Der Fall Opel:Guttenberg hat recht

Chance vertan: Eine geordnete Insolvenz von Opel, begleitet vom Staat, hätte den Deutschen zeigen können, dass eine Pleite auch ein Neubeginn sein kann.

Ulrich Schäfer

Karl-Theodor zu Guttenberg, so kann man es sehen, ist am vergangenen Wochenende vom Jüngling zum Mann gereift. Aus dem "Baron aus Bayern", wie ihn Gerhard Schröder tituliert hat, ist binnen einer Nacht ein standhafter Bundeswirtschaftsminister geworden. Ein Mann mit Überzeugungen, der im entscheidenden Augenblick "Nein!" sagt. Der mit Rücktritt droht, weil er nichts davon hält, Opel an ein seltsames Konsortium zu verschenken, welches unter Magna firmiert, hinter dem sich aber vor allem eine russische Staatsbank verbirgt, also der Kreml. Aus Adam Opel wird Wladimir Opel.

Guttenberg, ddp

Noch im Schatten von Ludwig Erhard: Bundeswirtschaftsminister Guttenberg.

(Foto: Foto: ddp)

Die neuen Eigentümer haben der Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen ein seltsames Schauspiel präsentiert. Da fuhr ein grauhaariger 76-jähriger Herr vor dem Kanzleramt vor, der in Österreich geboren und in Kanada groß wurde. Frank Stronach hat aus einer Ein-Mann-Werkstatt einen der größten Autozulieferer der Welt geformt. Der Firmengründer brachte später seinen Vorstandschef Siegfried Wolf mit zu Angela Merkel, Typ perfekter Schwiegersohn. Nur die Russen, die sah man nie. Sie aber werden künftig in Rüsselsheim das Sagen haben, der Sberbank werden 35 Prozent an Opel gehören, Magna nur 20 Prozent. Der marode russische Autobauer Gaz, der in Nischnij Nowgorod an der Wolga 100.000 Menschen beschäftigt, ist als "Industriepartner" ebenfalls mit dabei, zahlt aber nichts, weil er nichts hat.

Natürlich ist gegen einen russischen Investor per se erst einmal nichts einzuwenden. Der Moskauer Energiekonzern Gazprom finanziert ja schließlich auch den FC Schalke 04; Gazprom versorgt zudem Deutschland mit mehr Gas als irgendjemand sonst. Was Gazprom darf, sollten also auch die Sberbank und Gaz dürfen. Nur mehr Offenheit hätte man sich gewünscht, mehr Ehrlichkeit. Und, wie Guttenberg zu Recht bemängelt hat, mehr Risikofreude.

Denn Magna und die Russen handelten mit der Regierung einen Deal aus, der darauf hinausläuft, dass der deutsche Staat alle Risiken trägt - und die neuen Eigentümer keine. Im schlimmsten Fall müssen die Steuerzahler 4,5 Milliarden Euro aufbringen für ein Unternehmen, dessen Überleben trotz der Staatshilfe keineswegs gesichert ist. Denn es gibt viel zu viele Autohersteller auf der Welt, und viel zu wenig Autokäufer.

Guttenberg hat deshalb gut daran getan, sich gegen eine überstürzte und vor allem überteuerte Rettung von Opel zu stemmen; und er hat gut daran getan, auf die Folgekosten hinzuweisen, die die Regierung Merkel/Steinmeier jetzt dem ganzen Land aufbürdet. Was ist, wenn Opel demnächst erneut Geld braucht? Was ist, wenn Stronach wieder im Kanzleramt auftaucht? Alle Nicht-Guttenbergs in Berlin werden zahlen. Wer einmal "Ja" sagt zur Opel-Rettung, muss immer "Ja" sagen. Wer einem Investor alle Risiken abnimmt, wird dies auch künftig tun müssen. Merkel, Steinmeier und Müntefering haben sich erpressbar gemacht. Politiker, die erpressbar sind, geben ihren politischen Spielraum auf; sie können nicht mehr gestalten.

Der Wirtschaftsminister hat deshalb in den vergangenen Wochen immer wieder eine Alternative ins Spiel gebracht, die Opel auch einen Weg in die Zukunft geebnet hätte, allerdings mit weniger Staatshilfe. Bei einer geordneten Insolvenz hätten alle Opfer bringen müssen: die Gläubiger, die jetzigen und künftigen Eigentümer, die Pensionäre - und natürlich die Beschäftigten. Doch auch Magna und die Russen werden europaweit 11.000 Jobs streichen.

Eine Insolvenz kann durchaus eine Chance sein - jedenfalls dann, wenn man sie als solche begreift. Ausgerechnet der Mutterkonzern von Opel, General Motors, führt dies gerade eindrucksvoll vor. Barack Obama sagt, GM werde nach der Pleite stärker und besser dastehen; Angela Merkel behauptet dagegen, sie habe keine Alternative gehabt. Die Nicht-Guttenbergs behaupten, dass niemand Autos von einer Firma kaufe, die insolvent sei. Doch wenn dies wirklich stimmt, dürfte GM ab sofort keine Chevrolets oder Buicks mehr verkaufen. Und auch Opel, seit Monaten vom Aus bedroht, dürfte eigentlich kaum noch Autos loswerden.

Eine geordnete Insolvenz von Opel, begleitet vom Staat, hätte den Deutschen zeigen können, dass eine Pleite auch ein Neubeginn sein kann. Solch ein Schritt hätte den Deutschen zeigen können, dass zu einer sozialen Marktwirtschaft der Erfolg ebenso gehört wie der Misserfolg. Und dass Misserfolg nicht zwangsläufig das Ende bedeuten muss. Die Amerikaner wissen das seit langem. So aber werden sich nun auch jene ermuntert fühlen, nach Staatshilfe zu rufen, die diese gar nicht brauchen. Denn wer lehnt schon ein Freibier ab?

In den Bierzelten wird Karl-Theodor zu Guttenberg für seinen Widerstand bereits gefeiert. Einen wie ihn sehnt die Union seit dem Abgang von Friedrich Merz herbei, die FDP hat von dieser Lücke bisher profitiert. Die entscheidende Frage aber ist: Bleibt Guttenberg auch standhaft, wenn demnächst ein bayerisches Unternehmen Staatshilfe benötigt? Schaeffler etwa, oder gar BMW oder Audi? Wenn er nicht aufpasst, könnte der Bundeswirtschaftsminister dann schnell wieder zum "Baron aus Bayern" werden.

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