechs sogenannte selbständige Handlungen 1,2 Millionen Euro hinterzogen.

Falls - was zu erwarten ist - das Bochumer Landgericht die Anklage zulassen sollte, wird Klaus Zumwinkel voraussichtlich Anfang nächsten Jahres der Prozess gemacht werden. Bei seinem 73-jährigen Bruder Hartwig gehen die Ermittler derzeit von 600.000 Euro hinterzogenen Steuern aus. Die Errechnung der Summe ist bei ihm noch etwas komplizierter, weil das Geld zum Teil in schwarzen Fonds angelegt worden ist. Schwarze Fonds sind im Inland nicht registriert, bei ihnen werden Gewinne nicht steuerlich ausgewiesen und der Anleger bleibt für den Fiskus anonym. Ob solche ausländischen Fonds im Inland besteuert werden können, ist umstritten.

Lesen Sie weiter, warum Klaus Zumwinkel wohl nicht in den Knast wandert.

Der Schatz in Liechtenstein

In den labyrinthischen Korridoren der Affäre können sich selbst Fahnder verirren. Fest steht immerhin: Bei beiden Brüdern waren im Februar dieses Jahres Haftbefehle gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von jeweils vier Millionen Euro außer Kraft gesetzt worden. Die Öffentlichkeit beobachtet die Geschwister unterschiedlich: Bruder Hartwig, der in seiner niederrheinischen Heimat als spendabler Wohltäter gilt, hat keine großen Schlagzeilen gemacht. Der Mann, der trotzig dem Fiskus nicht gab, was des Fiskus ist, machte beispielsweise der Stadt Moers eine Schenkung über eine halbe Million Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und übernahm die Finanzierung von Lehrstellen bei der Stadtverwaltung.

Bruder Klaus hingegen ist der berühmteste deutsche Steuersünder, und sein Name ist zum Synonym für die Gier der Manager geworden. Vor seinem Haus in Köln-Marienburg machten im Frühsommer Busse Halt, um die Bleibe des Übeltäters zu fotografieren. Rückblickend hätten die beiden Zumwinkel-Brüder ihr Millionenerbe besser bei der Postbank angelegt.

Bei dem früheren Postchef Zumwinkel verdeckt derzeit die nennenswerte Verfehlung die beachtliche Lebensleistung, die es auch gibt. Mancher brave Bürger hat sich ihn vermutlich sogar hinter Gitter gewünscht. In den Knast wird er mit ziemlicher Sicherheit nicht einrücken müssen.

Die Staatsanwaltschaft wird in dem anstehenden Prozess vermutlich zwei Jahre Haft auf Bewährung beantragen. Mehr ist schon deshalb nicht drin, weil ein Angeklagter, der im ersten LGT-Prozess zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde, rund 7,5 Millionen Euro hinterzogen hatte. Zwar hat Zumwinkel noch das Problem, dass im Datenskandal der Telekom, deren Aufsichtsratsvorsitzender er war, die Bonner Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt, aber eine hohe Bewährungsstrafe wird es nicht geben, wenn überhaupt. Höchstens sechs Monate; vielleicht aber war es nur eine Ordnungswidrigkeit. Da wird kein Gericht eine Gesamtstrafe für beide Verfahren verhängen, bei der der Angeklagte ins Gefängnis einrücken müsste.

Der LGT-Komplex mit 779 Fällen und über 400 bereits eingeleiteten Strafverfahren, das steht fest, wird die Staatskasse füllen, und auch gemeinnützige Organisationen werden profitieren. Aber auch das kann zu Problemen führen. In dem ersten Liechtenstein-Prozess gegen den Bad Homburger Kaufmann Elmar Bernhard Sch. hatte das Bochumer Landgericht mit der zweijährigen Freiheitsstrafe eine Bewährungsauflage in Höhe von 7,5 Millionen Euro verhängt. Eine Million davon sollte an die Lebensmittel-Tafeln für Bedürftige fließen, jeweils hälftig an deren Bundes- und Landesverband in Nordrhein-Westfalen. Das Gericht musste feststellen, dass die Tafel-Organisationen offenbar zerstritten und die 500.000 Euro an den Landesverband derzeit nicht zustellbar sind. Jetzt will das Gericht 20 örtliche Tafeln in NRW mit jeweils 50.000 Euro bedenken.

Viel Stoff also für einen Film. Die Aspekt Telefilm Produktion Berlin lässt derzeit ein Liechtenstein-Drehbuch erarbeiten. Die Staatsanwältin soll von Veronica Ferres gespielt werden, für Klaus Zumwinkel bieten sich ein paar böse Charakterspieler an. Überfordert wird das Besetzungsbüro vermutlich bei Bruder Hartwig sein. Für den lässt sich kaum ein schwerer Held finden.

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